Nicht jeder Mord soll künftig auch als Mord bestraft werden. (Bild: Imago/Westend61)
Gesetzentwurf

Die Reform von Mord und Totschlag

Justizminister Heiko Maas hat seine Reform der Totschlag- und Mordparagrafen laut einem Bericht des Spiegel fertiggestellt. Das Tötungstabu aufzubrechen, lehnt aber Bayerns Justizminister Winfried Bausback ab. Dies widerspreche der überragenden Bedeutung des Lebens im Grundgesetz. Zudem sei die Reform aufgrund zahlreicher Urteile überflüssig und es gebe weit Wichtigeres zu tun.

Seit fast zwei Jahren doktert Maas an einer Reform des Tötungsrechtes, obwohl es viele Felder in der Justizpolitik gibt, die dringender auf eine Reform warten (der Bayernkurier berichtete). Laut einem Bericht des „Spiegel“ liegt nun ein 40 Seiten starker Gesetzentwurf vor, der „einige Überraschungen“ enthalte. Trotz gegenteiliger Beteuerungen von Maas, es seien nur kleine Korrekturen, hält der Spiegel den Entwurf für „ein grundlegend neues Konzept des Rechtsstaats mit Menschen, die ihren Mitbürgern das Leben rauben“.

Der CSU-Rechtsexperte im Bayerischen Landtag, Florian Herrmann, kritisierte:

Wie so oft: Maas liegt falsch und hält die falschen Themen für wichtig. Eine ‚Reform‘ des Mord-Paragrafen ist unnötig und in der geplanten Form auch kontraproduktiv.

Besonders heikel ist laut Spiegel, dass nicht mehr für jeden Mord die lebenslange Haftstrafe gelten soll, Richter sollen mehr Ermessensspielraum beim Strafmaß erhalten. Dafür würden mehr Handlungen als Mord gelten, die bisher als Totschlag durchgingen. Mehr Mörder, aber geringere Haftstrafen, auf diesen kurzen Nenner bringt das Blatt die Reform. Ein Totschläger soll wie bisher mindestens fünf Jahre in Haft. Mörder, die grausam töten, aus sexueller Lust oder aus Habgier, erhalten danach auch weiter lebenslang.

Die geplanten Änderungen

  1. Änderungen gibt es aber offenbar beim Mordmerkmal Heimtücke, wenn der Täter also die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt, ihn beispielsweise von hinten ersticht. Nun gibt es aber doch einige Fälle, in denen jemand als Mörder aus Heimtücke verurteilt wird, obwohl er mildernde Umstände vorzuweisen hätte. Da ist etwa die jahrzehntelang verprügelte Gattin, die ihren Mann von hinten ersticht, oder der Ehemann, der seine kranke Gattin viele Jahre pflegte, aber sie irgendwann erschöpft im Schlaf tötet. Eine weitere Lücke, die viele Mörder davon kommen ließ: Kleinkinder und Babys sind immer arglos, gebrechliche Menschen immer wehrlos. Hier wurde daher der Mord aus Heimtücke stets verneint. Maas will daher den Begriff der Arglosigkeit streichen.
  2. Auch beim Mordmerkmal der „niederen Beweggründe“ soll es Änderungen geben. Dieses Merkmal wurde durch Richterrecht mittlerweile stark entwickelt. Hierunter fallen etwa krankhafte Eifersucht, Blutrache oder Schandemorde – mit Ausnahmen. Maas ändert hier in „besonders verwerfliche Beweggründe“ um und nennt als Beispiel „menschenverachtende Motive“, so der Spiegel. Damit will er besonders den Rechtsextremisten und Rassisten an den Kragen, die aus Hass morden, wenn laut Entwurf das Opfer „als Repräsentant einer politischen, sozialen oder ethnischen Gruppe getötet wird“. Der Spiegel sieht hier keine entscheidenden Verbesserungen, weil auch diese Begriffe letztlich „vage“ seien.
  3. Änderungen gibt es letztlich auch beim Strafmaß. Das zwingend vorgeschriebene „Lebenslang“ soll in Ausnahmefällen verhandelbar sein: wenn „aus Verzweiflung“ und „aus einer ausweglos erscheinenden Konfliktlage“ getötet wird oder wenn „eine schwere Beleidigung“ oder „Misshandlung“ zum Zorn oder einer „vergleichbar heftigen Gemütslage“ führte, die dann in die Tötung mündete. Dies sind dann eben die genannten Fälle des Haustyrannen oder des erschöpften Pflegenden. In diesen Fällen erscheint es daher künftig einfacher, zu gerechteren Strafen zu kommen.

Der Nationalsozialistische Paragraph

Ein Hauptgrund für die Änderungen liegt wohl in der Entstehung des Paragraphen 211 des Strafgesetzbuches (Mord): Er stammt aus dem Jahr 1941 und ist daher nationalsozialistischen Ursprungs. Insbesondere das Merkmal „niedrige Beweggründe“ war eine Einladung an NS-Richter wie Roland Freisler, sich entweder über den Angeklagten zu empören, oder aber, wenn etwa der Täter ein Nazi war und das Opfer ein Jude, Verständnis für ihn aufzubringen. Zuvor galt seit 1871 eine relativ problemlose Fassung, nach der wegen Mordes bestraft wurde, wer einen anderen Menschen „mit Überlegung“ tötete. Hinzu kommt, dass nach 1945 viele üble NS-Juristen in wichtigen Positionen weitergelehrt oder Urteile gesprochen haben, und daher die Ausformung des Paragraphen 211 auch in der Bundesrepublik beeinflussten. Dies ist natürlich nicht schön, aber reicht das für eine Reform in einem so wichtigen Bereich?

Ablehnung des Vorhabens durch die CSU

Bayerns Justizminister Winfried Bausback lehnt es ab, einen Mörder (theoretisch) nach fünf Jahren wieder frei zu lassen. Dies widerspreche dem im Grundgesetz verankerten überragenden Lebensschutz. Vor dem Hintergrund der jüngsten Terrorattacken dürfe das Tötungstabu nicht aufgeweicht werden. In der Tat: Sowohl im Falle des Haustyrannen, als auch bei der kranken Ehefrau gibt es ja durchaus Alternativen zur Tötung, wie etwa den Gang zur Polizei oder die Überstellung in ein Pflegeheim. Auch wenn das nicht jedem möglich ist oder nicht immer zufrieden stellt.

Der Gesetzgeber würde seiner Verantwortung nicht gerecht, wenn er es in jedem Einzelfall dem Gericht überließe, ob ein Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktioniert wird.

Winfried Bausback

Bausback hatte bereits Mitte 2015 diese Reform abgelehnt (der Bayernkurier berichtete): „Das menschliche Leben hat in unserer Verfassungsordnung eine herausgehobene Sonderstellung. Die Wertschätzung und der Achtungsanspruch für das Leben müssen auch durch die Schärfe der Sanktion unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Etwaige Relativierungen auf diesem Gebiet verbieten sich.“ Zudem appellierte Bausback auch an die Verantwortung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers: „Der Gesetzgeber würde seiner Verantwortung nicht gerecht, wenn er es in jedem Einzelfall dem Gericht überließe, ob ein Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktioniert wird. Diese Grundentscheidung muss er selbst treffen.“

Eine Frage der Rechtssicherheit

Der bayerische Justizminister sah insbesondere zwei große Gefahren: „Zum einen würde dies in einem äußerst sensiblen Bereich zu unterschiedlicher Rechtsanwendung in Deutschland führen und damit gleichzeitig zu Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten. Zum anderen hätte eine Relativierung der lebenslangen Freiheitsstrafe weitreichende Folgen für das System der Strafzumessung insgesamt. Wenn schon die schwerste Straftat nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr mit der Höchststrafe geahndet werden soll, riskieren wir, dass es auch bei anderen schweren Straftaten zu einer Absenkung des Strafniveaus kommt.“ Im Übrigen sei bereits heute sichergestellt, dass nur die Fälle höchststrafwürdiger Tötungen mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet würden, so Bausback. Der Bundesgerichtshof habe in jahrzehntelanger Rechtsprechung den Mordtatbestand in einer Weise rechtsstaatlich ausgeformt, die es der Praxis ermögliche, gerechte Ergebnisse zu erzielen.

Auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Silke Launert, die früher als Richterin und Staatsanwältin gearbeitet hat, sagte schon im April 2015: „Dass die Gerichte nach über 70 Jahren Anwendung Wege gefunden haben, mit diesem Tatbestand umzugehen, dass die Mordmerkmale mehrfach der Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts standgehalten haben und dass durch die Rechtsprechung längst Rechtsicherheit eingetreten ist, scheint Maas zu ignorieren. Stattdessen will er mit einer Reform, die noch nicht einmal im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, das ganze Mord-und-Totschlag-Gerüst neu aufstellen und damit zwangsläufig Rechtsunsicherheiten provozieren.“

§ 211 StGB Mord, aktuelle Fassung

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

 

§ 211 Mord, Fassung vom 15. September 1941 bis 1. Oktober 1953

(1) Der Mörder wird mit dem Tode bestraft.

(2) Mörder ist, wer
  • aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
  • heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
  • um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.

(3) Ist in besonderen Ausnahmefällen die Todesstrafe nicht angemessen, so ist die Strafe lebenslanges Zuchthaus.

 

§ 211 Mord, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 bis zum 15. September 1941

Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.