Keine Käseglocke für den ländlichen Raum
Nicht die Outlets auf der grünen Wiese, sondern bessere Tourismusangebote und mehr Flexibilität für die Kommunen hat Heimatminister Markus Söder im Auge. Dazu soll das Landesentwicklungsprogramm dezentraler werden, das "Zentrale-Orte-System" weiterentwickelt und München, Nürnberg und Augsburg zu "Metropolen" hochgestuft werden.
Landesentwicklung

Keine Käseglocke für den ländlichen Raum

Nicht die Outlets auf der grünen Wiese, sondern bessere Tourismusangebote und mehr Flexibilität für die Kommunen hat Heimatminister Markus Söder im Auge. Dazu soll das Landesentwicklungsprogramm dezentraler werden, das "Zentrale-Orte-System" weiterentwickelt und München, Nürnberg und Augsburg zu "Metropolen" hochgestuft werden.

Bereits auf der Frühjahrsversammlung des Bezirks Oberbayern des Bayerischen Gemeindetags bekam Finanz- und Heimatminister Markus Söder Rückmeldung. Landrat Josef Niedermaier (FW) klagte, es sei sehr schwer für Landkreise wie Bad Tölz-Wolfratshausen im Speckgürtel von München. Denn Entwicklung sei so eine Sache, wenn mehr als 50 Prozent der Kreisfläche unter Schutz stünden. Auch aus Söders Sicht ist das Landesentwicklungsprogramm in gewisser Weise ein Landesverhinderungsprogramm, das die Gemeinden einenge. Als Beispiel nannte Söder das Anbindungsgebot, das vor allem Gewerbeansiedlungen und den Tourismus behindere. Allerdings möchte er damit nicht den Bau großer Outlets auf der grünen Wiese begünstigen, das brächte nur Ärger. Er wolle Freizeit und Tourismus fördern. Denn gerade der Alpenraum habe auf diesem Sektor große Probleme mit dem Nachbarn Österreich, wo alles erlaubt sei.

Unser Tourismus ist schon okay, aber wir brauchen mehr Angebote im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich.

Markus Söder, Finanz- und Heimatminister

Deshalb will er das Landesentwicklungsprogramm „flexibler, dezentraler und regionaler“ machen, da es für die strukturschwachen Räume zu starr sei. Dazu soll das „Zentrale-Orte-System“ weiterentwickelt und Räume mit besonderem Handlungsbedarf unterstützt werden. Wird eine Gemeinde zum zentralen Ort heraufgestuft, hat sie bessere Chancen, Gymnasien oder Krankenhäuser zu halten oder Vorteile bei der Ansiedlung etwa von Möbelmärkten. Räume mit besonderem Handlungsbedarf erhalten bessere Förderkonditionen.

Metropole München

Als neue Kategorie wird es bei zentralen Orten neben Ober- und Mittelzentren die „Metropolen“ geben. Für München, Nürnberg und Augsburg wird im Landesentwicklungsprogramm diese neue Kategorie eingeführt. Zur Metropole Nürnberg sollen auch Fürth, Erlangen und Schwabach gehören, Augsburg jedoch nicht München zugeschlagen werden. Was der neue Metropolstatus für die drei Großstädte am Ende konkret bedeuten wird, ist allerdings noch nicht klar. Neue Fördergelder sollen damit jedenfalls nicht verbunden sein, wie Söder sagte.

Augsburg ist die Schwabenmetropole und nicht Westmünchen.

Markus Söder, Finanz- und Heimatminister

Außerdem soll es künftig 11 „Oberzentren“ und 16 „Mittelzentren“ mehr als bisher geben. Bisher gab es in der staatlichen Planung nur „Oberzentren“, „Mittelzentren“ und „Grundzentren“. An diese Einstufungen geknüpft ist unter anderem die Größe und Bedeutung der Behörden und öffentlichen Einrichtungen, die in den jeweiligen Kommunen angesiedelt werden. In Mittel- und Oberzentren sind größere Gewerbeansiedlungen erlaubt als in kleineren Kommunen, außerdem siedelt die Staatsregierung Behörden und öffentliche Einrichtungen von mehr als nur lokaler Bedeutung in aller Regel in Mittel- oder Oberzentren an.

Lockerungen für das „Anbindegebot“

Der „Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ soll um 11 Landkreise vergrößert werden und künftig 33 Kreise umfassen. Das sind insbesondere die Kommunen, in denen die Bevölkerung schrumpft. Dort will die Staatsregierung höhere Zuschüsse für die regionale Wirtschaftsförderung oder den Ausbau des Hochgeschwindigkeits-Internets zahlen. Und auch die kleineren Gemeinden, die entweder als bloßes „Grundzentrum“ eingestuft sind oder ganz ohne begehrten Zentrumsstatus auskommen müssen, werden bedient: Söder will das sogenannte „Anbindegebot“ weiter lockern. Dieses schreibt im Grundsatz vor, dass neue Gewerbegebiete in der Nachbarschaft der bestehenden Siedlung gebaut werden müssen. Die Lockerung besteht darin, dass die Staatsregierung die Ansiedlung von Gewerbe, Industrie und Wissenschaft auch abseits der Ortschaften an Autobahnausfahrten, vierspurigen Straßen und Eisenbahnstrecken erlauben will.

Der ländliche Raum muss zu einer Art Zukunftsraum werden. Wir wollen keine Käseglocke über den ländlichen Raum legen.

Markus Söder

Der Hintergrund: Viele Bürgermeister auf dem Land klagen seit Jahren, dass das Landesentwicklungsprogramm ihren Gemeinden zu enge Fesseln anlege. Nicht gelockert werden soll das Anbindegebot für große Einkaufsmärkte.

Kritik vom bayerischen Städtetag

Der bayerische Städtetag kritisierte Söder, weil er Fakten schaffen wolle, bevor überhaupt mit Fachleuten und betroffenen Kommunen geredet wurde. „Heimatminister Söder stellt das Gesetzgebungsverfahren auf den Kopf“, sagte der Städtetagsvorsitzende und Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). Der Städtetag verlangt seit langem eine grundlegende Reform des Systems der zentralen Orte, weil schon bisher über 900 der gut 2000 bayerischen Gemeinden Zentrumsstatus haben, wenn auch meistens nur als „Grundzentrum“.

Die Ausweitung der Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf macht alleine keine Strukturpolitik. Entscheidend ist, ob die Förderung dieser Teilräume mit Leben erfüllt wird. Hierfür müssen dann auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Wir nehmen den Minister beim Wort, mehr Mittel bei der Wirtschaftsförderung bereitzustellen. Denn je größer die Fläche und die Zahl der Kommunen wird, desto weniger Mittel können jeder einzelnen Kommune zur Verfügung stehen.

Ulrich Maly, Städtetagsvorsitzender

Eine Sprecherin des Finanzministeriums warf Maly anschließend vor, „einseitig für die großen Städte und nicht für das Land“ zu agieren. „Auch ländliche Gemeinden brauchen Entwicklungsperspektiven.“