Mehr als drei Stunden lang diskutierte Horst Seehofer in Wolfratshausen mit der Parteibasis. Foto: CSU
Basisdialog

Ungeschminkte Wahrheiten von den Parteimitgliedern

In Wolfratshausen stellte sich der CSU-Vorsitzende dem ersten seiner sechs Basisdialoge. Neben viel Zustimmung zur Politik der Staatsregierung bekam der Ministerpräsident die Sorgen und Probleme der Parteimitglieder zu hören. Dominantes Thema: die Flüchtlingskrise und wie deren Folgen bewältigt werden können.

Besondere Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. „Die politische Landschaft in Deutschland hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert“, lieferte CSU-Partei-Chef Horst Seehofer gleich zu Beginn des ersten Basisdialogs in der mit 500 Gästen voll besetzten Loisachhalle in Wolfratshausen die Erklärung für seine Diskussions-Tour durch Bayern. Es gebe auf einmal eine Partei auf zweistelligem Niveau rechts der Union, die FDP erlebe eine Renaissance, analysierte der Parteivorsitzende die Situation. „Die Union befindet sich bundesweit im Sinkflug. Viele bürgerliche Wähler sind derzeit ohne politische Heimat.“

Drei Stunden Dialog mit der Parteibasis

In dieser, wie er sagt „existentiellen Lage“ für die Union, sucht der CSU-Vorsitzende das Gespräch mit den Mitgliedern seiner Partei. Sechs Mal steht der Parteichef in den kommenden Wochen den Mitgliedern in einem Basisdialog Rede und Antwort. Er wolle ungeschminkt die Positionen der Mitglieder hören, erklärte Seehofer am Anfang der Veranstaltung. Die einfachen Menschen sollten reden, nicht die Berufspolitiker. In Wolfratshausen nahm er sich dafür mehr als drei Stunden Zeit.

Für die CSU verspricht sich Seehofer wichtige Impulse aus der Begegnung mit den Parteimitgliedern. Ihre Anregungen sollen in die Themen-Offensive der CSU einfließen, die Seehofer seiner Partei verordnet hat. Leitmotiv der künftigen Arbeit seien drei Begriffe, erklärte Seehofer der Parteibasis: „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ und „Sicherheit“.

Zehn Aufgabenfelder hat die CSU dazu bereits formuliert:

  1. Ein umfassendes Sicherheitspaket auflegen
  2. Steueroffensive für Bürger und Unternehmer starten
  3. Neue Impulse für Wirtschaft und Landwirtschaft setzen
  4. Sicherheit im Alter geben und Altersarmut bekämpfen
  5. Solide und generationengerechte Haushaltspolitik fortsetzen
  6. Verlässlichkeit bei Bildung und Wissenschaft gewährleisten
  7. Entwicklungszusammenarbeit stärken und Fluchtursachen bekämpfen
  8. Sparer vor den Folgen der Nullzinspolitik schützen
  9. Natur- und Umweltschutz passgenau weiterentwickeln
  10. Ehrenamt stärken und Kulturplan für ganz Bayern fortentwickeln

Am Ende dieser Arbeit solle, so Seehofer, ein „Bayernplan 2“ stehen. Seehofer erinnerte in Wolfratshausen an ersten Bayernplan, der 2013 sehr zum Wahlerfolg beigetragen habe. Daran solle der neue Plan anknüpfen: „Wir müssen in der Bevölkerung wieder die Stimmung herstellen, dass die Menschen sagen, es soll so bleiben, wie es ist“, formulierte Seehofer die Herausforderung für die kommenden Jahre.

Die Flüchtlingspolitik dominiert

Die Stimmung an der Parteibasis prägen derzeit einige, dominante Themen. Das zeigten die Wortmeldungen in Wolfratshausen sehr deutlich.

Ganz oben auf der Liste: die Flüchtlingspolitik. Wie sollen die Kommunen die Belastungen durch die Zuwanderung stemmen? Wann werden Europas Außengrenzen endlich wieder geschützt? Wird das Bildungsniveau aufgrund der viele Flüchtlinge an den Schulen sinken? Warum entscheidet eigentlich nicht der Bundestag über das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei? Gleich ein ganzes Bündel an Fragen und Sorgen äußerten die CSU-Mitglieder zur Flüchtlingskrise. „Fragen von historischer Dimension gehören in die Volksvertretung“, stimmte Seehofer der Kritik am Zustandekommen des Türkei-Abkommens zu. „Die Menschen müssen nachvollziehen können, warum die Politiker so entschieden haben.“ An der geringen Zahl der Flüchtlinge, die derzeit nach Bayern kämen, so Seehofer, habe das Türkei-Abkommen übrigens keinen Anteil. Diese Entwicklung sei auf die Sperrung der Balkanroute zurückzuführen. Umso unverständlicher sei daher für ihn, dass diese Maßnahmen in Berlin kritisiert würden.

Seehofer lobt die Bevölkerung für Integrationsleistung

Seehofer betonte die Anstrengungen Bayerns zur Integration der Migranten. „Humanität, Integration und Begrenzung der Zuwanderung sind die Prinzipien unserer Politik“, sagte er. Binnen zwei Jahren gebe der Freistaat 4,5 Milliarden Euro dafür aus. Mehr als 2000 zusätzliche Lehrerstellen schaffe Bayern. Seehofer lobte auch die Leistung der bayerischen Bevölkerung: „Bayern hat eine glänzende Visitenkarte in Sachen Humanität abgegeben.“ Aber, bekräftigte der Parteivorsitzende, Integration könne nur gelingen mit einer Begrenzung der Zuwanderung. „Die Öffnung der Grenzen und die Willkommenskultur waren ein schwerer Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird“, sagte Seehofer unter großem Beifall und bekräftigte seine Forderung nach einer Obergrenze. Kontrollen an deutschen Grenzen, so Seehofer, könnten erst dann entfallen, wenn die europäischen Außengrenzen wieder gesichert seien.

Ein weiterer Punkt war die Sicherheit: Die Angst vor Einbrüchen und das Gefühl, es gebe nicht genügend Polizisten, treibt die Menschen um. Auch hier sicherte der CSU-Chef Verbesserungen zu. Bayern habe die Zahl der Polizisten bereits deutlich aufgestockt und werde in den kommenden Jahren noch mehrere tausend Stellen zusätzlich schaffen. „Ein Politiker, die die Menschen nicht schützen kann“, erläuterte Seehofer seine Überzeugung, „gefährdet die demokratische Grundordnung.“

Abstandsregel für Windräder soll bleiben

Mehrfach äußerten anwesende CSU-Mitglieder den dringenden Wunsch, die 10H-Abstandsregel bei Windrädern unbedingt beizubehalten. „Bleiben Sie in dieser Sache stark“, ging die Aufforderung an den Ministerpräsidenten. „Wir wollen unsere Landschaft nicht verspargeln lassen.“ Er werde das nicht zulassen, versicherte Seehofer. Mit diesem Versprechen sei er schließlich 2013 zur Wahl angetreten. „Und ich habe die absolute Mehrheit erhalten.“

Der in Wolfratshausen anwesende Verkehrsminister Alexander Dobrindt wurde gefragt, warum die Maut in Deutschland noch immer nicht eingeführt worden sei. Andere Länder wie Österreich hätten das doch auch geschafft. „Macht´s es doch einfach“, lautete die Forderung. Dobrindt erklärte, ohne die Zustimmung von Brüssel seien die dafür nötigen hohen dreistelligen Millioneninvestitionen in der Berliner Koalition nicht durchzusetzen. Deshalb dringe er in Brüssel auf eine rasche Entscheidung. Er setze darauf, dass der Europäische Gerichtshof sich bald mit dieser Frage befassen werde. Dobrindt zeigte sich optimistisch: „Wir werden Recht bekommen“.

„Die Maut bleibt ein Kernanliegen der CSU“, bekräftigte Ministerpräsident Seehofer und kritisierte die Politik der EU. Anstatt sich um die wirklich großen Themen zu kümmern, verliere sich Brüssel weiter im Kleinklein von Gesetzen und Verordnungen. So werde die Zustimmung zu Europa in der Bevölkerung weiter erodieren, warnte der Parteivorsitzende. „Ob Europa eine Zukunft hat“, so Seehofer, „hängt vor allem von Europa ab.“

„Zuhören, nachdenken, entscheiden“

Manche Themen sprach der CSU-Vorsitzende auch von sich aus an: Zur Erbschaftssteuer erklärte Seehofer, er werde keiner Lösung zustimmen, die in Wirklichkeit die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer sei.

Und er nutzte die Gelegenheit, der Parteibasis seinen Politikstil näherzubringen. „Zuhören, nachdenken, entscheiden“, so wolle er Politik machen, erklärte Seehofer. Überzeugen könne man nur durch Präsenz, Verbundenheit mit den Menschen und gute politische Entscheidungen. Dazu gehöre es auch, seine Standpunkte konsequent zu vertreten. „Und zwar an jedem Standort“, so der CSU-Vorsitzende. „Wenn Sie an jedem Standort den Standpunkt wechseln, werden Sie auf Dauer keinen Erfolg haben.“