Gesundheitsministerin Huml stellt in Berlin ein neues Gutachten vor. (Bild: Gesundheitsministerium)
Gesundheitssystem

Kostenausgleich für Krankenkassen

Wie wird die Finan­zierung der gesetz­lichen Kran­ken­kassen fairer? Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml will eine Regionalkomponente einführen, denn Bayerns Kassen haben in der Hochpreisregion Wettbewerbsnachteile. Beitragszahler im Freistaats sind zudem doppelt belastet. Dazu legte die Ministerin in Berlin ein neues Gutachten vor.

Trotz hoher Beitragseinnahmen laufen den Krankenkassen die Ausgaben davon. Im Vergleich zu 2015 werden die Kassen im laufenden Jahr voraussichtlich rund 3,3 Milliarden Euro mehr ausgeben als sie einnehmen. Dabei unterscheiden sich  in Deutschland die Kosten für Gesund­heits­leis­tungen je nach Region enorm. Obwohl die Kran­ken­kassen hierauf keinen Einfluss haben, gleicht der Risi­ko­struk­tur­aus­gleich (Morbi-RSA) diese Kosten­un­ter­schiede bisher nicht aus. Die Folge: Die im Westen tätigen regio­nalen Kran­ken­kassen müssen in diesem Jahr in aller Regel höhere Zusatz­bei­träge erheben als die im Osten.

Regionalkomponente für mehr Gerechtigkeit

Bayern fordert daher bereits seit einiger Zeit eine Regio­nal­kom­po­nente im Morbi-RSA, um bestehende Wett­be­werbs­nach­teile für die in Hochlohn- und Hoch­preis­re­gionen wie Bayern tätigen Kran­ken­kassen abzu­bauen. Dazu legte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml in Berlin ein Gutachten vor, das die gegenwärtige Verteilungsungerechtigkeit belegen soll.

Die Benachteiligungen für die in Hochlohn- und Hochpreisregionen wie Bayern tätigen Krankenkassen und deren Versicherte müssen jetzt endlich abgebaut werden.

Melanie Huml, Bayerische Gesundheitsministerin

Der sogenannte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll laut Gutachten Unterschiede bei der Zahl kranker Versicherter zwischen den Krankenkassen ausgleichen. Es gebe keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Ergänzung des Strukturausgleichs durch einen Regionalfaktor, sagte Huml. Der Fehlbetrag zwischen Leistungsausgaben der Krankenkassen und Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zwischen 2009 und 2014 habe insgesamt mindestens eine Milliarde Euro erreicht. Auch die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) fordert eine gerechtere Kostenverteilung.

Viele der benachteiligten bayerischen Kassen zeigen mit sehr niedrigen Verwaltungsausgaben, dass sie sehr effizient arbeiten. Dem darf nicht durch unfaire Regelungen entgegengewirkt werden.

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer

Das neue Gutachten zeige zudem, dass Bayern nicht nur auf der Ausgabenseite Geld verliere, sondern auch auf der Einnahmenseite Versichertengelder aus Bayern in andere Bundesländer abgeflossen seien. Bayerische Beitragszahler seien damit doppelt belastet. Sie hätten 2011 bis 2014 insgesamt gut 5,5 Milliarden Euro mehr geleistet. Insbesondere alle Allgemeinen Ortskrankenkassen in den neuen Bundesländern könnten sich durch eine Reform unterdurchschnittliche Zusatzbeiträge leisten. Das ist nicht allein durch Haushaltsdisziplin und Effizienz zu erklären, sondern beruhe vielmehr auch auf Fehlern im System des Morbi-RSA, sagt Huml.

Zu wenig Mittel für den Gesundheitsfonds

Das neue Gutachten stammt von Professor Volker Ulrich von der Universität Bayreuth, Professor Eberhard Wille von der Universität Mannheim und Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn. Es handelt es sich dabei um eine empirische Fortschreibung und Erweiterung sowie um eine gesundheitspolitische Aktualisierung eines Gutachtens vom September 2014. Dieses erste Gutachten hatte bereits gezeigt, dass Krankenkassen vom Gesundheitsfonds zu wenig Mittel erhalten, um ihre Leistungsausgaben für bayerische Versicherte zu decken.

Der Morbi-RSA soll den einzelnen Krankenkassen im Wettbewerb um Versicherte gleiche Chancen einräumen und Risikoselektion vermeiden.

Eberhard Wille, Professor an der Universität Mannheim

Die Folge: höhere Beiträge

Die Krankenkassen reagieren auf die erhöhten Ausgaben. Die jeweilige Reaktion hängt dabei von der kassenindividuellen Finanzsituation und der Höhe der Rücklagen ab. Jede Kasse entscheidet eigenständig darüber, ob sie zunächst ihre Finanzreserven aufbrauchen, Einsparungen vornehmen, den Zusatzbeitrag erhöhen oder einen Mix dieser Maßnahmen vornehmen will. Im Durchschnitt haben sich die Kassen für eine moderate Erhöhung des Zusatzbeitrages um 0,2 Prozent entschieden. Im Interview mit dem Bayernkurier erklärt der gesundheitspolitische Experten der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Stracke, die Hintergründe, einen möglichen Zusammenhang mit der Massenzuwanderung und ob ein Kassenwechsel sinnvoll ist.