Hassreden in deutschen Hinterhöfen
Der Verfassungsschutz hat rund 90 Moscheegemeinden im Visier. Dort könnten Anhänger mit Hassreden zum Dschihad aufwiegeln. Der Verfassungsschutz-Chef ruft deshalb zu einer "Koalition gegen den Extremismus" auf und setzt dabei auch auf die Unterstützung moderater Muslime. Die Gefahrenlage durch Terroranschläge bezeichnet er als "ernst". Die Union forderte bereits mehr Kontrolle der Moscheen.
Extremismus

Hassreden in deutschen Hinterhöfen

Der Verfassungsschutz hat rund 90 Moscheegemeinden im Visier. Dort könnten Anhänger mit Hassreden zum Dschihad aufwiegeln. Der Verfassungsschutz-Chef ruft deshalb zu einer "Koalition gegen den Extremismus" auf und setzt dabei auch auf die Unterstützung moderater Muslime. Die Gefahrenlage durch Terroranschläge bezeichnet er als "ernst". Die Union forderte bereits mehr Kontrolle der Moscheen.

Rund 90 Moscheegemeinden in Deutschland stehen nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz unter geheimdienstlicher Beobachtung. Eine besorgniserregend hohe Anzahl. Zwar gibt es keine offiziellen Angaben darüber, wie viele Moscheen in Deutschland existieren. Doch laut Zentralinstitut Islam-Archiv gab es 2009 knapp über 200 Moscheen in Deutschland. Werden Gebetshäuser und „Hinterhofmoscheen“ hinzugerechnet, kann davon ausgegangen werden, dass es zwischen 2600 und knapp 3000 gibt. Etwa 400 gab es laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks 2009 in Bayern.

Muslime als Kämpfer gegen Extremismus

„Wir haben Sorge, dass es viele islamistische Moscheegemeinden in Deutschland gibt, die wir auch in den Blick nehmen müssen“, sagte der Präsident der Behörde, Hans-Georg Maaßen, im ARD-Morgenmagazin. Dabei handele es sich um meist arabischsprachige „Hinterhofmoscheen“, wo Anhänger mit Hassreden zum Dschihad aufgewiegelten. Er warnte aber davor, in der Islamdebatte unbescholtene Muslime mit Terroristen gleichzusetzen. Deutschland brauche eine „Koalition gegen den Extremismus“.

Und dafür brauchen wir auch die Muslime in Deutschland, die Moderaten, die auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung mit uns zusammen gegen den Extremismus ankämpfen wollen.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

IS hat Deutschland im Visier

Die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland sei unverändert hoch. Mehr als 800 Menschen seien aus Deutschland in die Kampfgebiete in Syrien ausgereist. 260 von ihnen seien wieder zurückgekehrt. „Jetzt haben wir ein Szenario mit vielen möglichen Attentätern, die in Deutschland angreifen könnten“, sagte er und forderte ausreichende Befugnisse für die Geheimdienste. „Für den Verfassungsschutz steht fest: Der IS will auch Anschläge gegen Deutschland und deutsche Interessen verüben“, wird der Verfassungsschutz-Chef bei Zeit Online zitiert. Die IS-Propaganda beinhalte immer wieder Bezüge zu Deutschland. Angesichts von Hunderten Syrien-Rückkehrern seien die Bedingungen für Attacken in der Bundesrepublik „günstig“. Täglich gingen beim Verfassungsschutz von eigenen Informanten, Bürgern, dem BND und anderen nationalen oder internationalen Behörden bis zu vier Hinweise auf islamistische Anschlagsplanungen ein. Dem rbb Inforadio sagte der Präsident:

Der IS ist bestrebt, auch bei uns Anschläge zu begehen, wenn er die Möglichkeit dazu hat.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Deutschland sei genauso gefährdet wie Frankreich oder Belgien. „Die Gefahrenlage sehen wir als sehr ernst an. Sie hat in den vergangenen Monaten in ganz Westeuropa zugenommen.“

Kauder fordert Kontrolle

Die Union pocht ebenfalls darauf, extremistische Aktivitäten in Moscheen stärker zu überwachen. „Der Staat ist hier gefordert. Er muss das kontrollieren“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der Berliner Zeitung.

Wir müssen darüber reden, dass in einigen Moscheen Predigten gehalten werden, die mit unserem Staatsverständnis nicht im Einklang stehen.

Volker Kauder, Unionsfraktionschef

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer unterstützt Kauders Vorstoß und spricht sich für deutschsprachige Predigten in islamischen Gotteshäusern aus.

Wir wollen die Religionsfreiheit, dass das klar ist, aber nicht den Missbrauch.

Horst Seehofer, Bayerische Ministerpräsident

Auch der CSU-Innenexperte Stephan Mayer betont im Sender n-tv, „dass der Staat besser Bescheid wissen muss, was in den Moscheen vor sich geht und gelehrt wird“. Kauder sagt: „Ich verlange nicht, dass alle Imame deutsch sprechen sollen. Das sind Scheindebatten.“ Für Italiener werde die Heilige Messe auch auf Italienisch angeboten, in Synagogen werde auf Hebräisch gebetet. Es müsse aber gelten:

Wir leben in einem säkularen Staat, in dem die Religion nicht über dem Staat steht, sondern umgekehrt. Daran haben sich alle zu halten, und dies müssen die Vertreter und die Angehörigen aller Religionen akzeptieren.

Volker Kauder, Unionsfraktionschef

Knapp 1000 Imame in deutschen Moscheen

In deutschen Moscheen predigen derzeit rund 970 Imame, die von der türkischen Religionsbehörde entsandt worden sind. Ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland liege in der Regel bei fünf Jahren. Das schrieb die Welt am Sonntag Mitte April unter Berufung auf die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Aus der CSU war zuletzt die Forderung gekommen, die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland zu stoppen. Denn die Ditib untersteht dem Religionsministerium in Ankara – also der streng islamischen AKP-Regierung des Autokraten Recep Erdogan.

Dazu sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der Welt: „Die Finanzierung von Moscheen oder islamischen Kindergärten aus dem Ausland, etwa aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien, muss beendet werden.“ Um die Verbreitung extremistischer Ideen in Moscheen zu unterbinden, fordert er ein deutsches Islamgesetz.

Wir müssen uns stärker und kritischer mit dem politischen Islam auseinandersetzen, denn er hintertreibt, dass sich Menschen bei uns integrieren.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

In Zukunft müssten alle Imame in Deutschland ausgebildet sein und hiesige Grundwerte teilen. „Es kann nicht sein, dass andere zum Teil extreme Wertvorstellungen aus dem Ausland importiert werden. Deutsch muss die Sprache der Moscheen werden“, sagte Scheuer.

Zukunft für zweisprachige Predigten?

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, spricht sich gegen ein generelles Verbot der Auslandsfinanzierung aus. Er sei aber für mehr staatliche Kontrolle, wo der Verdacht bestehe, dass ausländische Geldgeber versuchten, Ideen zu verbreiten, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Dieses Ziel sollte man aber mit Förderung erreichen, nicht mit Verboten und Strafen.

Zweisprachige Predigten finden wir wünschenswert, auch weil die junge Generation die Heimatsprache der Eltern oft nicht gut beherrscht.

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde

(dpa/Zeit/AS)