Mehrheit für Skischaukel
Der geplante Liftverbund am Riedberger Horn im Allgäu soll nach dem Willen der Bürger kommen. Mit deutlicher Mehrheit entschieden sich die Wähler für einen Zusammenschluss der beiden Skigebiete. Noch in diesem Jahr will die Staatsregierung die rechtlich notwendigen Schritte für das umstrittene Projekt einleiten.
Bürgerentscheid

Mehrheit für Skischaukel

Der geplante Liftverbund am Riedberger Horn im Allgäu soll nach dem Willen der Bürger kommen. Mit deutlicher Mehrheit entschieden sich die Wähler für einen Zusammenschluss der beiden Skigebiete. Noch in diesem Jahr will die Staatsregierung die rechtlich notwendigen Schritte für das umstrittene Projekt einleiten.

Überregionales Interesse für den wohl kleinsten Bürgerentscheid im Freistaat. Gerade einmal rund 1100 Bürger waren in den beiden Allgäuer Gemeinden Obermaiselstein und Balderschwang dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Sie votierten eindeutig für den Bau einer neuen Seilbahn, die künftig die beiden Skigebiete am Riedberger Horn miteinander verbinden soll. In Obermaiselstein stimmten 68 Prozent, in Balderschwang sogar 85 Prozent dafür. Die Bürgermeister der beiden Gemeinden sehen das Ergebnis als Beweis dafür, dass die Bevölkerung hinter dem Projekt stehe. Sie halten den Zusammenschluss der Skigebiete für notwendig, um den Wettbewerb mit anderen Skigebieten nicht zu verlieren. Kritiker dagegen verweisen darauf, dass die höchste Schutzzone C des bayerischen Alpenplans tangiert wird.

Das Ergebnis zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und die Unterstützung der Bevölkerung haben. Wir leben seit Generationen von der Natur und wissen, wie wir mit ihr umgehen.

Konrad Kienle (CSU), Balderschwanger Bürgermeister

Das Projekt ist höchst umstritten, weil die geplante Lifttrasse durch einen streng geschützten Bereich der Alpen verläuft und dort solche Bauprojekte eigentlich unzulässig sind. Deshalb stellten die Gemeinden Anfang 2015 einen Antrag auf ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren. Das Ganze sei ein „sehr schwieriger Abwägungsprozess“. Mit diesen Worten erklärte laut Münchner Merkur eine Sprecherin des zuständigen Heimatministeriums Anfang des Jahres, warum die Prüfung so lange dauere.

Modellbeispiel für ganz Deutschland

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) reiste im Juni persönlich an, um sich das betreffende Gebiet am Riedberger Horn zeigen zu lassen. Danach beschloss die Staatsregierung, die Bürger vor Ort zu befragen. Die SPD hält die Abstimmung für unzulässig, weil die Gemeinden gar nicht zuständig seien. Die Staatsregierung sieht das umstrittene Projekt allerdings juristisch für machbar. Ministerpräsident Horst Seehofer bezeichnet das Ergebnis der Bürgerbefragung als „überzeugende Willensbekundung der Bevölkerung“ und erklärte das Vorhaben zum „Modellbeispiel für ganz Deutschland“.

Wir können beides schön zusammenbringen. Die Anliegen der Region, die wirtschaftlichen Anliegen, die touristischen Anliegen und die Rücksicht auf die Natur. Dafür werden wir ein Modellbeispiel für ganz Deutschland geben.

Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident

Noch in diesem Jahr, kündigte Staatskanzleichef Marcel Huber nach dem klaren Bürgervotum an, will die Staatsregierung die dafür notwendigen rechtlichen Schritte einleiten. Der Bau soll Thema in einer der nächsten Sitzungen des Kabinetts sein. Es gehe nun um das „Wie“, sagte Huber. Möglichen Klagen von Umweltschützern sieht er gelassen entgegen.

Naturschützer fürchten Präzedenzfall

Der Widerstand der Umweltverbände regt sich zum einen, weil der Klimawandel Skifahren in Bayern in absehbarer Zukunft unmöglich mache – zumal in der Höhe des Riedberger Horns mit 1787 Metern. Sie fürchten, mit einer Ausnahme am Riedberger Horn einen Präzedenzfall zu schaffen. Zum anderen könnte eine Zulassung des Liftes den Alpenplan aushebeln, nachdem er über 40 Jahre lang unverändert gültig war. Der Alpenvereins-Pressesprecher Thomas Bucher zeigte sich besorgt darüber, „dass die Staatsregierung das Votum von 0,001 Prozent der Bevölkerung zum Anlass nehmen könnte, den über viele Jahrzehnte bewährten Alpenplan aufzuweichen“.

Der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz Huber Weiger deutete das Ergebnis gegenüber Allgäu Online anders als die Bürgermeister der Gemeinden: „Das zeigt, dass gerade in Obermaiselstein deutlich weniger Bürger hinter dem Liftprojekt stehen, als immer behauptet wurde.“ Die Staatsregierung könne daraus keine Rechtfertigung ableiten, den Alpenplan zu verändern. Nun sind 68 Prozent immer noch eine stattliche Mehrheit in einem Bürgerentscheid, den man als Demokrat respektieren sollte. Das stört Weiger jedoch nicht: Der Alpenplan betreffe deutlich mehr Menschen als die wenigen abstimmungsberechtigten Bürger, sagte er der gleichen Zeitung. Er kündigte an, gegen den Skigebiets-Zusammenschluss gerichtlich vorzugehen. Auch die grünen Landtagsabgeordneten Thomas Gering, Ulli Leiner und Ludwig Hartmann mahnten, dass die Bürger nicht geschlossen hinter den einstimmigen Gemeinderatsbeschlüssen stünden. In Obermaiselstein spreche sich ein Drittel derer, die zur Abstimmung gingen, gegen das Projekt aus.

Zwei Ansichten zur Demokratie bei Umweltschützern

Konsequent sind die Umweltschützer jedoch nicht: 2012 sahen Weiger und die Grünen beim Bürgerentscheid gegen die Dritte Startbahn alles noch ganz anders, als sich lediglich 54,3 Prozent der Münchner Wähler gegen den Bau aussprachen. Immerhin ein Projekt, das tatsächlich weit mehr Menschen betrifft als nur die Münchner, die nicht mal direkt tangiert waren und sind. Weiger freute sich damals: „Die Münchnerinnen und Münchner haben heute eine wichtige und verantwortungsvolle Entscheidung für die Zukunft Bayerns getroffen (…).“ Er lobte „die hohe Wahlbeteiligung“ von 32,8 Prozent. „Es zeigt auch, dass die Menschen mitentscheiden wollen“, so Weiger weiter. „Auch die Staatsregierung sollte das Votum akzeptieren.“ 2012 warnte auch der damalige Grünen-Vorsitzende Dieter Janecek davor, „den Bürgerwillen zu ignorieren“. Das Votum könne allenfalls durch einen neuen Entscheid verändert werden, alles andere sei „undemokratisch“. Und die Münchner Grünen forderten noch im Juli 2016 zum selben Bürgerentscheid: „Die CSU muss das Bürgervotum endlich ernst nehmen! München braucht und will keine 3. Startbahn.“

Auch die Staatsregierung sollte das Votum akzeptieren.

Hubert Weiger, 2012 nach dem Münchner Flughafenentscheid

In Obermaiselstein gingen nun knapp 73 Prozent der Bürger zur Wahl, in Balderschwang 65 Prozent, und die Ergebnisse waren viel deutlicher als der Flughafenentscheid. Beide Gemeinden sind direkt tangiert, auch wenn natürlich noch andere Bürger wie Wanderer und Skifahrer betroffen sind. Hier jedoch sehen Weiger und die Grünen keinen Grund zur Freude über die hohe Wahlbeteiligung oder den klaren Ausgang der Entscheide. Respektieren wollen sie den Bürgerwillen auch nicht, sogar den Klageweg wollen sie beschreiten.

Streitpunkt Seilbahnen

Dabei sind zumindest die Bedenken eines Präzedenzfalles nicht zutreffend: Grundsätzlich will die CSU nicht am bestehenden Alpenplan, einem Teil des Landesentwicklungsprogramms, rütteln. Seit 44 Jahren ist er mit seiner Einteilung in drei Zonen Garant für den Schutz der Bergwelt. In Zone A und B – insgesamt machen sie 58 Prozent der Fläche aus – sind Seilbahnen und touristische Einrichtungen zum Teil mit Einschränkungen möglich. In Zone C sind Projekte tabu. Wie schwierig es ist, die unterschiedlichen Ansprüche einzulösen, zeigt sich derzeit am geplanten Bau der Skischaukel am Riedberger Horn.

Wirtschaftsstandort Alpenraum

Es gilt die Balance zu finden zwischen touristischen Angeboten, attraktivem Lebensraum, lukrativem Wirtschaftsstandort und schützenswerten Gebieten. Die Landtagsfraktion hat deshalb eine „Zukunftsstrategie für den bayerischen Alpenraum“ beschlossen. Das 16-seitige Papier sei aber nur ein erster Entwurf, so der ehemalige CSU-Parteichef Erwin Huber. Gedacht ist die „Zukunftsstrategie“ weniger als festgeschriebener Plan, sondern als ein Appell an Kommunalpolitiker und Unternehmer. Der Plan setzt an vielen Punkten an: ein leistungsfähigeres Verkehrsnetz, Infrastruktur, Forschungseinrichtungen, starkes Internet, Gewerbe und Handwerk sollen weiterentwickelt werden. Wie es gelingen kann, den Spagat zu schaffen, zwischen attraktivem Lebensraum, Wirtschaftsstandort und Naturschutz, zeigt die Entwicklung in Berchtesgaden-Königssee. Lesen Sie mehr dazu: Berge mit Zukunft.

(dpa/AS/avd)