Schlepper auf dem Vormarsch
Immer weniger Flüchtlinge erreichen Europa. Die gesunkenen Zahlen suggerieren, dass die Krise gelöst sei. Doch wer mit den Landräten in Bayern spricht, bekommt ein anderes Bild von der Flüchtlingskrise. Gegenüber der Welt sprechen sie lediglich von einer "Verschnaufpause". Außerdem machen sie deutlich, dass die Schleuserkriminalität in vollem Gang ist.
Balkanroute

Schlepper auf dem Vormarsch

Immer weniger Flüchtlinge erreichen Europa. Die gesunkenen Zahlen suggerieren, dass die Krise gelöst sei. Doch wer mit den Landräten in Bayern spricht, bekommt ein anderes Bild von der Flüchtlingskrise. Gegenüber der Welt sprechen sie lediglich von einer "Verschnaufpause". Außerdem machen sie deutlich, dass die Schleuserkriminalität in vollem Gang ist.

Im vergangenen Monat wurden laut Bundespolizei insgesamt rund 4.900 Migranten registriert. Im Mai wurden etwa 4.500, im April 5.400 Flüchtlinge an den Grenzen gezählt. Vor der Schließung der Balkanroute waren es im Februar noch rund sieben mal so viele. Angesichts der Meldungen über die faktisch dichte Balkanroute und sinkende Flüchtlingszahlen in Europa könnte meinen, die Politik bekommt die Krise in den Griff. Doch ein Blick nach Bayern zeigt: die Lage ist alles andere als entspannt.

Hochzeiten wie im Herbst 2015

So glaubt der Passauer Landrat Franz Meyer, die Balkanroute funktioniere wieder – allerdings auf illegalem Weg. „Derzeit ist es wieder wie zu den Hochzeiten im vergangenen Herbst“, sagt Meyer gegenüber der Welt.

Wir sprechen lediglich von einer Verschnaufpause, weil die weltpolitische Lage nicht so ist, dass man mit Sicherheit sagen kann, was die kommenden Wochen geschieht.

Franz Meyer, Landrat in Passau

An den bayerischen Grenzen hat die Polizei seit März täglich zwischen 40 und 60 Migranten aufgegriffen, manchmal sogar bis zu 80. Diese Zahlen äußert Frank Koller von der Bundespolizei in Passau gegenüber der Welt. Denn seit die Balkanroute von Österreich abgeschnitten sei, sind es wieder die kriminellen Schleuser, die Beamten der Bundespolizei schnappen. Das Geschäft ist gefährlich. Im September 2015 erstickten 71 Flüchtlinge in einem Lastwagen in Österreich. Solch eine Katastrophe droht auch in Bayern. Denn je mehr in ein Fahrzeug passen, desto mehr Geld machen die Schleuser.

Die Schleuser schicken sogar Späher, die schauen, wo wir kontrollieren.

Frank Koller, Bundespolizei

Flüchtlinge, die aufgegriffen werden, dürfen Antrag auf Asyl stellen. Schleuser droht hingegen eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Das scheint sie nicht abzuschrecken. Vor allem Kinder und Jugendliche schmuggeln sie wieder vermehrt über die Grenze. Der Passauer Landrat Meyer sagte der Welt, dass sich das Jugendamt in seinem Landkreis den letzten zehn Tagen um 60 neu hinzugekommene Jugendliche kümmern müsse. In Passau selbst seien es 100, die die Mitarbeiter zusätzlich versorgen.

Politik verschwendet Zeit

In Landshut vertritt Landrat Peter Dreier die gleiche Meinung wie seine Kollegen aus den anderen bayerischen Landkreisen. Er zweifelt, was passiert, wenn wieder mehr Menschen aus Nordafrika nach Europa drängen oder die Kurden von den Türken vertrieben werden.

Das, was wir derzeit erleben, ist lediglich eine Verschnaufpause. Die kriminellen Schlepper machen sich erneut auf den Weg.

Peter Dreier, Landrat in Passau

Frustriert sind die Landräte vor allem, weil die „Verschnaufpause“ nicht genutzt werde, um die Probleme langfristig zu lösen. So sollen beispielsweise viele dezentrale Unterkünfte geschlossen werden, statt sie in Wohnraum umzuwandeln. Denn das spare Geld. Große Unterkünfte sind günstiger, auch wenn es dort zu mehr Gewalt und folglich zu mehr Polizeieinsätzen kommen könnte. Die Landräte appellieren deshalb an CSU-Chef Horst Seehofer, aus den Fehlern der letzten Monate zu lernen.

(dpa/Welt/AS)