IS nimmt Deutschland ins Visier
Der IS breitet sich nach Deutschland aus: Eine aus Marokko stammende 15 Jahre alte mutmaßliche IS-Sympathisantin sticht einen Polizisten in Hannover nieder. Während ein geständiger IS-Terrorist aus Dinslaken für seine Taten in Syrien zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wird, nimmt die Polizei in Berlin einen Salafisten fest, der einen IS-Selbstmordattentäter rekrutiert haben soll.
Islamistischer Terror

IS nimmt Deutschland ins Visier

Der IS breitet sich nach Deutschland aus: Eine aus Marokko stammende 15 Jahre alte mutmaßliche IS-Sympathisantin sticht einen Polizisten in Hannover nieder. Während ein geständiger IS-Terrorist aus Dinslaken für seine Taten in Syrien zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wird, nimmt die Polizei in Berlin einen Salafisten fest, der einen IS-Selbstmordattentäter rekrutiert haben soll.

Der geständige islamistische Terrorist Nils D. aus Dinslaken ist vom Düsseldorfer Oberlandesgericht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der 25-Jährige sei Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, habe ihr in Syrien auf vielfältige Weise gedient und ihrem Anführer die Treue geschworen, begründete die Richterin Barbara Havliza die Entscheidung. „Die Strafe wäre ohne Geständnis weitaus höher ausgefallen“, betonte sie.

Der vorbestrafte Arbeitslose aus Dinslaken habe in einer Spezialeinheit des IS, dem sogenannten Sturmtrupp, reihenweise Menschen verhaftet und in Folter-Gefängnisse gebracht. Dazu sei er mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und Handgranaten bewaffnet gewesen. Zeitweise habe er auch einen Sprengstoffgürtel getragen.

Nach dem Freitagsgebet wurde geköpft

Das Gericht wertete die Schilderungen des Konvertiten als wahr: „Nach dem Freitagsgebet wurde geköpft.“ Auch Erschießungen und Kreuzigungen seien an der Tagesordnung gewesen. Ein Komplize aus Deutschland habe mit einem abgeschlagenen Kopf an einem Kreisverkehr für ein Foto posiert. Auch D. sei auf einem Foto zu sehen: Darauf halte er einem gefesselten Gefangenen eine Pistole an den Hinterkopf.

Die Fotos, sichergestellte Facebook-Chats sowie abgehörte Telefonate und Gespräche in seinem Auto hätten den Angeklagten überführt. Sein Geständnis sei aber darüber hinaus in einer Reihe von anderen Strafverfahren wertvoll. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hat D. zwölf Komplizen belastet.

Rückkehr nach Deutschland im Auftrag des IS?

„Es sprechen einige Anhaltspunkte dafür, dass er mit einem Auftrag des IS nach Deutschland zurückgekehrt sein könnte“, sagte Havliza. Noch zurück in der Heimat habe er den IS und seine Ideen verteidigt, erst im Prozess distanzierte er sich von der Terrormiliz. Mit seinem Geständnis habe er aus Sicht des IS „Verrat begangen“, was eine Rückkehr in dessen Reihen ausschließen dürfte, sagte Havliza.

Die Bundesanwaltschaft hatte für den 25-Jährigen vier Jahre und neun Monate Haft beantragt. Die Verteidiger hatten vier Jahre gefordert. Er gehörte einer Gruppe von Salafisten an, die sich aus Dinslaken-Lohberg nach Syrien abgesetzt hatte.

Berlin: Arabischer Arzt aus Mannheim als IS-Rekrutierer festgenommen

Der mutmaßliche Rekrutierer eines islamistischen Selbstmordattentäters ist in Berlin festgenommen worden. Der aus Arabien stammende Arzt aus Baden-Württemberg habe geholfen, einen späteren Selbstmordattentäter des IS mithilfe von Propagandavideos zu radikalisieren, teilten das Landeskriminalamt und die Karlsruher Staatsanwaltschaft mit. Außerdem habe der Mannheimer Salafist die Ausreise des 24-Jährigen mitorganisiert – er habe ihm das Ticket gekauft und militärisches Zubehör besorgt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Tobias Wagner.

Der 24-Jährige verübte demnach am 18. Mai 2015 für die IS-Terrorgruppe in der nordirakischen Stadt Baidschi einen Selbstmordanschlag. Mindestens zwölf irakische Regierungssoldaten sollen getötet worden sein. Nach dem Anschlag geriet der Arzt ins Visier der Ermittler.

Einen geistig Behinderten zum Selbstmordattentat überredet

Beide Männer wohnten einst in Freiburg. Der Jüngere sei im Oktober 2014 in das syrisch-irakische Krisengebiet gereist, um sich dort einer dschihadistischen Miliz anzuschließen. Er war nach Angaben des LKA geistig eingeschränkt und leicht beeinflussbar. „Er stand unter Betreuung“, sagte Staatsanwalt Wagner.

Der festgenommene Arzt sei deutscher Staatsangehöriger, eines seiner Elternteile komme aber aus dem arabischen Raum. Inwieweit der 33 Jahre alte Arzt den jungen Mann aufgrund seiner psychischen Labilität bewusst als späteren Attentäter ausgesucht haben könnte, sei Gegenstand der Ermittlungen. Bei Durchsuchungen in Berlin und in Mannheim wurden unter anderem eine optische Zielvorrichtung für eine Schusswaffe sowie Mobiltelefone und elektronische Datenträger sichergestellt.

Vorwurf: Schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet

Die zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft dem Mannheimer Salafisten Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Der 33-Jährige wird nun dem Amtsgericht Karlsruhe vorgeführt, das über eine Untersuchungshaft entscheidet.

Mehr als 780 deutsche Islamisten sind bislang in das Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak ausgereist – ein Drittel von ihnen ist inzwischen wieder in Deutschland, mehrere Dutzend sind laut Verfassungsschutz tot. Die Sicherheitsbehörden ordnen etwa 1000 Personen in Deutschland dem „islamistisch-terroristischen“ Spektrum zu.

15-Jährige sticht Polizist in Hannover nieder

Nach der Messerattacke einer 15-Jährigen auf einen Polizisten im Hauptbahnhof Hannover prüfen die Ermittler ein islamistisches Motiv. Eine These sei von Anfang an auch ein religiöser, politischer Hintergrund gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Der Bundespolizist war bei dem Angriff schwer verletzt worden.

Nach Informationen des Focus geht die Polizei davon aus, dass es sich bei der Tat um einen gezielten Angriff mit terroristischem IS-Hintergrund handelt. Dazu sagte Klinge: „Ich bin da sehr viel vorsichtiger.“ Die Deutsch-Marokkanerin habe sich vor dem Angriff im Ausland aufgehalten. Wo genau sie war, werde noch geprüft. „Gerade in Bezug auf den IS haben wir noch keinerlei Erkenntnisse, dass sie da in direkter Beziehung steht.“

Bei Personenkontrolle ein Küchenmesser in den Hals gerammt

Zu den Focus-Informationen, die Jugendliche habe sich an der türkisch-syrischen Grenze aufgehalten, sagte Klinge: „Das sind Informationen, die wir bekommen haben, die können wir noch nicht bestätigen.“ Die Deutsch-Marokkanerin sei im Ausland gewesen. „Ob sie sich in Richtung Grenze bewegt hat, werden die Ermittlungen zeigen.“ Laut Focus hatte die Mutter sie zurückgeholt. Sie befürchtete eine Radikalisierung. Auch dazu wollte Klinge keine Details nennen: „Es ist ein Jugendverfahren. Ich muss da ganz zurückhaltend sein.“

Die Schülerin hatte dem 34 Jahre alten Beamten bei einer Personenkontrolle unvermittelt ein Küchenmesser in den Hals gestoßen. Ein Kollege des Verletzten konnte die Jugendliche überwältigen und entwaffnen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 15-Jährige wegen versuchten Mordes. Sie war zuvor bereits mehrfach aktenkundig geworden, unter anderem wegen Diebstahls und Körperverletzung.

„Wir sind auf der Suche nach dem Motiv“, sagte Klinge. „Unsere erste These war, dass sie eine psychische Störung haben könnte.“ Die 15-Jährige selber hatte bei ihrer Vernehmung gesagt, dass es zu der Tat ganz spontan gekommen sei, weil sie sich so geärgert habe über die Kontrolle. Nach Informationen der Bild-Zeitung hatte die Jugendliche die Beamten im Bahnhof mit starrem Blick verfolgt, woraufhin diese sich zu einer Kontrolle entschlossen. Auf einem Überwachungsvideo sei dies zu sehen. Zu diesen Angaben sagte die Staatsanwaltschaft nichts.

Bundeskriminialamt hat interne IS-Dokumente

Bei der Suche nach IS-Kämpfern in Deutschland können sich die Polizeibehörden inzwischen auf Dokumente stützen, die aus dem Inneren der Terrormiliz kommen sollen und Informationen zu deutschen Kämpfern enthalten. Das berichten SZ, NDR und WDR. In den Dokumenten sollen sich auch Namen von Islamisten finden, die nach ihrer Rückkehr nach Deutschland bisher unbehelligt blieben – sie hatten demnach bisher abgestritten, beim IS gewesen zu sein.

Das Material soll aus Befragungen von IS-Anhängern stammen – nach der Einreise in das von der Terrororganisation beherrschte Gebiet in Syrien. Ausländische Kämpfer müssen demnach beim IS in einer Art Personalbogen ausführlich Angaben zu ihrer Person und ihren Qualifikationen machen. Ein BKA-Sprecher bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass seiner Behörde derartige Papiere vorliegen – und dass die Experten sie für echt halten. Das Material soll nun bei Ermittlungen und der Strafverfolgung helfen.

„Wir gehen davon aus, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um echte Dokumente handelt“, sagte der BKA-Sprecher. „Wir nutzen diese nun zur Strafverfolgung und für gefahrenabwehrende Maßnahmen.“Zu Details äußerte er sich nicht. Auch welchen Umfang das Material insgesamt hat und auf welchem Weg das BKA an die Papiere gekommen ist, ließ er offen. Aus anderen Sicherheitskreisen hieß es ebenfalls, das Material sei vermutlich authentisch und könne für die weitere Arbeit sehr wertvoll sein.

dpa/wog