Bundeskanzlerin Merkel in der Haushaltsdebatte des Bundestags. (Foto: imago/Metodi-Popow)
Generaldebatte

„Lage viel besser als vor einem Jahr“

Kanzlerin Merkel hat den Vorwurf zurückgewiesen, ihre Regierung sei in der Asylpolitik untätig gewesen. In einer ungewöhnlich kämpferischen Rede betonte sie in der Generaldebatte im Bundestag, die Lage sei wesentlich besser als vor einem Jahr. Allerdings bleibe noch viel zu tun. CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt betonte, man müsse sich verstärkt mit den Sorgen der Menschen auseinandersetzen.

„Die Situation heute ist um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Generaldebatte des Bundestags bei der ersten Lesung des Kanzleramt-Etats. Es bleibe aber viel zu tun, räumte sie ein. So plane die Bundesregierung weitere Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit. „Die Menschen dürfen verlangen, dass wir das Menschenmögliche tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten“, versicherte die Kanzlerin.

In einer ungewöhnlich kämpferischen, 25-minütigen Rede sagte Merkel, eine Partei wie die AfD sei nicht nur eine Herausforderung für die Union, „sondern für uns alle in diesem Hause“. Ohne den Namen von SPD-Chef Sigmar Gabriel auszusprechen, warnte Merkel vor populistischen Vorwürfen innerhalb der Koalition. „Wenn wir bei der Wahrheit bleiben, dann gewinnen wir das Wichtigste zurück, was wir brauchen: das Vertrauen der Menschen.“

Auch im Wahlkampfgeplänkel bei der Wahrheit bleiben

Weiter sagte Merkel: „Wenn wir untereinander nur den kleinen Vorteil suchen, um zum Beispiel noch irgendwie mit einem blauen Auge über einen Wahlsonntag zu kommen, gewinnen nur die, die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen.“ Wenn sich Politiker „sprachlich und tatsächlich an denen orientieren, die an Lösungen nicht interessiert sind, verlieren am Ende wir die Orientierung“, warnte Merkel. SPD-Chef Gabriel hatte die Kanzlerin kurz vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern massiv für Untätigkeit in der Flüchtlingspolitik kritisiert, obwohl die Bundestags-SPD selbst Verschärfungen im Asylrecht mehrere Monate lang verzögert hatte.

Andererseits warnte sie auch linke Parteien und linke Medien vor Unverständnis gegenüber den Bürgern. „Wählerbeschimpfungen bringen gar nichts. Das ist auch nicht angebracht“, so Merkel. „Politiker, die wie wir hier Verantwortung tragen, sollten sich sowieso in ihrer Sprache mäßigen. Denn wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die es immer noch einfacher und noch klarer ausdrücken können“, mahnte sie.

Nicht jeder Flüchtling kommt in guter Absicht

Die Bundeskanzlerin dankte den „vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich eingesetzt haben“. Im Bereich Soziales würde für alle Menschen wesentlich mehr getan, „nicht nur für Flüchtlinge“. Unter Verweis auf die intensivierten Integrationskurse sagte sie, es gebe Angebote und es gebe Sanktionen, wenn diese nicht genutzt werden. Gleichzeitig betonte sie, die Investitionen in öffentliche Sicherheit würden verstärkt, denn: „Nicht jeder Flüchtling kommt in guter Absicht.“

„Welches Land wollen wir im 21. Jahrhundert sein?“ – diese Frage sei zentral für die Zukunft, so Merkel. Digitalisierung und „Industrie 4.0“ seien entscheidend für das 21. Jahrhundert. „Daten sind der Rohstoff der Zukunft.“ Darauf müsse die Politik reagieren. Beim Thema E-Governance sei ein einheitlicher Standard für den Zugang der Bürger zu Online-Verwaltungsdienstleistungen nötig.

Direkter Angriff auf Linken-Fraktionschef Bartsch

Einmal kritisierte Merkel den Co-Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, der die Generaldebatte eröffnet hatte, direkt. „Im Osten was versprechen und im Westen damit nicht auftreten, das geht auf gar keinen Fall“, sagt Merkel zu Bartsch. Dieser hatte gefordert, Arbeitsstunden im Osten bei der Rente höher zu bewerten als im Westen Deutschlands und damit den Ostdeutschen nochmals wesentlich höhere Rentensteigerungen zu gewähren als den Westdeutschen.

Merkel sagte weiter, Deutschland habe einen großen sozialen Zusammenhalt und müsse sich an den Werten orientieren, die das Land zu dem gemacht hätten, was es ist: „Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit und Solidarität.“ Den Menschen müsse eine gute wirtschaftliche Perspektive gegeben werden, betonte Merkel. „Es ist jede Mühe wert, sich dafür mit ganzer Kraft einzusetzen.“ Das spiegle der Haushalt 2017 wieder.

In schwierigen Zeiten sei es wichtig, den Menschen Halt und Perspektive zu geben, erklärte die Kanzlerin. Deutschland habe sich seit der Gründung der Bundesrepublik immer wieder verändert. Veränderung sei nichts schlechtes, das habe insbesondere die Wende gezeigt. „Deutschland wird Deutschland bleiben, mit allem, was uns lieb und teuer ist.“

Beim Grenzschutz künftig klare Absprachen

In der Syrienkrise drückte Merkel die Hoffnung aus, dass die USA und Russland sich auf einen Waffenstillstand einigen und das Leiden der Menschen in dem Land aufhöre. Auch im Hinblick auf die Türkeipolitik sei die Regierung konsequent, behauptete sie. „Wenn die Türkei Menschenrechte verletzt, dann wird das thematisiert“, sagte Merkel. Wenn ein Militärputsch scheitere, „dann sagen wir, dass es gut ist, dass er scheitert“.

Aber beim Grenzschutz müsse Einigkeit erzielt werden. „Bei Seegrenzen muss man mit dem Nachbarn sprechen, wenn man die Menschen nicht ertrinken und den Schleppern die Hoheit über das Geschäft lassen will“, sagte Merkel. Das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei sei ein Vorbild für Abkommen mit weiteren Ländern.

CSU: Humanität, Begrenzung und Integration als Leitlinien der Asylpolitik

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte, die Grundlinie ihrer Partei in der Flüchtlingspolitik laute: Humanität, Begrenzung, Integration. „Wir in Bayern haben gezeigt, was Humanität heißt“, lobte sie unter dem Applaus der Unionsfraktion die Hilfsbereitschaft der bayerischen Bevölkerung. Auch der Bund habe viel getan: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei jetzt besser ausgestattet, die Rückführungen seien gestiegen, die Zahl der Ankommenden sei deutlich zurückgegangen, es gebe eine vollständige Registrierung, ein Flüchtlingsausweis sei eingeführt und Fehlanreize reduziert worden, Länder und Kommunen hätten deutliche Unterstützung erhalten.

„Es ist eine gemeinsame Aufgabe aller politischen Ebenen, damit zurechtzukommen“, betonte Hasselfeldt. Beim Integrationsgesetz gehe es nicht nur um Geld und Kurse. „Sondern wir müssen uns auch mit den Sorgen der Menschen auseinandersetzen, wie schaffe ich Integration in Gesellschaft“, sagte die CSU-Landesgruppenchefin. Als Beispiel nannte sie, dass 80 Prozent der Bevölkerung  die Vollverschleierung ablehnen. „Das passt nicht in unsere freie Gesellschaft, wenn man sich nicht ins Gesicht sehen kann. Es widerspricht der Gleichberechtigung der Frau. Es ist ein Integrationshindernis“, kritisierte Hasselfeldt. Die Unions-Innenminister hätten ein „maßvolles Konzept“ vorgelegt, die Vollverschleierung im öffentlichen Rahmen zu verbieten, etwa im Hochschulbereich und vor Gericht.

Dank und Anerkennung an Polizei im Angesicht der Terrorgefahr

Im Hinblick auf die Terrorgefahr sprach die CSU-Landesgruppenchefin der Polizei und den Sicherheitsbehörden „großen Dank und hohe Anerkennung“ aus. Der Bund habe über Jahre hinweg sukzessive die Personalausstattung der Sicherheitsbehörden verstärkt. Viele Politiker aus SPD und Grünen, „die jahrelang die Polizei in ihren Ländern abgebaut haben, entdecken jetzt ihre Liebe zur Polizei“, so Hasselfeldt. „Das ist gut, hoffentlich hält das lang an.“ Beim Antiterrorkampf gehe es aber auch um Befugnisse der Sicherheitsbehörden. So müsse die Frist bei der Vorratsdatenspeicherung verlängert werden, forderte sie.

„Die solide Haushaltspolitik mit Investitionen in die Zukunft fortzusetzen“, dies kennzeichne den Haushalt 2017, lobte Hasselfeldt. Ein Schwerpunkt liege erneut auf Bildung und Forschung sowie Infrastruktur. Seit der Regierungsübernahme der Union 2005 sei der Etat-Ansatz für Bildung und Forschung mehr als verdoppelt worden. „Dazu gehören aber nicht nur Exzellenzinitiativen und Hochschulen, sondern der gesamte Bildungssektor, auch das Meister-Bafög, und die Hauptschulen“, stellte Hasselfeldt klar.

Massive Investitionen in Bildung, Forschung, Verkehrswege und Breitbandausbau

Weiterer Schwerpunkt seien Investitionen in Verkehrswege und den Breitband-Ausbau. „Keine Regierung in der Vergangenheit hat so viel für Kommunen ausgegeben und zurückgegeben“, sagte die CSU-Landesgruppenchefin – besonders mit Blick auf die Entlastungen beim Bafög und der Sozialhilfe, insbesondere für anerkannte Flüchtlinge. Hasselfeldt sagte, beim Kita-Ausbau und der Hilfe für notleidende Kommunen seien die bereitgestellten Mittel noch nicht einmal vollständig abgerufen, so dass hier Fristverlängerungen nötig geworden seien.

Hasselfeldt kritisierte, die Neuregelung der Erbschaftsteuer sei im Bundesrat an Grünen und Linkspartei gescheitert. „Unsere gute wirtschaftliche Lage hängt ganz zentral mit der Struktur unserer Wirtschaft zusammen“, unterstrich sie. Die vielen familiengeführte mittelständischen Betriebe seien das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft und verliehen dem Land Stabilität.

(dpa/wog)