Nach der Hochwasserkatastrophe in Bayern in der vergangenen Woche hat das Kabinett in seiner jüngsten Sitzung ein umfangreiches Hilfsprogramm für die Betroffenen beschlossen. Gestaffelt nach der Schwere der Verwüstungen erhalten die Regionen im Freistaat finanzielle Unterstützung. Als Vorlage dient das Vorgehen, nach dem die Staatsregierung bei der Hochwasserkatastrophe 2013 seine Hilfen organisiert hatte. Finanzminister Markus Söder machte am Rande der Kabinettssitzung klar: „Wir lassen bei diesem Jahrtausendhochwasser mit verheerenden Schäden keinen Betroffenen allein“.
Eine besondere Regelung soll es für den Landkreis Rottal-Inn geben, wo es nach einem nun offiziell als „Jahrtausendhochwasser“ eingestuften Unwetter die schwersten Schäden gab. Dort will die Staatsregierung besonders hart getroffenen Bürgern bis zu 100 Prozent des Schadens ersetzen, ohne Bedürftigkeit oder Versicherbarkeit zu prüfen. Das sagte Finanzminister Markus Söder (CSU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung.
Härtefonds für besonders schwere Fälle
Strengere Maßstäbe gelten in den übrigen von Unwettern getroffenen Kommunen, bei denen die Staatsregierung von einem „Jahrhunderthochwasser“ ausgeht: Stadt und Landkreis Ansbach sowie die Kreise Weißenburg-Gunzenhausen, Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim, Passau, Landshut, Straubing-Bogen, Dingolfing-Landau, Kelheim und Weilheim-Schongau. Für besondere Fälle soll es einen Härtefonds geben, der bis zu 100 Prozent der Schäden ersetzen kann. Doch anders als in Rottal-Inn müssen die betroffenen Bürger mit Abschlägen rechnen, wenn ihre Häuser versicherbar gewesen wären.
Das Ausmaß der Schäden ist immer noch nicht geklärt. Söder plant eine Summe „im mittleren dreistelligen Millionenbereich“ für die Hilfszahlungen ein. Viele Häuser seien „wirtschaftliche Totalschäden“, sagte der Rottaler Landrat Michael Fahmüller (CSU), der als Gast an der Kabinettssitzung teilnahm. In vielen weiteren Privathäusern und Betrieben sei die Einrichtung komplett zerstört. Allein in seinem Landkreis haben die Behörden nach Fahmüllers Worten innerhalb weniger Tage bereits 7,6 Millionen Euro Sofortgeld ausgezahlt.
Bis zu 10.000 Euro Soforthilfe
Die Hilfe gliedert sich wie bei vergangenen Hochwasserkatastrophen auch in mehrere Stufen: Unter anderem gibt es bis zu 1500 Euro Sofortgeld, sogenannte Soforthilfe bis zu 5000 Euro etwa für die Wiederbeschaffung zerstörter Einrichtung sowie bis zu 10.000 Euro für die Beseitigung von Ölschäden. Bei drohender Existenznot gibt es noch einmal gesonderte Zahlungen.
Zusätzlich zu den direkten finanziellen Hilfen greifen verschiedene steuerliche Maßnahmen für die Geschädigten. So können Betroffene etwa Steuern stunden, Vollstreckungsmaßnahmen aufschieben und Steuervorauszahlungen strecken. Auch Sonderabschreibungen sind möglich. Muss Hausrat und Kleidung in größerem Umfang wiederbeschafft werden, können auch diese Ausgaben unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Ansprechpartner ist das jeweils zuständige Finanzamt.
Vorbereitung erster Maßnahmen
Vor Beginn der Sitzung gedachten Ministerpräsident Horst Seehofer und die Kabinettsmitglieder in einer Gedenkminute der Todesopfer. „Die Flutkatastrophe, die einzelne Regionen Bayerns in den letzten Tagen heimgesucht hat, hat die Menschen ohne Vorwarnung getroffen“, bilanzierte Seehofer. „Sie hat bisher sieben Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert, sie hat Existenzen vernichtet.“ Für die gesamte Staatsregierung gelte daher, alles daran zu setzen, um den Betroffenen in jeder möglichen Form zur Seite zu stehen.
Der Ministerpräsident warf aber auch einen Blick in die Zukunft. Das Kabinett beriet darüber, wie die bayerische Bevölkerung in Zukunft besser auf derartige Katastrophen vorbereitet sein könnten. „Hier müssen die Ereignisse der vergangenen Tage noch genau aufgearbeitet und analysiert und neue Konzepte vorgelegt werden“, stellte Seehofer klar.
Streit um Unterstützung des Bundes
Unterdessen herrscht Verwirrung um die Rolle des Bundes bei den Finanzhilfen für die betroffenen Gebiete im Freistaat. Der Bund verfügt über knapp vier Milliarden Euro, die noch aus dem Hilfsfonds des letzten Hochwassers 2013 stammen. Aus diesen Beständen soll Bayern vorerst aber kein Geld erhalten. Das teilte eine Sprecherin des Umweltministeriums mit. Als Begründung gab sie an, dass die Bewältigung von Naturkatastrophen in erster Linie Ländersache seien und Gelder aus dem Vier-Milliarden-Topf nur bei sogenannten „nationalen Katastrophen“ ausgezahlt würden.
Diese Haltung sorgte für Kritik aus verschiedenen Teilen der CSU, aber auch von den Freien Wählern in Bayern. Die CSU-Landesgruppe etwa fordert, die Betroffenen aus dem Bundespool zu unterstützen. Wie nach dem Hochwasser 2013 von der Donau bis zur Elbe sollte es Entschädigungsregelungen mit Beteiligung des Bundes geben, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe, Max Straubinger. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, die Menschen, die „in wirklich dramatischer Weise“ betroffen seien, dürften finanziell nicht alleine gelassen werden. Finanzminister Söder kritisierte die ablehnende Haltung Berlins: „Die Bundesregierung sollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich nur in Wahljahren stark engagiert.“
Schwere Schäden in vier Bundesländern
Neben dem Landkreis Rottal-Inn waren in den vergangenen Tagen unter anderem die Region Weilheim-Schongau und der Landkreis Ansbach Opfer starker Unwetter mit Regen, Hagel und Blitzeinschlägen geworden. Auch in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz kam es zu schweren Überschwemmungen. Insgesamt kamen bislang zehn Menschen ums Leben.