Kretschmann erneut Ministerpräsident
Die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung steht: Baden-Württembergs Landtag hat Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Spitzen von Grünen und CDU hatten am Montag den ausgehandelten Koalitionsvertrag unterschrieben. Einen Eklat gab es innerhalb der Opposition.
Baden-Württemberg

Kretschmann erneut Ministerpräsident

Die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung steht: Baden-Württembergs Landtag hat Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Spitzen von Grünen und CDU hatten am Montag den ausgehandelten Koalitionsvertrag unterschrieben. Einen Eklat gab es innerhalb der Opposition.

Bereits im ersten Wahlgang hat der Landtag von Baden-Württemberg den Grünen-Politiker Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten gewählt. Der 67-Jährige führt als Regierungschef die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung. Für Kretschmann votierten in geheimer Abstimmung 82 der 142 anwesenden Abgeordneten. Das waren zehn Stimmen mehr als nötig. Gleichwohl fehlten ihm sechs Stimmen aus dem Regierungslager. Grün-Schwarz verfügt zusammen über 89 Abgeordnete (Grüne 47, CDU 42). Eine Grünen-Abgeordnete fehlte wegen Krankheit. Der Katholik legte seinen Eid auf die Landesverfassung mit der religiösen Formel ab: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ Zu den Abweichlern im grün-schwarzen Lager sagte er im SWR-Fernsehen: „Jeder kann abstimmen, wie er es für richtig hält.“ Er wolle als Ministerpräsident auch seine Kritiker von seiner Politik überzeugen.

Kretschmann ist damit nicht nur der erste Ministerpräsident der Grünen überhaupt, sondern jetzt auch der erste, der im Amt bestätigt wurde. Bei der Landtagswahl am 13. März waren die Grünen erstmals in ihrer Geschichte stärkste Kraft geworden. Die zuvor von Kretschmann geführte grün-rote Koalition hatte wegen der starken Verluste der SPD die Mehrheit verloren. Neuer Juniorpartner ist nun die jahrzehntelang im Südwesten dominante CDU.

Enthaltungen bei der CDU

57 Parlamentarier stimmten am Donnerstag im Landtag gegen Kretschmann. Es gab eine Enthaltung. Zwei Stimmen entfielen auf einen anderen Namen. Eine Grünen-Abgeordnete fehlte wegen Krankheit. Die Nein-Stimmen kamen vermutlich zum großen Teil aus der AfD, deren Fraktionschef Jörg Meuthen angekündigt hatte, seine Fraktion werde geschlossen gegen Kretschmann stimmen. Die Partei stellt 23 Abgeordnete. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte im SWR-Fernsehen kurz vor der Wahl des Regierungschefs, die Abgeordneten seiner Fraktion hätten ihm zugesichert, für Kretschmann zu stimmen. In zwei Probeabstimmungen am Dienstag hatten einige CDU-Abgeordnete mit Nein gestimmt oder sich enthalten. Der CDU-Landeschef Thomas Strobl reagierte darauf sehr verärgert. Einige CDU-Abgeordnete hatten sich von ihm bei der Zusammenstellung der grün-schwarzen Kabinettsliste ignoriert gefühlt.

Strobl wird Vize

Strobl soll Vize-Ministerpräsident und Innenminister werden. Der Schwiegersohn von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist bei der CDU-Basis in Baden-Württemberg nicht unumstritten. Er habe ein gutes Verhältnis zum CDU-Landeschef, betonte Reinhart. Er sei zuversichtlich, dass die Fraktion gut mit der neuen Landesregierung zusammenarbeiten werde. Die Pleite in der Probeabstimmung am Dienstag wurde als Denkzettel der Fraktion an Strobl gewertet.

Grüne und CDU erhalten je fünf Ministerposten

Die Grünen besetzen die Ressorts Finanzen, Umwelt und Energie, Verkehr, Soziales, Wissenschaft und Forschung. Die CDU erhält das Innen-, das Justiz- sowie das Wirtschafts- und Arbeitsministerium. Auch das Kultus- und das Landwirtschaftsministerium gehen an die CDU. Ein Integrationsministerium soll es hingegen nicht mehr geben.

„Schwarz-Grün steht Kretschmann sehr gut“

Kretschmann gilt als Urgrüner: 1979 gründete er die Partei im Südwesten mit. Von einigen Kernpositionen hat sich der Realpolitiker aber entfernt – zum Leidwesen des linken Flügels und manchmal auch seiner Bundespartei. Schwarz-Grün, so sagen viele im Ländle, passt zu ihm sehr gut. Im Politbarometer des ZDF im April nannten Teilnehmer der repräsentativen Umfrage Kretschmann sogar den wichtigsten Politiker Deutschlands. Er verdrängte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von der Spitze.

Eklat durch verweigerten Handschlag

Im Stuttgarter Landtag kam es dann noch zu einem Eklat am Rande: Der baden-württembergische SPD-Mann und bisherige Landtags-Vizepräsident Wolfgang Drexler weigerte sich etwas kindisch, der AfD-Abgeordneten Christina Baum die Hand zu schütteln. Er begründete das mit den früheren Äußerungen Baums zur „Frühsexualisierung unserer Kinder“, zur Islamisierung Deutschlands und zur falschen Flüchtlingspolitik der Grünen. Zudem hat die AfD die Wahl der 50-jährigen Grünen und Muslimin Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin kritisiert. Nun ist Händeschütteln in Deutschland ein Akt der Höflichkeit und des Respekts unter Menschen, gerade in Parlamenten, und nicht ein Akt der Akzeptanz von durchaus kritikwürdigen Äußerungen des Gegenübers. Dieser Respekt sollte gewahrt werden, zumindest solange man nicht üblen Straftätern gegenüber steht. Zudem ist eine solche Verteufelung der AfD kontraproduktiv, weil es ihre „Märtyrerrolle“ gegen „die da oben“ völlig unnötig nur bestätigt. Und es ist kein guter Stil, als Abgeordneter Menschen auf diese Weise herabzuwürdigen, die sich obendrein der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit bedient haben – auch wenn man diese Äußerungen für falsch hält und nicht teilt. Noch dazu eine von einem Teil des Volkes gewählte Abgeordnete, deren Wähler man damit pauschal wieder in die braune Ecke schiebt. Dies trifft aber nur auf einen Teil der AfD-Wähler tatsächlich zu, schließlich kommen diese aus allen politischen Lagern, darunter auch aus der SPD.

Drexler bekam eine anonyme Drohmail, nachdem das Fernsehen den verweigerten Handschlag auf Facebook gezeigt hatte. „Wer gegen die AfD ist, muss ermordet werden“, heißt es darin. Das ist selbstverständlich abstoßend und muss strafrechtlich geprüft werden.

(AS/avd)