Integration als Schwerpunkt: In Sonthofen im Allgäu findet die Landesversammlung des Bayerischen Gemeindetages statt. (Bild: Imago/Westend61)
Bayerischer Gemeindetag

Flüchtlingshelfer sind überlastet

Die Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen stellt der Bayerische Gemeindetag in den Mittelpunkt seiner Landesversammlung in Sonthofen im Allgäu. Verbandspräsident Uwe Brandl warnte, die Flüchtlingshelfer seien überlastet.

Bei dem zweitägigen Treffen der 142 Delegierten aus ganz Bayern unter dem Motto „Integration findet vor Ort statt“ wurden neben Gemeindetagspräsident Uwe Brandl der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio und Staatskanzleichef Marcel Huber als Redner erwartet. Der Gemeindetag fordert bei der „Mammutaufgabe“ Integration mehr Unterstützung von Bund und Land und will ein entsprechendes Positionspapier beschließen.

Eröffnet wurde das Treffen vom ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht, Di Fabio, mit seinen „Gedanken zur Gesellschaft von morgen“. Franz Dirnberger, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Gemeindetages, hat die „Top 5 – Brennpunkte der Kommunalpolitik“ erläutert. Marcel Huber wird am 5. Oktober zur „Integration als gemeinsame Aufgabe von Bund, Land und Gemeinden“ sprechen. Brandl wird anschließend einen „Blick in die kommunale Zukunft“ werfen.

Wir müssen immer auch die Anliegen der bereits hier lebenden Bevölkerung berücksichtigen.

Uwe Brandl

Brandl und Huber redeten schon zu Beginn des Treffens über die zahlreichen Herausforderungen, die die Gemeinden durch die vielen Migranten zu bewältigen haben. „Bislang sind die Gemeinden in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern in einer guten Ausgangsposition. Denn die Finanzierung der Erstunterbringung trägt in Bayern im Wesentlichen der Freistaat“, lobte Brandl bereits im Gemeindetags-Sommerinterview Mitte August. Probleme gibt es andernorts: „Zuständig sind drei Ressorts – Sozialministerium, Innenministerium und Finanzministerium. Das macht es für uns auch nicht immer leicht, zu Lösungen zu kommen.“ Für die Kinderbetreuungseinrichtungen sei obendrein deutlich mehr geeignetes Personal erforderlich und der Markt sei leer gefegt. Weiter fragte der Gemeindetagschef: „Wie gelingt es uns, die Integration zu bewältigen – vor allem auch unter Berücksichtigung des Familiennachzugs. Dabei gilt es, nicht nur die Flüchtlinge zu integrieren, sondern wir müssen immer auch die Anliegen der bereits hier lebenden Bevölkerung berücksichtigen.“

Flüchtlingshelfer sind überlastet

Brandl warnte zudem im Münchner Merkur vor einer zunehmenden Überlastung der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. „Die Stimmung verändert sich bereits. (…) Die Helfer sind erschöpft, viele sogar an ihrer Grenze angekommen. Sie bekommen einzelne Schicksale nicht mehr aus dem Kopf. Es ist enorm anstrengend, mit traumatisierten Menschen zu arbeiten. Und mit Menschen aus fremden Kulturkreisen, in denen vieles, das für uns normal ist, nicht selbstverständlich ist.“ Anfangs habe er in Abensberg 130 Helfer gehabt, inzwischen seien nur noch 25 übrig. „Die anderen sind ausgestiegen, weil sie nicht mehr können“, so der Bürgermeister. Sorgen mache er sich auch um einen weiteren Stimmungsumschwung:

Ich beobachte, dass unsere intensiven Bemühungen um die Flüchtlinge bei vielen Bürgern zu Frust führen. Sie haben das Gefühl, dass man sich um sie weniger kümmert. Ich mache mir Sorgen, dass die Akzeptanz gegenüber Flüchtlingen irgendwann bröckelt.

Uwe Brandl

Schließlich könne niemand wissen, ob die derzeit nachlassenden Asylbewerberzahlen auch anhalten würden. „Ich glaube, wir werden uns auf eine zweite Welle einstellen müssen“, warnte Brandl im Merkur.

Weitere kommunale Brennpunkte

Aber es geht in Sonthofen nicht nur um die Integration: Schon im Gemeindetags-Sommerinterview nannte Brandl ein Problem mit „unglaublicher politischer Sprengkraft“. Das sei die Frage, „wie wir in Zukunft mit den enormen Sanierungsaufwendungen, die im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen anstehen, umgehen werden. Der Kanal und die Wasserleitung bergen insbesondere in den Flächenkommunen ein riesiges Problem.“ Brandl befürchtet eine Anhebung von Gebühren und Preisen in den Kommunen, wenn nicht gegengesteuert werde.

Das ist in der Tat so: Kürzlich hat das Deutsche Institut für Urbanistik eine Schätzung veröffentlicht, wonach deutschlandweit allein für die Sanierung von Schulbauten rund 34 Milliarden Euro benötigt würden. Bayern kam dabei allerdings mal wieder am besten weg. So haben die Kommunen in Bayern im Schnitt 74,32 Euro pro Einwohner für Baumaßnahmen im Schulbereich ausgegeben, in Nordrhein-Westfalen waren es gerade einmal 9,22 Euro. Dennoch gibt es auch im Freistaat einen hohen Sanierungsbedarf.

Weiter ging es in Sonthofen um die Fragen der Kinderbetreuung, der Inklusion und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für die Bürger – dabei eben auch für anerkannte Flüchtlinge.

Wohnungsbau

Wenn Asylbewerber anerkannt werden, haben sie ein vorläufiges Bleiberecht in Bayern und die letzte Aufenthaltsgemeinde muss für ihre Unterbringung sorgen. Genau das aber funktioniert oft nicht, weil bezahlbare Wohnungen schon für die Einheimischen fehlen, weil Sozialwohnungen in der erforderlichen Menge nicht so schnell errichtet werden können, weil es der Kommune an Geld oder bezahlbarem Bauland fehlt oder weil sich kein Vermieter findet, der Flüchtlinge als Mieter akzeptiert. Die Folge: In den großen Gemeinschaftsunterkünften des Freistaats gibt es mittlerweile tausende „Fehlbeleger“, also anerkannte Flüchtlinge, die zwar ausziehen dürften, aber keine Wohnung finden. Brandl nannte die Zahlen: 104 Fehlbeleger allein für Abensberg! Um den Sozialwohnungsbau anzukurbeln, forderte er im Merkur deshalb „Anreize für Grundeigentümer und vor allem Landwirte“, etwa durch Steuererleichterungen, wenn sie Grund dafür verkaufen. Dabei dürfe man aber keinesfalls beim Wohnungsbau die Einheimischen vergessen.

Gemeinden, die einen Haushalt haben, der an der Grenze der Genehmigungsfähigkeit ist, können das kaum tragen, da die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum zunächst einmal Geld kosten wird.

Uwe Brandl

Da die Kommunen zur Integration von Flüchtlingen schon die Sachaufwandskosten für mehr Krippen-, Kindergarten- und Schulplätze stemmen müssen, sehen sie den Wohnungsbau kritisch. „Gemeinden, die einen Haushalt haben, der an der Grenze der Genehmigungsfähigkeit ist, können das kaum tragen, da die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum zunächst einmal Geld kosten wird“, sagte Brandl im August. Die kommunalen Haushalte würden deshalb in den nächsten Jahren unter erheblichem Druck stehen. Der Bayerische Gemeindetag will deshalb bei der Landesversammlung in Sonthofen nach eigenen Worten „einen Weckruf an die Staatsregierung“ senden.

Problem der Wohnsitzauflage

Ab dem 1. September 2016 können die Regierungen anerkannten Asylbewerbern für drei Jahre ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen Wohnsitz in einem bestimmten Landkreis oder einer kreisfreien Stadt zuweisen. Ausgenommen sind Personen, die selbst oder deren Angehörige eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden aufnehmen oder aufgenommen haben, eine Berufsausbildung absolvieren oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Betroffen sind also letztlich nur Asylbewerber, die von Sozialhilfe leben. Diese sollen integrationsfördernd auf ganz Bayern verteilt werden, um die Ballungszentren, in die die meisten Asylbewerber wollen, nicht allein zu lassen.

In vielen Gemeinden fehlen Wohnungen, übrigens auch für die bereits dort lebende Bevölkerung.

Uwe Brandl

Brandl sieht jedoch Probleme: „Jemandem einen Wohnsitz zuzuweisen, ohne für ihn eine freie Wohnung zu haben, funktioniert nicht. In vielen Gemeinden fehlen Wohnungen, übrigens auch für die bereits dort lebende Bevölkerung. Wenn die Gemeinden nun anerkannte Flüchtlinge zugewiesen bekommen sollen, so verschärft das die Wohnsituation vor Ort massiv“, so der Bürgermeister im Sommerinterview. Auch im Merkur wiederholte er diese Position: „Ich denke, dass wir miteinander mehr erreichen statt durch hoheitliche Zwangszuweisung.“

Der Gemeindetag

vertritt die Interessen von 2028 bayerischen Gemeinden, Märkten und kreisangehörigen Städten gegenüber Landtag und Regierung. Brandl, Bürgermeister von Abensberg, steht dem Bayerischen Gemeindetag seit 2002 vor.