Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant eine Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber, so lange sie keinen festen Job haben. So soll Ghettobildung in Großstädten verhindert werden. (Foto: Christian Mang)
Anerkannte Asylbewerber

Provinz hat wenig von den Zuwanderern

Die Bundesregierung bereitet eine Wohnsitzpflicht für anerkannte Asylbewerber vor, so lange diese arbeitslos sind. Bundesinnenminister de Maizière will im Mai ein entsprechendes Gesetz vorlegen, das auch Sanktionen für integrations- und arbeitsunwillige Ausländer beinhaltet. Laut einer IW-Studie haben strukturschwache Gegenden bislang wenig von den Zuwanderern.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will integrations- und arbeitsunwillige Zuwanderer mit Sanktionen belegen. Unter anderem will er Flüchtlingen einen dauerhaften Aufenthalt verwehren, wenn sie Deutschkurse verweigern und Arbeitsangebote ausschlagen. Der CDU-Politiker kündigte an, er wolle spätestens im Mai ein entsprechendes Integrationsgesetz vorlegen. Darin soll auch eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge enthalten sein.

Schon lang befürwortet de Maizière eine Wohnsitzpflicht für anerkannte Asylbewerber, so lange diese keinen festen Arbeitsplatz haben. Soziale Probleme in Ballungszentren sollten damit vermieden werden, sagte der Minister. „Wir müssen das jetzt intern zwischen CDU, CSU und mit der SPD bereden.“ Die CDU hatte bereits auf ihrem Karlsruher Parteitag im Dezember eine zeitlich begrenzte Wohnsitzauflage ins Spiel gebracht, um eine Abwanderung in Großstädte zu unterbinden und eine gleichmäßige Verteilung in den Regionen sicherzustellen.

Gabriel befürchtet „richtige Ghetto-Probleme“

Auch Kanzleramtschef Peter Altmaier sprach sich für eine solche Wohnsitzauflage aus. Er sehe „eine große Chance, eine solche Wohnsitzauflage in den nächsten Wochen gemeinsam zu vereinbaren“, sagte Altmaier. So könne verhindert werden, dass alle Flüchtlinge in die Großstädte gingen und dort „die Probleme in kurzer Zeit gesteigert werden“.

Ganz ähnlich äußerte sich Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). „Sonst ziehen die anerkannten Asylbewerber in die Großstädte“, warnte er. Da ballten sich Schwierigkeiten, „und wir kriegen richtige Ghetto-Probleme“. Gabriel sagte: „Wir müssen Integration nicht nur fördern, sondern auch fordern.“ Voraussetzung sei, dass genug Sprach- und Integrationskurse im Angebot seien.

Verstöße wie auch die Verweigerung von notwendigen Sprachkursen sollten mit Leistungskürzungen geahndet werden können.

Gerd Landsberg, DStGB

Sogar die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (ebenfalls SPD), befürwortet den Plan, Flüchtlinge bei der freien Wahl des Wohnsitzes einzuschränken. Für einen befristeten Zeitraum von maximal zwei Jahren könne eine solche Wohnsitzauflage sinnvoll sein, um vor allem Großstädte zu entlasten, sagte Özoguz. Wichtig sei, anerkannte Flüchtlinge schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen Angebote zu machen.

Unterstützung bekam de Maizière ebenfalls vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. „Verstöße wie auch die Verweigerung von notwendigen Sprachkursen sollten mit Leistungskürzungen geahndet werden können“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Die gewaltige Aufgabe der Integration von Flüchtlingen sei nur zu meistern, wenn es dafür klare Spielregeln gebe.

Berlin warnt vor Überforderung

Die Berliner Landesregierung warnt vor einer Überforderung der Großstädte durch Flüchtlinge, die nach ihrer Anerkennung als Asylbewerber in die Ballungsräume ziehen oder von kleineren Kommunen sogar dorthin geschickt werden. In Berlin sei festzustellen, dass anerkannte Flüchtlinge aus dem ländlichen Raum und gerade aus den neuen Bundesländern besonders häufig in die Hauptstadt kämen, sagte der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU).

Manchmal ist es auch einfacher, eine handwerkliche Tätigkeit in einem Ausbildungsbetrieb in Brandenburg, in Schwerin oder in Dresden zu erlernen, als das in Berlin der Fall ist.

Mario Czaja, Gesundheitssenator Berlin

Manchmal habe er sogar den Eindruck, dass Flüchtlinge aus anderen ostdeutschen Bundesländern geradezu nach Berlin geschickt würden. „Wir brauchen eine Zuzugsbegrenzung für jene die noch in den sozialen Sicherungssystemen sind“, forderte Czaja. „Und manchmal ist es auch einfacher, eine handwerkliche Tätigkeit in einem Ausbildungsbetrieb in Brandenburg, in Schwerin oder in Dresden zu erlernen, als das in Berlin der Fall ist.“

Asylbewerber haben erst seit kurzem Zugang zu Integrationskursen – sofern sie gute Aussicht auf eine Bleiberecht in Deutschland haben. Ihre Teilnahme ist freiwillig. Wer sein Asylverfahren schon erfolgreich angeschlossen hat, kann dagegen von der Ausländerbehörde zur Teilnahme verpflichtet werden. Von 2005 bis 2014 passierte das laut Innenressort bei fast 467.000 Menschen, in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres seien gut 70.000 Menschen dazu verpflichtet worden. Gesamtzahlen für 2015 gebe es noch nicht. Zur Zahl der „Integrationskursverweigerer“ lägen keine Erkenntnisse vor.

IW Köln fordert regionale Zuwanderungs-Steuerung

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) haben dünn besiedelte und strukturschwache Gegenden bisher kaum etwas von der Zuwanderung – weder aus der EU noch von Flüchtlingen. Laut der Studie „Regionale Fachkräftesicherung durch Zuwanderung“ zieht es alle Zuwanderer vor allem in Gegenden, in denen bereits Verwandte, Freunde und andere Landsleute leben. Und das sind nun einmal die Großstädte und Ballungsräume.

Daher fordert das IW eine Reform des Zuwanderungsrechts: „Die regionalen Unterschiede müssen beim Zuwanderungsrecht stärker berücksichtigt werden“, fordert der Autor Wido Geiss in der Welt. So könnten Gehaltsgrenzen für potenzielle Zuwanderer regional unterschiedlich ausgestattet werden, um strukturschwache Gegenden attraktiver zu machen. Ländliche Regionen müssten vor allem aktiver um Zuwanderung werben.

(dpa/Reuters/ARD/Welt/wog)