Ein Schwergewicht packt drauf: Knorr-Bremse bestückt selbst Hochleistungs-Lkw mit Bremssystemen. Jetzt will das Münchner Unternehmen in den Automobilmarkt expandieren. (Foto: Viktor Baumann/Knorr-Bremse AG)
Industrie

Knorr-Bremse gibt Gas

Das Münchner Traditionsunternehmen steigt in den Kampf um den schwedischen Automobilzulieferer Haldex ein. Knorr-Bremse will dabei seine „umfassende Expertise im Truck-Geschäft" und die "globale Technologieführerschaft“ im Wettbewerb mit Konkurrent ZF aus Baden-Württemberg einbringen. Es geht um eine halbe Milliarde Euro.

Bei ihm quietscht es selten, eher tönt der Bremsen-König und Selfmade-Milliardär Heinz Hermann Thiele laut und sonor. Schon Ende Mai hatte der Mehrheitseigner des Münchner Traditionskonzerns Knorr-Bremse angekündigt: „Wir verhandeln über eine Akquisition, für die wir mehrere hundert Millionen Euro einsetzen wollen.“ Dafür verfüge das Unternehmen über Barreserven von 1,2 Milliarden Euro.

Inzwischen wird klar, in welche Richtung der 75-jährige Thiele den Hersteller von Bremssystemen für Schienenfahrzeuge und Lkw steuert: Er beteiligt sich an der Bieterschlacht um den schwedischen Automobilzulieferer Haldex, der Bremsen, Hydrauliken und Kupplungen für Lastwagen herstellt.

Bieterwettbewerb mit ZF

Je Aktie bietet Knorr-Bremse für den potenziellen Zukauf 110 Schwedische Kronen. In der Summe entspräche das Transaktionsvolumen rund einer halben Milliarde Euro. Mit dem Vorstoß attackiert Thieles Knorr-Bremse-Vorstandschef Klaus Deller den baden-württembergischen Autozulieferer ZF aus Friedrichshafen, der beim Werben um Haldex zuvor den deutsch-amerikanischen Kupplungsproduzenten SAF-Holland ausgestochen hatte. ZF hatte bislang 100 Kronen je Haldex-Aktie geboten. Deller erklärt nun, er sei seit mehreren Wochen mit der Haldex-Spitze in Gesprächen: „Wir sind da sehr optimistisch.“ Knorr-Bremse wolle eine „umfassende Expertise im Truck-Geschäft, unsere globale Technologieführerschaft“ einbringen und verfüge zudem über eine „langfristige Orientierung als Familienunternehmen“, wirbt Deller um die Eigentümer und Manager des schwedischen Akquise-Kandidaten.

Mehr noch dürfte die Haldex-Aktionäre erfreuen, dass das Bietergefecht den Kurs in die Höhe treibt. An der Stockholmer Börse legte das Papier über das Knorr-Angebot hinaus zu, auf derzeit 113,50 Kronen. Analysten schätzen, dass ein erfolgreiches Gebot zwischen 115 und 120 Kronen je Anteil liegen müsste. Deller verweist freilich, wie schon im Mai sein Firmenpatriarch Thiele, auf das umfängliche Bargeldkonto der Münchner Firma.

Aufstieg zum Weltmarktanbieter

Hinter Knorr-Bremse liegt ein eindrucksvoller Aufstieg zum Weltmarktanbieter, der auf einem extrem durchsetzungsfähigen Management beruht. Das Unternehmen produziert global, mit Fabriken am Stammsitz im Münchner Norden und in Europa, Asien und den USA. 2002 übernahm Thiele den US-Bremsenspezialist Bendix. Ein Zukauf, der ihm zur Marktführerschaft im als schwierig geltenden Truck-Markt in den Vereinigten Staaten verhalf. Ab 2011 übernahm Thiele schrittweise den sauerländischen Schienen- und Weichenhersteller Vossloh. Ganz entgegen dem Willen der ursprünglichen Eigentümerfamilie. Aber Thiele agierte mit hohem Kapitaleinsatz und diplomatischem Geschick – bis 2013 auch die letzten Vossloh-Nachkommen ihre Anteile veräußerten.

Thieles Härte zu anderen und sich selbst nimmt auch die eigenen Kinder nicht aus. Überraschend verließ im Juni 2015 Sohn Henrik Thiele das Unternehmen, obwohl er eigentlich in den Vorstand von Knorr-Bremse aufrücken sollte. Vorausgegangen sollen heftige Debatten mit dem Vater sein, wegen des Verhaltens des Sprösslings vor Antritt seines Vorstandsamtes. Schwester Julia Thiele-Schürhoff sitzt weiterhin im Aufsichtsrat von Knorr-Bremse. Beiden Kindern hatte Thiele ursprünglich schon die Mehrheit am Unternehmen übertragen, ohne aber die faktische Kontrolle abzugeben.