Was nicht passt, wird passend gemacht
Kein Abitur, kein Jura-Studium - die SPD-Abgeordnete Petra Hinz hat ihren Lebenslauf im großem Umfang geschönt. Jetzt gibt sie die Schwindeleien zähneknirschend zu. Doch diese Verfehlung ist nur die Spitze des Eisbergs. Jetzt hat Hinz ihren Rückzug erklärt.
SPD-Abgeordnete Hinz

Was nicht passt, wird passend gemacht

Kein Abitur, kein Jura-Studium - die SPD-Abgeordnete Petra Hinz hat ihren Lebenslauf im großem Umfang geschönt. Jetzt gibt sie die Schwindeleien zähneknirschend zu. Doch diese Verfehlung ist nur die Spitze des Eisbergs. Jetzt hat Hinz ihren Rückzug erklärt.

„Was nicht passt, wird passend gemacht“ – so heißt ein Film von 2002, der im Ruhrpott spielt. Petra Hinz hat dieses Motto offenbar als Lebensleitfaden auserkoren. Denn die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrpott – genauer gesagt aus Essen – hat wesentliche Teile ihres Lebenslaufes erfunden. Sie habe keine allgemeine Hochschulreife erworben, kein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und auch keine Juristischen Staatsexamina abgelegt, erklärte jetzt der Anwalt der Politikerin aus Essen.

Hinz, die seit 2005 für die Sozialdemokraten im Bundestag sitzt – hatte angegeben, Abitur gemacht zu haben – stattdessen hat sie einen Abschluss eines Berufskollegs. In den 1990er Jahren hatte sie offenbar versucht, das Allgemein-Abitur nachzuholen. Nach Aussagen ihres Anwalts hatte sie dieses Vorhaben aber nach etwa einem Jahr „aus Zeitgründen“ abgebrochen. Außerdem erfand Hinz ein Jurastudium inklusive Staatsexamina sowie mehrere angebliche Tätigkeiten als Anwältin in einer Kanzlei sowie als Freiberuflerin.

Hinz hat „keine Erklärung“ für ihr Verhalten

Jetzt rudert der Anwalt in Hinz‘ Auftrag zurück. „Frau Hinz ist nie rechtsberatend tätig gewesen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, die auch auf der Website der Politikerin veröffentlicht wurde. „In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit“, so der Anwalt. Und weiter: „Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt. Sie ist daher sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen.“ Die Kritik am Verhalten der Sozialdemokratin dürfte durch diesen Einschub allerdings nicht weniger heftig ausfallen. Hinz bittet ihre Wegbegleiter, Mitarbeiter und Freunde um Verzeihung.

Seit Jahren in der Kritik – Hinz verzichtet auf Wiederwahl

Dass ihre ehemaligen Mitarbeiter Petra Hinz verzeihen werden, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Denn der geschönte Lebenslauf ist nur ein Kritikpunkt unter vielen. Innerpartelich wurden schon vor einigen Monaten Vorwürfe laut, Hinz würde ihre Mitarbeiter mobben und schlecht behandeln. Auf die Anschuldigungen angesprochen, tat Hinz zunächst ahnungslos – bis die Zeitungen der WAZ-Gruppe in Zusammenarbeit mit einer Dachorganisation der SPD für Angestellte bei Abgeordneten die Vorwürfe weitgehend bestätigte. Erst vor wenigen Tagen gab Hinz daher bekannt, bei den kommenden Bundestagswahlen nicht mehr antreten zu wollen. Eine frühere Mitarbeiterin hatte gegenüber der WAZ sogar ausgesagt, sie sei in keiner ihrer vorherigen Arbeitsstellen „derart ausgenutzt und gedemütigt“ worden.

Im März 2009 wurde außerdem bereits bekannt, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung gegen Petra Hinz eingeleitet hatte. Ihr wurde vorgeworfen, seit 2003 keine ordentlichen Steuererklärungen beim Finanzamt abgegeben zu haben. Im Juli 2009 wurde dieses Verfahren gegen eine Geldzahlung eingestellt.

Essener SPD fordert Rücktritt

Unterdessen haben auch die Essener Sozialdemokraten die Geduld mit Hinz verloren – und wollten nicht bis zum Ende der Legislaturperiode warten, bis die Abgeordnete ihren Stuhl freiwillig räumt. In einer Mitteilung haben die Sozialdemokraten Hinz jetzt aufgefordert, sofort zurückzutreten. Die folgte der Aufforderung – und stellte ihr Mandat mit sofortiger Wirkung zur Verfügung.

(dpa/dos)