Anschlagsziel: ein ICE, hier bei der Einfahrt in den Nürnberger Hauptbahnhof. (Bild: Imago/Marius Schwarz)
Terror

ICE-Anschlag offenbar aufgeklärt

Der versuchte Terroranschlag auf einen ICE scheint aufgeklärt: Auf der Strecke zwischen Nürnberg und München sollte mit einem Stahlseil und Holzkeilen ein Zug zum Entgleisen gebracht werden. Nun wurde der mutmaßliche Täter gefasst.

Am 7. Oktober gab es einen höchst gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr bei Allersberg. Auf der ICE-Strecke zwischen Nürnberg und München war ein dickes Stahlseil zwischen den Oberleitungsmasten befestigt und mit Metallteilen verstärkte Holzkeile auf den Gleisen aufgebracht worden, um einen darüberfahrenden Zug zum Entgleisen zu bringen. Tatsächlich hatte an diesem Tag ein ICE die Hindernisse überfahren, wurde dabei aber nur leicht beschädigt. In Tatortnähe wurden in arabischer Sprache abgefasste Drohschreiben sowie Schmierschriften festgestellt, die einen Bezug zu der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) herstellen ließen. Nur ein technischer Fehler bei der Vorbereitung verhinderte eine Katastrophe mit unzähligen Toten, wie die Staatsanwaltschaft andeutete.

Anschläge auf Bahnstrecken

Einen vergleichbaren Eingriff gab es dann am 24. Dezember an einer Bahnstrecke in Karlshorst, bei dem auch ein Oberleitungsschaden festgestellt worden war. Im Rahmen der polizeilichen Spurensuche und -sicherung wurden in Tatortnähe ebenfalls Schriftstücke in arabischer Sprache sowie eine Flagge des IS aufgefunden.

Da die in Berlin und Allersberg aufgefundenen Schriftstücke augenscheinlich große Übereinstimmungen aufwiesen, wurden die Ermittlungen in sehr enger Zusammenarbeit zwischen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, der Generalstaatsanwaltschaft München (ZET) und den Landeskriminalämtern Berlin und Bayern geführt. Möglicherweise steht der Iraker aber auch noch mit weiteren Anschlägen in Verbindung: Im Februar 2019 wurden Beton- und Gehwegplatten auf Bahngleise in Dortmund gelegt.

Tatverdächtiger festgenommen

Durch die Ermittlungen einer zu diesem Zweck gegründeten länderübergreifend tätigen gemeinsamen Ermittlungsgruppe (BAO Trasse) ergab sich ein konkreter Tatverdacht gegen einen 42-jährigen irakischen Staatsangehörigen, der in der österreichischen Hauptstadt Wien wohnt und offensichtlich mit dem IS sympathisiert. In Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Wien, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung der Republik Österreich (BVT) und dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien (LVT) wurde der 42-Jährige, der laut der österreichischen Kronen-Zeitung verheiratet und Vater von fünf Kindern ist, nun am 25. März in der Nähe seiner Wiener Wohnung durch die Spezialeinheit „Cobra“ festgenommen. Dieser zeigte sich laut Staatsanwaltschaft Wien geständig, so die Zeitung, bestreite jedoch einen terroristischen Hintergrund.

Gegen ihn liegen Haftbefehle der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdachts der terroristischen Straftaten, des versuchten Mordes und der schweren Sachbeschädigung, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und dem Verbrechen der kriminellen Organisation vor. Auch das Amtsgericht München stellte Haftbefehle aus wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Bahnverkehr und versuchter Störung öffentlicher Betriebe vor. Bayerische und Berliner Ermittler sind derzeit in Wien, um an der Vernehmung teilzunehmen und die österreichischen Ermittler zu unterstützen. Weitere Auskünfte können derzeit laut der Generalstaatsanwaltschaft München, der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET), der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, des Polizeipräsidenten in Berlin und des Bayerischen Landeskriminalamtes München nicht erteilt werden. Die Ermittlungen dauerten noch an.

Die Ermittlungen werden jetzt mit Hochdruck fortgeführt, um die weiteren Hintergründe aufzuklären.

Joachim Herrmann

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zeigte sich erleichtert über die Festnahme des Irakers. „Dank der hervorragenden internationalen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich konnte damit der vermutlich hochgefährliche Täter aus dem Verkehr gezogen werden“, lobte Herrmann den Festnahmeerfolg. Besonders hob der Innenminister das ausgezeichnete Engagement des Bayerischen Landeskriminalamts hervor, das für die polizeilichen Ermittlungen in Deutschland die Federführung hat und eng mit den Kollegen in Berlin und Österreich sowie mit der Bundespolizei und mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeitet. „Die Ermittlungen werden jetzt mit Hochdruck fortgeführt, um die weiteren Hintergründe aufzuklären“, kündigte Herrmann an. Das betreffe insbesondere einen möglichen Bezug der Taten zum Islamischen Staat und die Frage, ob es Hintermänner gegeben haben könnte.

So viele Tote wie möglich

Ziel der Attentäter sei es gewesen, dass es „so viele Tote wie nur möglich“ gibt, schrieb jetzt die österreichische Kronen-Zeitung unter Berufung auf Ermittler. Die Spur zu dem Tatverdächtigen wurde danach durch das in Bayern hinterlassene zweiseitige Bekennerschreiben gefunden, in dem weitere Anschläge auf europäische Bahnlinien angedroht wurden. Der zur Herstellung des Schreibens verwendete Drucker habe zu dem verheirateten Iraker geführt. Er könnte zu einer mehrköpfigen Terrorzelle gehören, so die Zeitung.

Der verhaftete Verdächtige soll als anerkannter Flüchtling seit etwa 20 Jahren in Österreich leben und Mitarbeiter bei einer Security-Firma sein. Brisant: Dabei war er offenbar im Einsatz vor Einkaufszentren und in Fußballstadien, was ihm weitere Anschlagsmöglichkeiten eröffnet hätte. Auf seinem Facebook-Profil verherrlichte er laut dem Kronen-Bericht radikale Islam-Prediger, bezog sich auf den IS-Terroranschlag in Nizza und rief Muslime nach den Anschlägen von Christchurch zur Rache auf.