Merkel will britische Rosinenpickerei stoppen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will nach dem Brexit-Votum die Europäische Union stärken und Großbritannien keine Sonderrolle zugestehen. Merkel stellte klar, London könne nach dem Anti-EU-Votum nicht erwarten, dass alle Pflichten entfielen, die Privilegien aber bestehen blieben: „Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden.“
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Merkel will britische Rosinenpickerei stoppen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will nach dem Brexit-Votum die Europäische Union stärken und Großbritannien keine Sonderrolle zugestehen. Merkel stellte klar, London könne nach dem Anti-EU-Votum nicht erwarten, dass alle Pflichten entfielen, die Privilegien aber bestehen blieben: „Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will nach dem Brexit-Votum die Europäische Union stärken und Großbritannien keine Sonderrolle zugestehen. In einer Regierungserklärung im Bundestag stellte Merkel klar, London könne nach dem Anti-EU-Votum nicht erwarten, dass alle Pflichten entfielen, die Privilegien aber bestehen blieben.

Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied machen, ob ein Land Mitglied der Familie der Europäischen Union sein möchte oder nicht.

Angela Merkel

„Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden“, sagte Merkel. „Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied machen, ob ein Land Mitglied der Familie der Europäischen Union sein möchte oder nicht.“ Die Briten dürften nicht glauben, sie könnten den Ablauf der Austrittsverhandlungen bestimmen.

So müssten für freien Zugang zum EU-Binnenmarkt die vier europäischen Grundfreiheiten akzeptiert werden: Die Freiheit von Menschen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital. „Norwegen hat beispielsweise freien Zugang zum Binnenmarkt, weil es die freie Zuwanderung aus der EU akzeptiert“, sagte Merkel. Das Brexit-Lager hatte angekündigt, die Zuwanderung selbst nach einem Punktesystem steuern zu wollen.

Briten bleiben in jedem Fall Freunde

Die Kanzlerin betonte zugleich, dass London nach einem Austritt ein wichtiger Partner etwa in der Nato bleiben werde. Die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebauten engen deutsch-britischen Beziehungen würden in aller Freundschaft weitergeführt. Dies stehe aber in keinem Widerspruch dazu, dass Deutschland und die EU Verhandlungen auf Grundlage ihrer eigenen Interessen führen wollten. Merkel bekräftigte, vor dem von London offiziell erklärten Austrittswunsch werde es keine Vorab-Verhandlungen geben – „weder formell noch informell“. Da dürfe es nicht „das geringste Missverständnis geben“.

Die Europäische Union ist stark genug, um den Austritt Großbritanniens zu verkraften.

Angela Merkel

Merkel forderte die übrigen EU-Mitgliedsstaaten zu Geschlossenheit und Optimismus auf sowie zu einer gründlichen Analyse der Situation in Ruhe und Besonnenheit. „Die Europäische Union ist stark genug, um den Austritt Großbritanniens zu verkraften.“ Es gelte jetzt, nach vorne zu schauen und alles daran zu setzen, „die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und anschließend alle notwendigen Entscheidungen zu treffen.“

Schwerste Krise der EU in 60 Jahren

Der angekündigte britische Austritt aus der EU bedeute eine schwere Krise für die EU, das stellte Merkel klar. „Europa hat schon viele schwere Herausforderungen und Krisen überstanden, aber eine Situation wie diese hat es in den fast 60 Jahren seit der Verabschiedung der Römischen Verträge noch nicht gegeben.“ Jeder Vorschlag, der die EU der 27 als Ganzes aus dieser Krise führen könne, sei willkommen. „Jeder Vorschlag, der dagegen die Fliehkräfte stärkt, die Europa schon so sehr strapazieren, hätte unabsehbare Folgen für uns alle. Er würde Europa weiter spalten.“

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen beim turnusmäßigen EU-Gipfel in Brüssel über die Konsequenzen aus dem britischen Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union beraten. Der scheidende britische Premierminister David Cameron will dort zunächst offiziell über den Ausgang des Referendums informieren. Am Mittwoch kommen die verbleibenden 27 EU-Staaten ohne Großbritannien zusammen. Merkel sagte, Cameron wolle – „anders als vermutet werden konnte“ – seinem Nachfolger die Verhandlungen über den Ausstieg aus der EU überlassen.

Hasselfeldt: Europäer müssen die EU dringend verbessern

Mit Blick auf die Vorschläge für Prioritäten der EU sagte Merkel, Ziel sollte sein, spätestens bis März 2017, zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen. Sie schlug vor, die europäische Außen- und Sicherheitspolitik mit den transatlantischen Partnern zu stärken.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nannte die Brexit-Entscheidung einen „schweren Schlag für Europa und für Großbritannien“. Leider habe Emotionalität gegen Rationalität gewonnen. „Oberstes Gebot ist jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich warne vor Schnellschüssen und Aktionismus“, so Hasselfeldt. Die Entscheidung in Großbritannien müsse den verbliebenen Ländern ein „weiterer Antrieb“ sein, die EU zu verbessern. „Das ist zwingend notwendig. Renationalisierung ist in Anbetracht der Herausforderungen auf unserem Kontinent und in der Welt nicht der richtige Weg“, betonte die CSU-Landesgruppenchefin.

(dpa/wog)