Alles kuscht vor dem Chef: Russlands Präsident Wladimir Putin. (Bild: Imago/Itar-Tass/Artyom Korotayev)
Moskauer Gehirnwäsche

Geheimdienste sollen Kreml-Propaganda untersuchen

Die russischen Medien sind stark in Deutschland aktiv und greifen immer mehr in die Innenpolitik ein. Kürzlich zu sehen war das an vielen Russlanddeutschen, die - angestachelt von Kreml-Propaganda - wegen der angeblichen Vergewaltigung einer 13-jährigen in Berlin auf die Straße gingen und protestierten. Die deutschen Geheimdienste sollen die Moskauer Propaganda nun umfassend untersuchen.

Die deutschen Nachrichtendienste sollen offenbar im Auftrag der Bundesregierung untersuchen, ob, wie und mit welchem Ziel Russland mit gezielter Propaganda die Kanzlerin schwächen und Deutschland systematisch destabilisieren will. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung wollen das Kanzleramt und einige Ministerien so in Erfahrung bringen, wie es in jüngster Vergangenheit zur Häufung von Desinformation gekommen sei. „Wir wollen wissen, ob dahinter ein Konzept steckt“, wurde eine mit den Untersuchungen vertraute Person zitiert. Das ZDF brachte vor kurzem eine entsprechende Reportage (der Bayernkurier berichtete).

Für das Ergebnis der Nachforschungen von Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz interessieren sich laut dem Bericht sowohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch das Bundespräsidialamt. Im Kanzleramt beaufsichtigt demnach der für die Geheimdienste zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche die laufenden Ermittlungen. Auch das Auswärtige Amt sei eingebunden.

Deutschland kurz vor dem Zusammenbruch?

Seit den Übergriffen von Köln in der Silvesternacht wird Deutschland in russischen Medien verstärkt als Land kurz vor dem Zusammenbruch dargestellt. So wurde die Silvesternacht von Köln mit der „Reichskristallnacht“ 1938 verglichen. Die Botschaft Kreml-treuer Medien lautet: Europa ist schwach, ein unsicherer Ort, überrannt von Fremden. Die großen Fernsehsender beeinflussen zudem auch viele der etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland, die aus der früheren Sowjetunion stammen. Zu beobachten war dies etwa im Fall der vermeintlichen Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen aus Berlin. Im russischsprachigen Internet schlugen die Gerüchte hohe Wellen.

Über was man nicht berichtet, das kann man auch nicht entstellen.

Internetkommentar

Seit dem Start von RTdeutsch erreicht die Moskauer Propaganda auch immer mehr deutsche links- wie rechtsgerichtete EU-Kritiker. Bei dem Sender gibt es offenbar eine Vorliebe für die Theorie, dass in anderen Medien immer etwas verschwiegen und entstellt wird – während RTdeutsch das offensichtlich selbst so macht. „Kritisches zur russischen Regierung oder zu den Verhältnissen im Land, auch zu den Verbündeten Russlands, wird man hier vergeblich suchen. Aber über was man nicht berichtet, das kann man auch nicht entstellen“, meint ein Kommentator der Internet-Plattform Telepolis.

In Berlin gehen manche deshalb von gezielter „Kreml-Propaganda“ aus, die Zwietracht zwischen den EU-Staaten sähen soll. „Wer ein neues System in Europa will, der muss an Deutschland und seine Kanzlerin ran“, wurde ein hoher Beamter aus dem außenpolitischen Apparat in dem Bericht zitiert.

US-Geheimdienste untersuchen Moskauer Einfluss auf EU-kritische Parteien

Der US-Kongress hat laut einem britischen Zeitungsbericht bereits im Januar die nationalen Geheimdienste beauftragt, weitreichende Untersuchungen über EU- und Nato-kritische Parteien in Europa durchzuführen. Die Amerikaner vermuten, dass diese Parteien von Russland unterwandert sind. Sollten die Geheimdienste zur Auffassung gelangen, dass sich der Verdacht bestätigt, könnten den Parteien weitreichende Konsequenzen drohen.

Wir sehen alarmierende Beweise für die russischen Bemühungen, die Struktur der Einheit Europas anhand von einigen lebenswichtigen strategischen Themen zu zerstören.

Telegraph

Der britische Telegraph berichtet, dass der US-Direktor für die Geheimdienste, James Clepper, vom Kongress beauftragt wurde, eine russische Unterwanderung der EU-kritischen Parteien in Europa zu untersuchen. Die Amerikaner sehen in einem heimlichen Einfluss Russlands den Versuch, „die Nato zu unterminieren, die Stationierung von US-Raketen zu blockieren und die Straf-Sanktionen gegen Russland zu widerrufen, die nach der Annexion der Krim verhängt wurden“, schreibt die Zeitung. Die EU soll den Untersuchungen, die ein Novum für die europäischen Demokratien sind, laut Telegraph zugestimmt haben.

Im Visier der Amerikaner: Front National, Lega Nord, Jobbik, FPÖ

Betroffen sind EU-skeptische Parteien in Frankreich, den Niederlanden, Ungarn, Österreich und Tschechien. Die Untersuchung soll herausfinden, ob die „politische Kohäsion“ in Europa von den Russen unterminiert wird. Der Telegraph geht davon aus, dass die Lega Nord in Italien, die rechtsextreme Jobbik in Ungarn, der Front National in Frankreich und die FPÖ in Österreich betroffen sind. Auch das ZDF hatte dies in seiner Dokumentation berichtet.

Eine anonyme Quelle sagte dem Telegraph: „Es herrscht ein Kalter Krieg da draußen. Wir sehen alarmierende Beweise für die russischen Bemühungen, die Struktur der Einheit Europas anhand von einigen lebenswichtigen strategischen Themen zu zerstören.“

(dpa/Telegraph/Telepolis/wog)