Der CSU-Ehrenvorsitzende Dr. Theo Waigel, (Foto: Imago)
Interview

„Die Rente mit 63 Jahren war ein Fehler“

Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hält die Rücknahme der generellen Rente mit 67 Jahren für falsch. Um die Altersbezüge nachhaltig zu sichern, sei die Verlängerung der Lebensarbeitszeit nötig. Dabei sprach sich Waigel für eine differenzierte Lösung aus, abhängig vom Beruf. Es gehe um eine stärkere Ausgewogenheit zwischen Alt und Jung, um "die Freundschaft der Generationen" zu gewährleisten.

In der Debatte um eine Rentenreform hat Theo Waigel die Erhöhung der Lebensarbeitszeit angeregt. In einem Interview mit dem Bayernkurier sagte der frühere Bundesfinanzminister, „eine stärkere Ausgewogenheit zwischen Alt und Jung“ sei notwendig. Für eine nachhaltige Regelung der Altersbezüge gebe es nur drei Möglichkeiten: „Entweder ich kürze Renten, Gehälter und Pensionen oder ich erhöhe die Beiträge oder ich verlängere die Lebensarbeitszeit. Das Letztere, glaube ich, wird zumutbar und notwendig sein, um eine Balance zwischen den Generationen sicherzustellen.“

Ich wäre für eine differenzierte Lösung, denn es gibt sicherlich Berufe, wie zum Beispiel der Dachdecker oder andere Arbeitnehmer mit schwerer körperlicher Arbeit, denen es nicht ohne Weiteres möglich sein wird, länger zu arbeiten. Aber die meisten von uns können und wollen länger als 63 oder auch 65 Jahre arbeiten.

Theo Waigel

Für einen Fehler hält Waigel die Abkehr von der ursprünglich generell beschlossenen Verlängerung der Lebensarbeitszeit. In der laufenden Legislaturperiode hatte die Bundesregierung auf Drängen der Sozialdemokraten diese Regelung eingeschränkt, so dass nur bis zum Alter von 63 Jahren arbeiten muss, wer länger als 45 Jahre berufstätig war. „Wir als CSU hätten heilfroh sein sollen, dass die SPD die Rente mit 67 durchgesetzt hatte, und wir hätten die Änderung nicht mittragen sollen“, sagte Waigel dem Bayernkurier. 

Flüchtlingsdebatte muss in die Parlamente

Im aktuellen Streit um die Flüchtlingspolitik rät der ehemalige Bundesfinanzminister dazu, die Debatte wieder stärker in die Parlamente zu verlagern. „Die Flüchtlingspolitik und die Finanzierung sollte man im Bundestag, im Bundesrat und in allen Landtagen zur Diskussion und zur Abstimmung stellen. Dann hätten wir einen öffentlichen Diskurs über dieses Thema, der viel von dem wegnehmen würde, was jetzt an Verdächtigungen oder Falschmeldungen in Umlauf ist.“ Die weit verbreitete Sorge um die Zukunft Europas angesichts der Grenzschließungen auf dem Balkan teilt Waigel nicht. Er habe „keine Angst, dass Europa untergeht oder dass Europa zerbricht“. Nur ein „Wahnsinniger“ könnte das herbeiführen. Denn wirklich alle Länder in der EU profitierten von der Union.

Die AfD liefert keine Antworten, sie bietet keine Lösungen. Es ist geradezu widerlich, welche Gedankenwelt da teilweise nach oben kommt. Wenn man älter ist, dann erinnert man sich an Schlagworte und dumpfe Parolen, die aus einer ganz anderen Zeit wiederkommen. Dagegen müssen wir mit aller Klarheit und Härte angehen.

Theo Waigel

Kompetenzregelungen: EU braucht Reformen

Angesichts eines drohenden Brexits stellt sich der Mitbegründer der Gemeinschaftswährung Euro auf die Seite des britischen Premiers David Cameron: Die Reform der EU sei „eine Daueraufgabe“, meint Waigel. In der Agrarpolitik beispielsweise könnten die Zuständigkeiten größtenteils wieder in die Nationalstaaten zurück verlagert werden. In der Sicherheits- oder der Verteidigungspolitik hingegen müssten Kompetenzen auf die europäische Ebene gehoben werden.

Insgesamt halte die „elementare Friedensidee“ Europa zusammen, glaubt der CSU-Ehrenvorsitzende. „Das haben wir gelernt aus der Geschichte, nicht nur von 1914 und 1933, sondern auch der letzten Jahrhunderte.“ Das zweite verbindende Element sei „der riesige Erfolg, dass durch Europa eine Demokratiebewegung stattgefunden hat und die mittel- und osteuropäischen Staaten zur Demokratie und zu Europa zurückgefunden haben“. Aus dem Gegeneinander der Staaten, das leider immer noch existiere, werde zunehmend ein Miteinander, ist sich Waigel sicher. 

Wenn man selber wie ich ein gewisses europäisches Schicksal hat, wenn der Vater in zwei Weltkriegen Soldat war und der eigene Bruder 1944 in Frankreich gefallen ist, dann weiß man, wie wertvoll es ist, dass der Weg von Kehl nach Straßburg heute genauso einfach ist wie der Übergang von Ulm nach Neu-Ulm.

Theo Waigel

Erbschaftssteuerreform darf Existenzen nicht bedrohen

Laut Waigel versuche die CSU derzeit mit guten Gründen, den Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble zur Erbschaftssteuerreform noch zu ändern. „Vor allem, wenn es um den Schutz des Mittelstandes und um Lösungen für die Fortführung von Familienbetrieben geht,“ betonte der Ehrenvorsitzende. Andernfalls würde man wieder eine Art Vermögenssteuer einführen, die in den 90er-Jahren zurecht abgeschafft worden war.

Die Anstrengungen Bayerns, den Länderfinanzausgleich zu ändern, hält der frühere Bundesfinanzminister ebenfalls für gerechtfertigt. Sollten diese keinen Erfolg haben, müsse man notfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Ich halte es für unhaltbar, dass der Finanzausgleich derzeit nur noch von vier Ländern finanziert wird. Und dass nicht einmal das größte Bundesland, sondern das zweitgrößte, nämlich Bayern, die Hälfte des Finanzausgleichs bezahlt.

Theo Waigel

Das BAYERNKURIER-Monatsmagazin

Das gesamte Interview mit dem CSU-Ehrenvorsitzenden Dr. Theo Waigel lesen Sie im aktuellen Bayernkurier-Magazin.

Alle Informationen finden Sie hier: Magazin