Viele Menschen würden gern per Fahrrad zur Arbeit, in die Schule oder die Uni fahren – wenn sich nur der Zeitaufwand dafür etwas besser kalkulieren ließe. In der Regel müssen Radler alle paar hundert Meter anhalten und auf die Ampel oder einbiegende Autos warten. Außerdem müssen die Radler an Hunderten Einfahrten und Kreuzungen höllisch aufpassen, nicht übersehen zu werden und unter die Räder zu kommen.
Zudem sind in vielen Kommunen die Radwege bisher nicht zusammenhängend und mit ausreichender Asphaltqualität ausgebaut – entlang der Münchner Straße in Nürnberg etwa ähnelt der bisherige Radweg eher den Buckel- und Schlaglochpisten im früheren Ostblock. Viele Radwege reißen auch unvermittelt ab, führen ärgerliche und umständliche Umwege aus oder münden einfach in Autostraßen ein. Zahlreiche Radwege werden auch von Post- und Paketdiensten zugeparkt. All des macht die Fahrzeiten unkalkulierbar, wenn man es eilig hat – etwa auf dem Weg in die Arbeit oder die Uni.
25 km/h sollen durchgehend möglich sein, Radler sollen Vorfahrt haben
Aus diesem Grund plant der Großraum Nürnberg jetzt ein leistungsfähiges Netz an Radschnellwegen. Die Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt sollen dann wegweisend für ganz Bayern sein. Auf diesen Wegen sollen durchgehend Geschwindigkeiten bis zu 25 Kilometer pro Stunde möglich sein, Radfahrer haben hier Vorfahrt und müssen nicht ständig abbremsen. So sollen auch Berufspendler, Schüler und Studenten zum Umstieg aufs Radl bewegt werden.
Nicht zuletzt wegen der raschen Entwicklung und den hohen Verkaufszahlen bei E-Bikes sind die geplanten Geschwindigkeiten von 25 km/h realistisch. Mit Elektro-Hilfskraft könnten viel mehr Radfahrer als früher größere Distanzen überwinden. „Auch die, die es aus eigener Kraft nicht könnten“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Das Innenministerium trägt schon in der Vorbereitungsphase die Hälfte der Gutachterkosten von insgesamt 170.000 Euro. Bei dem Projekt kooperieren die Oberste Baubehörde im bayerischen Innenministerium, das Staatliche Bauamt Nürnberg und die Regierung von Mittelfranken mit den kommunalen Bauämtern.
(Fast) alle Wege führen nach Nürnberg
Nun haben sich die Projektmitglieder auf verbindliche Qualitätsstandards für den Bau geeinigt und sieben Trassen ausgewählt, die nun bevorzugt zur weiteren Prüfung und Planung empfohlen werden. Fünf dieser prioritären Verbindungen laufen sternförmig nach Nürnberg hinein, und zwar aus Erlangen, Fürth, Lauf, Oberasbach/Zirndorf und Schwabach. Zwei weitere verbinden Fürth und Herzogenaurach mit Erlangen.
Außerdem wurden einige nachrangige Trassen und Zubringer festgelegt, beispielsweise von Feucht, Wendelstein, Heroldsberg, Altdorf und Stein nach Nürnberg, von Zirndorf, Stein, Cadolzburg und Langenzenn nach Fürth, von Dechsendorf, Baiersdorf und Eckental nach Erlangen, von Roth über Rednitzhembach nach Schwabach sowie von Ammerndorf nach Oberasbach/Zirndorf.
Zentral: Verbindung von Wohn-, Arbeits- und Studienorten
Die Radschnellwege sollen grundsätzlich eigenständig gebaut werden, also getrennt vom Fußgänger- und Autoverkehr. Eine einheitliche Kennzeichnung soll die Erkennbarkeit verbessern und die Trassen „im Bewusstsein der Pendler verankern“, wie der Nürnberger Planungs- und Baureferent Daniel Ulrich erklärt. Die möglichst gute Anbindung von Wohn-, Arbeits- und Studienorten ist von zentraler Bedeutung, denn die Hauptzielgruppe sind ja Pendler, Schüler und Studenten. Aus den dicht bebauten Bereichen führen klassische Radwege, je nach Pendlerzahl und Bebauungsstruktur, hin zu den eigentlichen Radschnellwegen.
Das Bayerische Innenministerium betont, die Radschnellwege sollten außerorts über selbständige, bevorrechtigte oder kreuzungsfreie Trassen verlaufen, getrennt vom Fußgängerverkehr. Dabei sollten die Fahrbahnen so breit sein, dass ein sicheres und gefahrloses Überholen und Begegnungsverkehr möglich sind. Gleichzeitig sollen die Radschnellwege aber nicht am Beginn der Bebauung enden, sondern „auch innerhalb bebauter Gebiete über geeignete Routen mit möglichst hoher Bevorrechtigung weitergeführt werden können“, so das Ministerium. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Strecken attraktiv sind und gut von den Radlern angenommen werden.
Ganz Bayern soll von den Nürnberger Erfahrungen profitieren
Mit diesem Pilotprojekt sollen bayernweit einsetzbare Standards für die technische Ausgestaltung der Trassen ermittelt werden – von den Nürnberger Erfahrungen soll letztlich also ganz Bayern profitieren. Aus den anfänglich 20 angemeldeten sollen nun die sieben prioritär ausgewählten Routen konkret planerisch zu vertieft werden. In einem weiteren Schritt sollen natürlich auch möglichst viele davon gebaut werden.
Im Sommer dieses Jahres sollen die Detailplanungen anlaufen. Gegen Ende 2016 könnten die Vorschläge so weit gediehen sein, dass sie den Stadt-, Kreis- oder Gemeinderäten zur Diskussion und Abstimmung vorgelegt werden können. Dann beginnt auch der Detailkampf mit den teilweise schwierigen Abwägungen zwischen dem Recht des Einzelnen und dem Gemeinwohl sowie Verhandlungen mit Grundstückseignern. Allerdings darf man schon darauf hoffen, dass neue Radwege in der Öffentlichkeit eine höhere Akzeptanz finden werden als neue Bahntrassen, Flughäfen, Stromtrassen oder Kraftwerke.
Thürauf: Direkte Verbindungen erleichtern den Umstieg aufs Rad
Die CSU-Verantwortungsträger im Großraum Nürnberg begrüßen die Planungen einhellig. Der Schwabacher Oberbürgermeister Matthias Thürauf (CSU) lobt: „Das Zwischenergebnis ist sehr erfreulich. Es zeigt nicht nur den Bedarf, sondern auch die Möglichkeiten auf, zukunftsweisende Radschnellverbindungen anbieten zu können.“
Auch grundsätzlich lobt der Schwabacher OB, der auch selbst zu vielen Terminen mit dem Radl fährt, den Ansatz der Radschnellwege: „Schnelle und direkte Radverbindungen sind insbesondere für Pendler interessant und erleichtern den Umstieg aufs Rad.“
Brehm: Bürger sollen freie Wahl der Verkehrsmittel haben
Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Nürnberger Stadtrat, Sebastian Brehm, lobt ebenfalls den Planungsfortschritt: „Die CSU-Stadtratsfraktion begrüßt die Zusammenarbeit in der Metropolregion, um den Pendlern ein gutes Angebot zu machen. Wir dürfen kein Verkehrsmittel in der Entwicklung bevorzugen. Die Bürger sollen die freie Wahl haben, wie sie sich in unseren Städten und zwischen ihnen fortbewegen wollen.“
Die Menschen bräuchten daher über „alle Verkehrsmittel hinweg“ eine gute Verbindung zwischen den Städten, betont Brehm: „Es freut uns, wenn sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dieses Angebot weiter verbessern wird. Auf der Straße mit dem kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs, auf der Schiene durch die Stadtumlandbahn und auch auf dem Fahrrad mit den geplanten Schnellwegen.“
Mobilitätsverhalten in Großstädten verändert sich spürbar
„Besonders in den Metropolen verändert sich das Mobilitätsverhalten spürbar“, hat der verkehrspolitische Sprecher der Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion, Marcus König, festgestellt. „Das Fahrrad kommt immer öfter zum Einsatz. Es wird immer öfter nicht nur die Freizeit verwendet, sondern dient auch den Berufspendlern als attraktives Fortbewegungsmittel.“ Die Nürnberger CSU habe schon in den letzten Jahren diesen Trend gerne begleitet und versucht, die finanziellen Mittel für den Radwegebau zu erhöhen. „Die Einrichtung von Radschnellwegen ist eine gelungene Fortsetzung dieser Strategie“, so König.
Bei aller Freude über das neue Modellprojekt dürften aber die regulären Radwege mit ihren Löcken und Schlaglöchern nicht vergessen werden, betont der CSU-Verkehrspolitiker: „Wichtig ist dabei aber auch, dass wir noch offene Lücken im bestehenden normalen Radwegenetz schnell schließen, um ein sinnvolles Radwegenetz in einer Großstadt zu bieten. Schnellwege sind nur effektiv, wenn der Radweg dann nicht irgendwo in der Stadt im Nichts oder auf der Fahrbahn einer vielbefahrenen Straße endet.“
König fordert eine enge Einbindung der Bürger in die nun anlaufenden Detailplanungen: „Die Metropolregion wächst weiter zusammen. Jetzt heißt es, mit den Bürgern ein schlüssiges Konzept für gut nutzbare Radschnellrouten zu entwickeln. Wichtig ist, dass die Bürger auch mitentscheiden können. Denn sie sind die zukünftigen Nutzer.“