Die Wahlbeteiligung sinkt. Bild: Fotolia/Christian Schwier
Kommentar

An die eigene Nase fassen

Kommentar Auch wenn der Stadtstaat Bremen das kleinste der deutschen Bundesländer ist, war ein Aspekt der Landtagswahl dort alarmierend: Erstmals seit 1948 wurde ein Landesparlament von weniger als der Hälfte der Stimmberechtigten gewählt.

Nur 49,6 Prozent, das ist der traurige Höhepunkt einer jahrelangen Serie von immer weiter sinkenden Wahlbeteiligungen bei Wahlen im Bund, den Ländern, der EU und zuletzt sogar den Kommunen. Das ist bedenklich, heißt es überall in der Politik, da muss etwas getan werden. Nur was genau, das weiß keiner.

Die Politik in der Krise

Natürlich ist es ein Armutszeugnis für unsere parlamentarische Demokratie, wenn die Mehrheit des Volkes signalisiert, dass sie ihr scheinbar egal ist. Das delegitimiert nicht nur den Staat und seine Gesetze, sondern leider auch seine Vertreter aus Justiz, Polizei und Behörden. Es ist aber auch ein Armutszeugnis für unsere Politiker, die seit Jahren auf dem letzten Platz bei den Umfragen zur Glaubwürdigkeit der einzelnen Berufsgruppen liegen. Sogar in der großen Bankenkrise 2005 bis 2009 lagen Investmentbanker noch vor den Politikern. Wenn das so weitergeht, werden künftig die Wahlforscher nicht mehr fragen, welche Partei die größere Kompetenz in einzelnen Bereichen hat, sondern welche die größere Inkompetenz. Natürlich muss sich hier was ändern, im Umgang der Politiker miteinander, im Umgang mit den Bürgern, im Umgang mit Lobbyisten. Parteiinterne Scharmützel sind menschlich, aber abschreckend. Andererseits ist es ebenso abschreckend, wenn alle immer nur harmonisch das Gleiche sagen. Das Phrasensprech so vieler Politiker ist peinlich und, viel schlimmer, es langweilt die Menschen. Sagt aber mal ein Politiker klar heraus, was er denkt, fallen oft genug die Medien über ihn her. Auch hier muss sich was ändern. Aber wird es das auch? Zweifel sind angebracht, das Klagelied ist schließlich nicht neu.

Zu wenig Engagement für dieses Land

Einige Nichtwähler verweigern sich nach dem Motto: „ist doch egal, wer regiert, sind eh alle gleich“. Andere haben schlicht andere Sorgen, wie die noch deutlich geringere Wahlbeteiligung in Vierteln mit hohem Hartz IV-Anteil zeigte. Die Nächsten gehen lieber Eis essen, spielen am Computer oder fahren in den Vergnügungspark. Das spüren auch die Parteien, in denen sich immer weniger Menschen engagieren – und auch die Vereine, besonders in den großen Städten. In Bremen kam hinzu, dass die seit 1945 SPD-geführte Politik den Stadtstaat zum Schlusslicht in allen Lebenslagen gemacht hat, bei den Finanzen, der Bildung, in der Arbeitslosenstatistik. Auch das frustriert.

Jeder der angesprochenen Beteiligten sollte sich an die eigene Nase fassen und darüber nachdenken, was er ändern kann. Und dann muss er das auch tun.