„Grüne und Teile der SPD blockieren aus ideologischen Gründen“
Das Bundesverfassungsgericht droht mit Vollstreckungsanordnung und setzt eine letzte Frist: Bis zum 23. September müssen sich Bundestag und Bundesrat auf eine Novelle des Erbschaftsteuerrechts einigen. Im Bundesrat wehren sich Grüne, Linke und Teile der SPD gegen Ausnahmen für Firmenerben – auch um den Preis von Arbeitsplätzen.
Erbschaftsteuer

„Grüne und Teile der SPD blockieren aus ideologischen Gründen“

Das Bundesverfassungsgericht droht mit Vollstreckungsanordnung und setzt eine letzte Frist: Bis zum 23. September müssen sich Bundestag und Bundesrat auf eine Novelle des Erbschaftsteuerrechts einigen. Im Bundesrat wehren sich Grüne, Linke und Teile der SPD gegen Ausnahmen für Firmenerben – auch um den Preis von Arbeitsplätzen.

Letzte Frist für die Politik, den Streit um die Erbschaftsteuer zu beenden. Vor zweieinhalb Jahren, am 17. Dezember 2014, hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, die geltende Erbschaftsteuer verstoße gegen Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.” Die Verfassungsrichter erteilten darum den Auftrag, das Erbschaftssteuergesetz zu korrigieren und setzten dafür eine Frist bis zum 30. Juni 2016. Nur für diese Übergangsfrist durfte das alte und gerügte Gesetz weiter gelten.

Verfassungsgericht droht mit Vollstreckungsanordnung

Jetzt ist die Frist abgelaufen, aber das neue Erbschaftssteuergesetz gibt es noch immer nicht. Dabei könnte längst alles erledigt sein. Der Bundestag hatte vor zwei Wochen ein neues Gesetz gebilligt: Es verschont Firmenerben unter bestimmten Bedingungen und befreit Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern weitgehend. Grüne, Linke und Sozialdemokraten im Bundesrat wollen nun die Ausnahmeregelungen für Firmenerben nicht akzeptieren, verlangen eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes und haben den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Die Einnahmen aus den Erbschaftsteuern stehen den Bundesländern zu. Im letzten Jahr lagen sie bei etwa sechs Milliarden Euro – weniger als ein Prozent des Gesamtsteueraufkommens.

Letzte Frist bis 23. September.

Dem Verfassungsgericht ist jetzt der Geduldfaden gerissen. Die Richter drohen dem Gesetzgeber, notfalls per „Vollstreckungsanordnung“ die Sache selber in die Hand zu nehmen. In gleichlautenden Schreiben an Bundeskanzlerin, Bundestag und Bundesrat haben sie angekündigt, sich auf ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause, also am 27. und 28. September, mit der Frage befassen zu wollen, ob eine solche Vollstreckungansordnung erforderlich sei. Wenn bis dahin ein Gesetzesbeschluss vorliege, würde sich das allerdings erledigen, heißt es in dem Schreiben auch.

Betriebe schonen, die Arbeitsplätze erhalten

Am 23. September tagt der Bundesrat zum ersten Mal nach der Sommerpause – was also der letzte Termin für eine Einigung von Bundestag und Bundesrat über die Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes ist. Danach wird das Verfassungsgericht aktiv und könnte sogar selber eine eigene Übergangsregelung erlassen.

Es macht ja keinen Sinn, in der einen Woche in der Politik zu überlegen, wie wir Existenzgründer fördern und subventionieren können, und in der nächsten Woche besteuern wir die gleichen Leute, wenn sie erben. Das ist in sich nicht logisch.

Horst Seehofer

Im Bayerischen Rundfunk hat nun Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer „Grünen und Teilen der SPD“ vorgeworfen, das neue Gesetz „aus ideologischen Gründen“ zu blockieren. Seehofer: „Wir hätten jetzt eine gute Lösung, dass diejenigen, die  einen Betrieb erben und die Arbeitsplätze fortführen, eben bei den Erbschaftsteuern verschont werden, weil sie ja volkswirtschaftlich etwas Sinnvolles tun, nämlich Arbeitsplätze zu erhalten.“ Es mache keinen Sinn, in der einen Woche zu überlegen, wie man Existenzgründer fördern und subventionieren könne, „und in der nächsten Woche besteuern wir die gleichen Leute, wenn sie erben“. Das sei in sich nicht logisch, so Seehofer: „Mir fehlt da jedes Verständnis, dass die Grünen und Teile der SPD dies jetzt aufgehalten haben.“

Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht 2014 die Begünstigung von Unternehmenserben für zulässig erklärt und lediglich strengere – also genauere – Vorgaben verlangt. Genau diese wollen jetzt Grüne, Linke und Teile der SPD im Bundesrat nicht akzeptieren.

ifo-Vorschlag: Erbschaftsteuer von acht Prozent auf alles

Unterdessen hat sich der neue Päsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung ifo, Clemens Fuest, für eine Erbschaftsteuer von acht Prozent auf alles ausgesprochen. „Das wäre die einfachste und gerechteste Lösung“, so der ifo-Chef. Die persönlichen Freibeträge sollten dabei erhalten bleiben. Das eigentliche Problem beim aktuellen Erbschaftsteuerrecht sei die Kombination aus hohen Steuersätzen bei gleichzeitigen Ausnahmen für Unternehmen.

Durch die Ausnahmen bleibt die Gerechtigkeit auf der Strecke, ohne Ausnahmen ist die Steuer für die Unternehmen wirtschaftlich nicht tragbar.

ifo-Präsident Clemens Fuest

Das könne nicht zu einer gerechten und wirtschaftlich tragbaren Erbschaftsteuer führen, so Fuest: „Durch die Ausnahmen bleibt die Gerechtigkeit auf der Strecke, ohne Ausnahmen ist die Steuer für die Unternehmen wirtschaftlich nicht tragbar.“ Gerechtigkeit und wirtschaftliche Tragbarkeit seien darum nur zu erreichen, „wenn die Steuersätze massiv gesenkt werden und die Ausnahmen für Unternehmensvermögen entfallen“. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sondern der Politik, genau dies umzusetzen.