Es hat noch keinem Gemeinwesen geschadet, wenn es sein Handeln ausdrücklich vor dem Herrgott verantwortet. (Foto: Imago/McPhoto)
Schleswig-Holstein

Gottesbezug in der Verfassung knapp abgelehnt

Der Landtag in Schleswig-Holstein hat hauchdünn die Aufnahme des Gottesbezugs in der Landesverfassung abgelehnt. Eine entsprechende Formulierung erhielt 45 Stimmen, nötig wäre aber eine Zweidrittelmehrheit mit 46 Stimmen gewesen. Eine Volksinitiative mit 42.000 Unterschriften hatte einen Gottesbezug gefordert – angestoßen vom früheren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU).

Äußerst knapp ist die Aufnahme des Gottesbezugs in die Landesverfassung in Schleswig-Holstein gescheitert. Nötig wäre eine Zweidrittelmehrheit in dem 69 Sitze umfassenden Landtag gewesen, also 46 Stimmen. Letztlich hing es an einer einzigen Stimme.

Denn der Formulierungs-Vorschlag „Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben“ erhielt genau 45 Stimmen. Die alternative Formulierung „Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt“, erhielt nur 37 Ja-Stimmen. Die Wendung „Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ fand nur bei elf Abgeordneten Zustimmung. Die Fraktionen im Landtag hatten ihren Abgeordneten bei der Abstimmung freie Hand gelassen, wie bei Gewissensentscheidungen üblich.

Nur eines fehlte, nämlich die Ursache für viele dieser Ideen: das Christentum.

Dass in der Verfassung des „Landes zwischen den Meeren“ ausgerechnet der Gottesbezug fehlt, ist eigentlich ein Treppenwitz, da bei der jüngsten Verfassungsreform von 2014 praktisch alles mögliche Wünschenswerte als Staatsziele aufgenommen wurde – teilweise auch Dinge, die der Staat allein gar nicht garantieren kann, wie etwa Frieden oder das Vereinte Europa. Daneben wurden auch Menschenwürde, Menschenrechte, Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit, Toleranz, Solidarität, Nachhaltigkeit und bürgernahe Verwaltung aufgenommen. Nur eines fehlte, nämlich die Ursache für viele dieser Ideen: das Christentum. Aber woher kommen denn überhaupt Begriffe wie Menschenwürde und Menschenrechte, wenn nicht vom christlichen Gedanken der Gottebenbildlichkeit des Menschen?

CDU war als einzige Partei geschlossen für den Gottesbezug

Die CDU-Fraktion hatte sich im Vorfeld als einzige Partei geschlossen für einen Gottesbezug ausgesprochen. Uneins ist man sich in der regierenden SPD, bei den Grünen und dem ebenfalls mitregierenden SSW (Südschleswigscher Wählerverband, sogenannte „Dänenpartei“). Die Piraten sind gegen einen Gottesbezug, die Mehrheit der FDP-Abgeordneten auch, wie Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki erklärte. „Ich bin traurig, ich bin sehr enttäuscht“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nach der Abstimmung. „Das ist aber keine Niederlage für die, die glauben“, betonte er gleichzeitig.

Im Landtag wurde der fraktionsübergreifende Vorschlag von 29 Abgeordneten abgestimmt, der vor allem den Toleranzgedanken hervorhob und die „Unvollkommenheit menschlichen Handels“ betonte. In dieser Kompromiss-Formulierung hieß es, die Verfassung schöpfe „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben“.

42.000 Unterschriften für den Gottesbezug in der Verfassung

Für die Aufnahme eines Gottesbezugs hatte eine religionsübergreifende Volksinitiative unter Federführung des ehemaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, CDU, aber auch des Muslims Fatih Mutlu, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein, im vergangenen Jahr mehr als 42.000 Unterschriften gesammelt und so die erneute Befassung des Parlaments mit dem Thema erreicht. Es bleibt abzuwarten, wie die Initiative reagiert und ob sie nun einen Volksentscheid erzwingen will.

Die Befürworter eines Gottesbezugs für die schleswig-holsteinische Verfassung sind der Meinung, dass Gott in der Verfassung ein Bekenntnis zur Toleranz bedeute, weil er sich auf keine Religion festlegen lasse: Gott praktisch als Selbstvergewisserung in unsicheren Zeiten. Zur Zeit verfügt eine knappe Mehrheit der deutschen Bundesländer nicht über einen Gottesbezug in der jeweiligen Landesverfassung: neben Schleswig-Holstein auch Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Sachsen.

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen […] hat sich das Deutsche Volk […] dieses Grundgesetz gegeben.

Präambel des Grundgesetzes

Trösten kann man sich in Schleswig-Holstein damit, dass das über den Landesverfassungen stehende Grundgesetz den Gottesbezug kennt. In der Präambel des Grundgesetzes lautet er so: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen […] hat sich das Deutsche Volk […] dieses Grundgesetz gegeben.“ Politikwissenschaftler, Philosophen und Theologen sind sich weitgehend darin einig, dass sich der Gottesbezug im Grundgesetz nicht auf den Gott einer bestimmten Religion oder Konfession bezieht. Es handelt sich um die Anrufung einer höheren Macht als Demutsgeste, die klarmacht, dass der Mensch nicht alles völlig frei aufgrund eigener „Weisheit“ entscheiden kann, sondern an bestimmte unverrückbare ethische Maßstäbe gebunden ist. Und dies vor dem Hintergrund der Entstehung des Grundgesetzes kurz nach dem Ende der Nazi-Barbarei und des Zweiten Weltkriegs.

(dpa/ZDF/Welt/wog)