Der Großstadtbeauftrage der CDU-Bundestagsfraktion, Kai Wegner. (Bild: Imago / Lars Berg)
CDU-Großstadtpolitiker

„Wir wollen keine Pariser Verhältnisse“

Der CDU-Großstadtpolitiker Kai Wegner warnt vor den Folgen einer zu einseitigen Unterbringung von Flüchtlingen. Man müsse die Bildung von "Ghettos" unbedingt verhindern, sagt der Politiker. Es dürften keine Verhältnisse wie etwa in Frankreichs Hauptstadt Paris entstehen. Wegners Sorgen sind nicht unbegründet: In Berlin entsteht zur Zeit eine regelrechte Flüchtlingsstadt mit 7.000 Einwohnern.

Der Großstadtbeauftragte der CDU-Bundestagsfraktion, Kai Wegner, hat vor der Entstehung von „Flüchtlingsghettos“ in Deutschland gewarnt. In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt sagte Wegner, in Berlin entstünde in den letzten Monaten im Stadtteil Tempelhof eine regelrechte Flüchtlingsstadt mit 7.000 Einwohnern. Das sei in Berlin leider zu erwarten gewesen, so der CDU-Politiker. „Die großen Städte sind natürlich besonders betroffen, weil wir in Ballungsgebieten nicht die Flächen haben wie auf dem Land.“ Zusätzlich herrschten hier auch soziale Probleme vor, die man in den ländlichen Gebieten so nicht kenne, betonte Wegner.

„Die großen Städte haben ihre Belastungsgrenze erreicht“

Zwar ist gerade im Fall Berlin-Tempelhof die Bildung der Flüchtlingssiedlung gesetzlich auf drei Jahre befristet – „die Gefahr, dass sich hier Ghettos bilden, sehe ich aber auch“, gab Wegner unumwunden zu. Es sei nicht gut für die Integration der Menschen, wenn man solche Großunterbringungsstellen schaffe oder Turnhallen belegen müsse. „Die großen Städte haben ihre Belastungsgrenze erreicht“, stellte Wegner fest. Der CDU-Politiker muss es wissen: Er ist Großstadtbeauftragter seiner Fraktion, ist gebürtiger Berliner und hat jahrelang in der Berliner Stadtpolitik gewirkt.

Menschen, die in ein fremdes Land kommen, gehen am liebsten in die großen Städte, vor allem weil dort schon viele ihrer Landsleute leben.

Kai Wegner, CDU

Die Flüchtlinge müssten nach dem Wunsch Wegners auch stärker auf die ländlichen Regionen aufgeteilt werden. Das aber ist gar nicht so leicht – denn oft wollen die Flüchtlinge ganz bewusst in einer Metropolregion bleiben. „Menschen, die in ein fremdes Land kommen, gehen am liebsten in die großen Städte, vor allem weil dort schon viele ihrer Landsleute leben“, erklärt Wegner. Auch nach Berlin seien viele gekommen, die gar nicht zugewiesen worden waren. Daher schlägt die CDU sogenannte „Wohnortauflagen“ im Rahmen eines „Wohnortzuweisungsgesetzes“ vor. „Die Menschen können dann Leistungen nur dort beziehen, wo sie zugewiesen wurden“, erklärt Wegner. Dadurch könnten die großen Städte erst einmal entlastet werden.

„Es geht zunächst einmal um eine kurzfristige Entlastung“ – Wohnungsbau für alle

Es sei für die Menschen in den Städten nicht verständlich, dass es auf dem Land Leerstände gebe, während in den Städten Turnhallen für die Ankommenden reserviert werden müssten. Dabei ist sich Wegner durchaus bewusst, dass eine Neuregelung der Leistungsbezüge für die Großstädte nur eine kurzfristige Entlastung darstellen kann. „Die Städte wachsen, sie sind attraktiv, deshalb brauchen wir in erster Linie Wohnungsbau“, fordert Wegner. „Und zwar nicht nur für geflüchtete Menschen, sondern für alle – auch für die Alleinerziehende, die Familie und den Rentner.“ Ihm sei wichtig, „dass wir eine soziale Durchmischung hinbekommen und sich keine Ghettos bilden“. Denn wozu das führe, könne man sehr gut in der französischen Hauptstadt beobachten, findet Wegner. „Ich möchte keine Pariser Verhältnisse in unseren Städten.“

Schreckgespenst „Banlieue“

Tatsächlich gelten die „Banlieues“ mit ihren sehr großen Ausländeranteilen im Speckgürtel von Paris als das Beispiel gescheiterter Integration. Seit den großen Unruhen von 2005 ist die Bezeichnung für die von hoher Kriminalität und starken sozio-ökonomischen Unterschieden geprägten Vorstädte auch Nicht-Franzosen ein Begriff. Auslöser für die Gewalt waren damals Gerüchte um den Tod zweier Jugendlicher aus in Frankreich lebenden Immigrantenfamilien, die im Oktober 2005 in Paris auf der Flucht vor der Polizei die Absperrung zu einem Transformatorenhäuschen überwanden und dort von Stromschlägen tödlich getroffen wurden. Bei den tagelangen Unruhen wurde ein Franzose getötet, fast 8500 Autos zerstört und etwa 2500 Personen festgenommen. Die Unruhen hatten auch auf andere französische Städte wie Nantes oder Rennes übergegriffen und hatten in ganz Europa eine Diskussion über Ghettobildung und nicht integrierte Jugendliche losgetreten.

Der ländliche Raum im Nachteil

Natürlich gibt es auch Nachteile, wenn die Flüchtlinge in erster Linie auf dem Land untergebracht würden, insbesondere in kleinen Orten, wo ihre Zahl die der Einwohner übertrifft. Überdies fühlen sich viele Bewohner im ländlichen Raum ohnehin von den „Städtern“ benachteiligt und ihre Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt. Würde sich nun die Verteilungsquote der Flüchtlinge zu Lasten der ländlichen Räume entscheidend verändern, käme es sicher und nicht zu Unrecht zu Protesten.