Stuben für Süchtige in den Brennpunktstädten
"Drogenkonsumräume" für München und Nürnberg fordert der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Josef Mederer, in einem Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer. Für 2015 verzeichnete der Freistaat 314 Drogentote - so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht. Experten hoffen, dass die Fixerstuben die hohe Opferzahl zu senken helfen. Gesundheitsministerin Melanie Huml lehnt sie jedoch ab.
Drogen

Stuben für Süchtige in den Brennpunktstädten

"Drogenkonsumräume" für München und Nürnberg fordert der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Josef Mederer, in einem Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer. Für 2015 verzeichnete der Freistaat 314 Drogentote - so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht. Experten hoffen, dass die Fixerstuben die hohe Opferzahl zu senken helfen. Gesundheitsministerin Melanie Huml lehnt sie jedoch ab.

Noch in der Nacht des Silvestertags entdeckt die Nürnberger Polizei die letzten bayerischen Drogentoten des Jahres 2015. In seiner Wohnung im Stadtteil Schniegling stirbt ein 47-Jähriger an einer Überdosis, ebenso wie ein 30-Jähriger in Gleißhammer, neben dem die Beamten noch sein Fixerbesteck finden. Und das neue Jahr beginnt, wie das alte aufgehört hat. Mitte März fand die Münchner Polizei einen 38-jährigen Junkie auf einer U-Bahntoilette, der später im Krankenhaus starb – der Drogentote Nummer 16 in der Landeshauptstadt. Damit ist die Metropole beinahe auf demselben hohen Stand wie im Vorjahreszeitraum.

Das Jahr 2015 markiert für Bayern ohnehin einen tragischen Rekord. 314 Menschen erlagen ihrer Sucht, davon 66 in München und 25 in Nürnberg. Die Drogenfahnder des Landeskriminalamtes beobachten zwei fatale Trends: Einerseits den vermehrten Konsum von Crystal Meth speziell in den Regionen entlang der Grenze nach Tschechien, wo illegale Labore den Stoff produzieren. Und andererseits Heroin, das Dealer nach einer Rekordernte in Afghanistan in besonders hohem Reinheitsgrad auf den Markt bringen, um mit den synthetischen Drogen zu konkurrieren. Nicht wenige Süchtige unterschätzen die Wirkung und finden so den Tod.

Vorstoß der bayerischen Regierungsbezirke

Die steigenden Opferzahlen beunruhigen die bayerischen Behörden. Für die beiden „Brennpunktstädte“ München und Nürnberg fordert nun der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Josef Mederer (CSU), die Einrichtung so genannter Drogenkonsumräume. In einem Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer setzt sich Mederer, zugleich Bezirkstagspräsident von Oberbayern, für Modellversuche in den beiden Großstädten ein: In den Fixerstuben sollen Konsumenten ihren Stoff unbehelligt von der Polizei spritzen können. „Solche Räume sind wichtig, weil sie Drogenabhängige von der Straße bringen und sie ihnen einen überwachten und sauberen Konsum ermöglichen.“ Dies sei eine Chance, Hapatitis-Infektionen zu verhindern und im Falle einer Überdosierung rasch medizinisch einzugreifen.

In einer Abstimmung haben sich die bayerischen Bezirke für diesen Vorstoß ausgesprochen. Sie bieten in mehreren Regionen Suchthilfe in öffentlichen Kliniken an, und sind deshalb nahe am Thema. An 114 Standorten unterhalten die Bezirke quer durch den Freistaat ein Netz von psychosozialen Suchtberatungsstellen, für die sie jährlich 33 Millionen Euro ausgeben. Viele Drogenexperten dieser Einrichtungen empfehlen Drogenkonsumräume als probates Mittel, der steigenden Zahl von Drogentoten entgegenzuwirken.

Fixerstuben in Deutschland

Sechs Bundesländer – Hessen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Niedersachsen, Berlin und Hamburg – unterhalten solche Räume, seit der Bund ihnen zur Jahrtausendwende gesetzlich die Möglichkeit dazu einräumte. Mederer bittet Seehofer in seinem Brief nun „dringend, von dieser Verordnungsermächtigung zeitnah Gebrauch zu machen“. Was andere Länder können, schaffe der Freistaat erst recht, argumentiert er.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml lehnt solche Räumlichkeiten für Schwerstabhängige allerdings ab. Dafür gebe es „gute Gründe“, sagt sie. So hält sie es für einen Widerspruch, wenn einerseits Besitz und Erwerb von Rauschgift strafrechtlich verfolgt würden, aber andererseits der Konsum staatlicherseits erleichtert und geschützt werde. „Natürlich ist der Anstieg der Zahl der Drogentoten besorgniserregend“, räumt die Ministerin ein. Der Vorstoß von Bezirkstags-Präsident Mederer zeige ihr, „dass es dort Gesprächbedarf gibt“.

Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), hat sich in Interviews bislang gegen Drogenkonsumräume ausgesprochen: „Ziel drogenpolitischer Maßnahmen bei Abhängigkeit von Opiaten wie Heroin ist aus Sicht der CSU die Abstinenz.“ Auf ihrer Internet-Seite zählt Frau Mortler die Drogenkonsumräume allerdings mittlerweile „zu den präventiven und schadensminimierenden Maßnahmen für Drogenkonsumenten“.