Die Debatte um neue Konzepte in der Rentenpolitik geht weiter. (Foto: Schöning/imago)
SPD-Mindestrente

Auf Kosten der jungen Generation

Exklusiv Sie ist weder solidarisch noch berücksichtigt sie die Lebensleistung: Das SPD-Projekt einer staatlich finanzierten Mindestrente ist nach Auffassung der CSU ein Anschlag auf die Generationengerechtigkeit – und außerdem nicht finanzierbar. Die staatlichen Sozialleistungen sind ohnehin übermäßig aufgebläht. Die Junge Union (JU) und die Mittelstands-Union formulieren ihre Kritik am deutlichsten.

Die CSU lehnt die Pläne der SPD-Arbeitsministerin Nahles, eine gesetzlich festgesetzte und staatlich finanzierte Grundrente einzuführen, entschieden ab. „Das bisher vorgestellte Konzept für die ,solidarische Lebensleistungsrente‘ ist weder solidarisch noch berücksichtigt sie die Lebensleistung“, kritisiert der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, Hans Reichhart, gegenüber dem BAYERNKURIER. „Vielmehr ist sie ein Anschlag auf die Generationengerechtigkeit, da von der Maßnahme insbesondere die Generation 50+ einseitig auf Kosten künftiger Beitragszahler profitieren würde“, sagt der CSU-Landtagsabgeordnete.

Es dürfen keine neuen Sozialansprüche für die Zukunft aufgebaut werden, will der Staat die andauernde Leistungsfähigkeit erhalten.

Hans Michelbach

Genauso sieht das der Vorsitzende der Mittelstands-Union Bayern, Hans Michelbach. Die Nahles-Mindestrente wäre seiner Befürchtung nach „nur durch noch höhere Steuern und Sozialabgaben und somit zu Lasten der jungen Generation auszugleichen“. Der CSU-Wirtschaftspolitiker im Bundestag formuliert seine Kritik in einer Stellungnahme für den BAYERNKURIER aber auch grundsätzlich: „Durch zu hohe Abgaben wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und der soziale Zusammenhalt gefährdet. Es dürfen keine neuen Sozialansprüche für die Zukunft aufgebaut werden, will der Staat die andauernde Leistungsfähigkeit erhalten.“

„Gefühlte Gerechtigkeit“ ist nur ein SPD-Marketinggag

Bei der sogenannten „solidarischen Lebensleistungsrente“ ist nur der Name gut, das ist die Meinung der CSU-Bundestagsabgeordneten Katrin Albsteiger, die gleichzeitig stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union ist. „Die Wirkung des Ganzen wäre fatal“, so Albsteiger gegenüber dem BAYERNKURIER: „Brüche in unserer Rentensystematik sollen gemeinsam mit richtungsloser und unfairer Umverteilung eingeführt werden. Es soll eine Art gefühlte Gerechtigkeit herauskommen – ein sozialpolitischer Marketinggag.“

Mit diesem Vorschlag zeigt Ministerin Nahles den verzweifelten Versuch, sich mit kostspieligen sozialpolitischen Wohltaten aus dem 20-Prozent-Tief zu befreien.

Hans Reichhart

JU-Landeschef Reichhart befürchtet, der mit einer staatlichen Mindestrente auf jeden Fall einhergehende „Systembruch“ führe „zu einer Aufweichung des Leistungsgedanken in der Rentenversicherung.“ Hans Reichhart wörtlich: „Durch die Aufstockung einer kleinen Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung – also ohne Berücksichtigung anderer Finanzquellen – kann es in letzter Konsequenz dazu kommen, dass Versicherte mit einem höheren Beitrag am Ende eine geringere Rente erhalten.“

Das zusammenfassende Urteil des JU-Landesvorsitzenden fällt vernichtend für die SPD-Arbeitsministerin aus: „Mit diesem Vorschlag zeigt Ministerin Nahles den verzweifelten Versuch, sich mit kostspieligen sozialpolitischen Wohltaten aus dem 20-Prozent-Tief zu befreien. Das darf die Union nicht zulassen.“

Als Mittel gegen Altersarmut ungeeignet

„Als Mittel gegen Altersarmut ist die sogenannte Lebensleistungsrente ungeeignet“, findet auch die stellvertretende JU-Bundesvorsitzende. „Beim Nahles-Konzept erfolgt keine Bedürftigkeitsprüfung, es wird nicht unterschieden nach Regionen, was insbesondere bei den Wohnkosten das wichtigste sozialpolitische Kriterium ist. Die Zeche zahlen die Bestandsrentner und die nachfolgenden Beitragszahler. Zielführender wäre es, bei konkreter „Altersarmut“ Grundsicherung und Rentenversicherung miteinander zu verbinden und gleichzeitig dafür einheitliche Anlaufstellen zu schaffen, um der „Stigmatisierung“ bedürftiger Rentner entgegenzuwirken. Damit würden die Hilfen gezielt bei denjenigen ankommen, die diese benötigen.“

Sie ist auf Dauer nicht finanzierbar und widerspricht dem rentenpolitischen Grundsatz, dass derjenige, der mehr in die Rentenkasse einzahlt, später auch mehr Rente bekommt.

Hans Michelbach

Aus Sicht des Mittelstandes wäre die geplante Nahles-Staatsrente fatal, sagt Hans Michelbach: „Sie ist auf Dauer nicht finanzierbar und widerspricht dem rentenpolitischen Grundsatz, dass derjenige, der mehr in die Rentenkasse einzahlt, später auch mehr Rente bekommt. Auch ist mehr als zweifelhaft, ob die Lebensleistungsrente überhaupt geeignet ist, um Altersarmut wirksam zu verhindern.“

Denn schon jetzt sind die Sozialausgaben und Zuschüsse zur Rente viel zu hoch, so der CSU-Wirtschafts- und Haushaltspolitiker. „Die strukturellen Probleme in den zukünftigen Bundeshaushalten dürfen nicht weiter verschärft werden. Im Jahr 2020 ist jetzt schon ein Bundeszuschuss zur Rentenkasse von über 100 Milliarden Euro absehbar.“

Staatsquote bald bei über 57 Prozent

Diese Belastungen werden künftig noch wesentlich schlimmer, so Michelbach: „Die Sozialleistungsquote im Gesamthaushalt soll in der mittelfristigen Finanzplanung auf 57,3 Prozent ansteigen, obwohl ab 2020 die große demographische Belastung auf die Sozialkassen einschlagen wird.“

Der Chef der CSU-Mittelstands-Union fordert klar: „Wir müssen grundsätzlich wieder mehr Geld für Investitionen ausgeben und dürfen den Sozialetat nicht weiter aufblähen. Die aktuellen Planungen müssen in ein ordnungspolitisches Gesamtkonzept passen, nachdem das Erwirtschaften vor dem Ausgeben kommt und die Staatsquote nicht weiter erhöht wird. Für eine positive Wirtschaftsentwicklung muss auch in Zukunft das Prinzip drei Mal 40 gelten, mit dem die Staatsquote, Sozialversicherungsbeiträge und Steuerbelastungen die 40-Prozent-Marke nicht übersteigen sollten.“

Nur was zuerst erwirtschaftet wird, kann danach verteilt werden.

Eckhardt Rehberg

Ähnliche Befürchtungen hatte der Chefhaushälter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, formuliert. Er warnte gegenüber der Agentur Reuters, dass die Sozialausgaben ausufern. „Die Entwicklung der Sozialleistungsquote ist problematisch“, sagte Rehberg.

Zwar habe der für das kommende Jahr geplante Bundeshaushalt strukturell einen Schwerpunkt im Bereich soziale Sicherung. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht durch falsche Weichenstellungen einen Trend verfestigen, der uns sowohl im nächsten Wirtschaftsabschwung als auch langfristig auf die Füße fallen kann.“

Keine Notwendigkeit und kein Spielraum für weitere staatliche Wohltaten

Nach den Regierungsplanungen sollen die Sozialausgaben im Bundeshaushalt von 161,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 171,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr steigen. Rechnet man die Zinsausgaben aus dem Bundeshaushalt heraus, steigt der Anteil der Sozialausgaben damit 2017 auf 55,8 Prozent. Bis zum Jahr 2020 klettert die Sozialausgabenquote dann weiter auf 57,3 Prozent. Allein die großen Posten Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, Arbeitslosengeld II und Zuschuss zum Gesundheitsfonds machen etwa 40 Prozent der Gesamtausgaben der Bundesregierung aus.

„Als Haushaltspolitiker sehe ich es kritisch, dass wir in wirtschaftlich guten Zeiten einen so deutlichen Anstieg der Sozialleistungsquote zulassen“, sagte Rehberg. „Nur was zuerst erwirtschaftet wird, kann danach verteilt werden.“ Er sehe derzeit „keine Notwendigkeit und auch keinen finanziellen Spielraum für weitere soziale Wohltaten“. Die von der SPD angestoßene Debatte über ein neues Solidarpaket halte er für „grundfalsch“: „Sie ignoriert bewusst, dass diese Koalition in den vergangenen Jahren bereits viel dafür getan hat, dass es den Menschen in Deutschland auch im europäischen Vergleich sehr gut geht.“

(wog/Reuters)