Erdogan unterdrückt seine politischen Gegner immer stärker. (Bild: Imago/Itar-Tass/Mikhail Metzel)
Köln

Tausende rüsten sich zur Pro-Erdogan-Demo

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei blickt Deutschland mit Sorge auf eine Großkundgebung für Präsident Recep Tayyip Erdogan an diesem Sonntag in Köln. Erwartet werden bis zu 30.000 Teilnehmer. Die Polizei kündigte an, gegen jede Form von Gewalt hart vorzugehen.

Zwar gebe es bisher keine Hinweise darauf, dass aus der türkischen Versammlung heraus Störungen der öffentlichen Ordnung geplant seien. Man werde aber gerüstet sein, sagte Polizeipräsident Jürgen Mathies.

Wir sind auf besondere Gewaltformen vorbereitet.

Jürgen Mathies, Polizeipräsident

2300 Polizisten würden in Köln zusammengezogen und acht Wasserwerfer vorgehalten. Mathies schloss ein Verbot der Veranstaltung nicht aus. Im Augenblick sehe er keine Gründe für ein Verbot. Sollten aber Mitglieder der türkischen Regierung eingeflogen werden, könne dies in der derzeitigen hoch aufgeladenen Situation unter Umständen dazu führen, dass die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne. Dann müsse die Demonstration als letztes Mittel doch verboten werden, sagte Mathies. Das Aufstellen einer großen Videoleinwand habe er bereits untersagt.

Bülent Bilgi, der Generalsekretär der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die die Kundgebung nach eigenen Angaben mit organisiert, reagierte empört auf diese Entscheidung. „Wenn die Großleinwand verboten wird, dann ist Vieles möglich“, sagte Bilgi der Deutschen Presse-Agentur. Ein Verbot der Kundgebung würde Menschen aus der deutsch-türkischen Community radikalisieren, warnte Bilgi.

Polizei rechnet mit kurdischen Erdogan-Gegnern

Unter den vier angemeldeten Gegenkundgebungen ist eine Veranstaltung der rechtsextremistischen Partei Pro NRW, zu der nach Einschätzung der Polizei auch gewaltbereite Hooligans der „Hogesa“-Gruppierung anreisen könnten. Auch Autonome werden erwartet. Eine kurdische Gegendemonstration ist nicht geplant, doch schließt die Polizei keineswegs aus, dass dennoch kurdische Erdogan-Gegner auftauchen. Die Erfahrung zeige, dass es sehr schnell zu Gewalt kommen könne, wenn diese Gruppen aufeinanderträfen.

Riss in der türkischen Gesellschaft

Die Türkische Gemeinde in Deutschland beobachtet nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei die Lage hierzulande mit Sorge. Der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu sagte der dpa, die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen in Deutschland sei sehr angespannt. Es gehe ein Riss durch die türkische Gesellschaft.

Es werden Freundschaften aufgekündigt. Und auch innerhalb von Familien gibt es Probleme.

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland

Ob es in Deutschland zu Gewalt kommen könnte, wolle er nicht prophezeien. Man könne in Deutschland demonstrieren und seine Meinung kundtun – aber ohne Gewalt. In der Türkei, aber auch in Deutschland, bringe man Menschen schnell mit den Putschisten Verbindung – vielleicht zu Unrecht. „Man kann in der Türkei sehr schnell zum Helden und schnell zum Verräter werden.“ Die Entwicklung in der Türkei müsse man besonnen verfolgen. Sofuoglu ist auch Landeschef der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg. Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Aydan Özoguz (SPD), richtete eine scharfe Warnung an türkische Verbände. Wer in Deutschland zu Hass und Gewalt anstachele, müsse mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, sagte sie dem Tagesspiegel.

CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach warnte im SWR vor steigendem Einfluss Ankaras in Deutschland. Angesichts der für Sonntag in Köln geplanten Kundgebung von Erdogan-Anhängern sagte Bosbach, er bedaure dass es offensichtlich ohne weiteres möglich sei, Tausende zu mobilisieren, die begeistert sind, dass die Türkei mit Riesenschritten von einer Demokratie in Richtung autoritäres Regime abdrifte.

Stimmung ist aufgeheizt

Die Stimmung zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern ist seit dem Putschversuch Mitte Juli auch in Deutschland sehr aufgeladen, wo etwa drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben. Türkische Forderungen, auch hierzulande gegen die dubiose Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen vorzugehen, stießen auf Ablehnung. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: „Genau das werden wir selbstverständlich nicht machen.“ Für die Behauptung, die Gülen-Bewegung stehe hinter dem Putsch, gebe es „keine Belege“. Erdogan wirft Gülen vor, Drahtzieher des Putsches zu sein. Die Bewegung betreibt in Deutschland nach eigenen Angaben etwa 30 Schulen.

Die Türkei hat bei der Bundesregierung auch die Auslieferung von zwei ehemaligen Staatsanwälten beantragt, die Gülen nahestehen sollen und sich einer Verhaftung bereits im vergangenen Sommer durch Flucht ins Ausland entzogen. Es waren die beiden Staatsanwälte Zekeriya Öz und Celal Kara, die die Korruptionsermittlungen gegen das Umfeld von Präsident Erdogan führten. Ob sie tatsächlich Gülen nahe stehen, sollte deshalb laut Expertenangaben sehr gut geprüft werden. Denn die Erklärung, dass beide Gülen-Anhänger seien, könnte damals ein bequemer Weg gewesen sein, um die auch für Erdogan selbst unangenehme Angelegenheit zu beerdigen. Schließlich legten veröffentlichte Telefongespräche nahe, dass er seinen Sohn damals anwies, ein Millionenvermögen vor den Fahndern in Sicherheit zu bringen. Erdogan selbst hatte diese Aufnahmen als „Fälschung“ gebrandmarkt. Zu dem Auslieferungsersuchen hieß es aus deutschen Regierungskreisen: „Wir haben keine Erkenntnisse dazu, dass sich die beiden Staatsanwälte tatsächlich in Deutschland aufhalten.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor schon klargestellt, dass die deutschen Behörden streng nach rechtsstaatlichen Kriterien entscheiden.

(dpa/AS)