Schon am kommenden Montag könnte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU, Mitte) für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden. Hier gratuliert er bei der konstituierenden Sitzung des Landtags dem frisch gewählten Landtagspräsidenten Hardy Peter Güssau (ebenfalls CDU, r.). (Foto: Christian Schroedter/imago)
Sachsen-Anhalt

Erste „Kenia-Koalition“ Deutschlands

Eine Notlösung: Erstmals kommt es in einem deutschen Bundesland zu einer „Kenia-Koalition“ aus CDU, SPD und Grünen. Die Verhandlungspartner in Sachsen-Anhalt einigten sich auf den Koalitionsvertrag. Die CDU unter Ministerpräsident Haseloff erhält fünf Ministerien plus Staatskanzlei, die SPD zwei und die Grünen das Umweltministerium, das mit den Bereichen Landwirtschaft und Energie aufgebläht wird.

Die bundesweit erste schwarz-rot-grüne Koalition in Sachsen-Anhalt steht. Die Parteispitzen einigten sich in Magdeburg endgültig auf den Koalitionsvertrag und die Ressortverteilung. Am Freitag und Samstag müssen noch Parteitage grünes Licht für das Regierungsbündnis geben. Am Montag könnte dann Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) für weitere fünf Jahre zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Mit Bekanntgabe der Einigung kündigte Haseloff ein Sofortprogramm der neuen Landesregierung an. Es würden nun mehr Polizisten und Lehrer eingestellt, die Vorgaben des Stabilitätsrates für die Konsolidierung des Haushaltes aber auch künftig eingehalten. „Es lohnt sich, in eine gemeinsame Koalition zu gehen“, sagte Haseloff. Bereits der alte Landtag hatte sich fraktionsübergreifend dafür ausgesprochen, dass die Zahl der Polizisten von knapp 6000 um mehrere hundert wieder erhöht wird. Ursprünglich war dagegen ein weiterer Abbau geplant.

SPD: Vernunftehe nach beispiellosem Absturz

SPD-Chef Burkhard Lischka nannte die Einigung eine „Vernunftehe“. Es sei keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Die SPD spüre aber ihre Verantwortung. „Die SPD wird wirklich für diese Regierung kämpfen“, sagte Lischka. „Alles andere wäre für dieses Land eine Katastrophe.“ Die SPD war nach der Landtagswahl, bei der sie nur noch auf rund zehn Prozent der Stimmen gekommen war, in eine tiefe Krise gestürzt. Der Vorstand trat auf Druck der Basis geschlossen zurück. Lischka, der für die SPD im Bundestag sitzt, soll die Partei nun innerhalb von zwei Jahren neu aufstellen.

Die Grünen hatten in den Koalitionsverhandlungen zunächst auf zwei Ministerien gepocht, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Die bisherige Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert war als Expertin für Hochschulen und Bildung ursprünglich für das Kultusministerium im Gespräch. Die Basis verlangte aber, dass die Grünen den Bereich Umwelt übernehmen. Dalbert sagte nach der Einigung, sie sei jetzt zuversichtlich, dass die Basis Rückendeckung gebe.

Tiefe Sorgenfalten bei der CDU angesichts der Notlösung mit den Grünen

Bei der CDU hatte es zuletzt vor allem Widerstand gegen die Grünen als Koalitionspartner gegeben. An der Basis warnten einige Mitglieder davor, den Grünen zu viel Einfluss zu geben. Für Unruhe sorgt in der CDU auch das starke Abschneiden der rechtspopulistischen AfD, die bei der Wahl fast jede vierte Stimme bekommen hatte. Einzelne Kommunalpolitiker sprachen sich daher gegen eine Koalition und stattdessen für eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten aus. Dies hatte Haseloff, der für eine stabile Regierung geworben hatte, allerdings stets ausgeschlossen.

Die ungewöhnliche Dreiparteien-Konstellation, die nach den Farben der schwarz-rot-grünen Flagge Kenias als „Kenia-Koalition“ bezeichnet wird, ist eine echte Notlösung. Sie war nötig geworden, weil keine andere Partei mit der AfD koalieren wollte. Das bisherige Bündnis aus CDU und SPD hatte keine Mehrheit mehr bekommen, nachdem die Sozialdemokraten auf gut zehn Prozent abgestürzt waren. Die Grünen waren mit gerade noch 5,2 Prozent nur hauchdünn in den Landtag eingezogen.

Schwierig: Grüne erhalten Zugriff auf Landwirtschaft und Energie

Die Ressortverteilung sieht nun so aus, dass die Grünen das neu aufgeblähte Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie führen sollen. Ressortchefin soll Fraktionschefin Dalbert werden. Die SPD erhält zwei Ressorts, und zwar das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration sowie das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung.

Die übrigen sechs Ressorts – inklusive Staatskanzlei – übernimmt die CDU, darunter die Schlüsselressorts für Inneres, Finanzen und Kultus. Haseloff will die personelle Besetzung der CDU-Ressorts erst später nennen. Als gesetzt gelten aber Verkehrsminister Thomas Webel und Innenminister Holger Stahlknecht.

Haseloff sagte, zuletzt sei noch intensiv darüber verhandelt worden, ob die Grünen im Umweltministerium statt der Landwirtschaft besser den Baubereich übernehmen. Dies hätten die Grünen aber letztlich abgelehnt. Bauernverbände hatten kritisiert, dass ihr Bereich in die Hände der Grünen gehe.

(dpa/wog)