EU sieht Ankara in der Pflicht
Die EU-Kommission zieht Bilanz in der Flüchtlingskrise. Durch die Einführung der Visa-Pflicht reisten deutlich weniger Syrer in die Türkei ein. Von Deutschland und sechs anderen Staaten erwartet die EU-Kommission binnen zwei Monaten Verbesserungen im Asylsystem.
Europäische Asylpolitik

EU sieht Ankara in der Pflicht

Die EU-Kommission zieht Bilanz in der Flüchtlingskrise. Durch die Einführung der Visa-Pflicht reisten deutlich weniger Syrer in die Türkei ein. Von Deutschland und sechs anderen Staaten erwartet die EU-Kommission binnen zwei Monaten Verbesserungen im Asylsystem.

Im Januar flüchteten weniger Asylbewerber über die Türkei nach Europa als noch Ende 2015. Im Schnitt seien es 2186 Menschen pro Tag gewesen, teilte die EU-Kommission mit. Im Oktober waren es noch fast 7000 pro Tag, im Dezember rund 3500. Grund dafür sieht die Brüsseler Behörde in der Einführung der Visa-Pflicht. Dadurch seien deutlich weniger Syrer aus dem Libanon und Jordanien in die Türkei eingereist. Auch die Öffnung des türkischen Arbeitsmarktes für Schutzsuchende aus dem Nachbarland Syrien sei ein weiterer wichtiger Schritt gewesen, die Menschen von der Weiterreise nach Europa abzuhalten. Die EU-Kommission rief die Regierung in Ankara dazu auf, den mit der EU vereinbarten Aktionsplan weiter umzusetzen. Am 17. Februar soll sich zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe treffen, um über mögliche Projekte zu entscheiden. Sie sollen im Rahmen des drei Milliarden Euro schweren Hilfspakets für die Türkei von der EU finanziert werden.

Wenn die Türkei nicht anfängt zu liefern, was wir vereinbart haben, wird es sehr, sehr schwierig, mit der Situation fertig zu werden.

Dimitris Avramopoulos, EU-Migrationskommissar

Der Kampf gegen Menschenschmuggler sei eine Frage des politischen Willens. Er legte eine Bilanz vor zum Umgang Europas mit der Flüchtlingskrise.

Deutschland verletzt Mindestnormen

Deutschland und sechs anderen EU-Staaten wirft die EU-Kommission derweil Mängel im Asylsystem vor. Die Bundesregierung habe zwei EU-Richtlinien nicht richtig umgesetzt, in denen es um Mindestnormen für Asylverfahren und bei der Aufnahme von Bewerbern geht, hieß es. Die EU-Kommission treibt deshalb die bereits im September eröffneten Verfahren wegen Verletzung europäischen Rechts weiter voran. Auch bei Estland, Slowenien, Griechenland, Frankreich, Italien und Lettland erwartet die EU-Kommission innerhalb von zwei Monaten Verbesserungen in Bezug auf eine oder beide Richtlinien. Österreich, das in der Flüchtlingskrise einen zunehmend harten Kurs fährt, will angesichts der „Notlage“ in dem Land in diesem Jahr 30 Prozent weniger Flüchtlinge als geplant aufnehmen. Eigentlich sollte das Land 1953 Menschen dieser Gruppe aufnehmen. Lobend hob die Behörde hervor, dass inzwischen 78 Prozent der Flüchtlinge per Fingerabdruck registriert werden – gegenüber nur 8 Prozent im September. In Italien liegt die Quote inzwischen bei 87 Prozent.

Umverteilung verläuft schleppend

Griechenland ist für viele Migranten, die über die Türkei kommen, das Tor zur Europäischen Union. Doch von geplant 160.000 Menschen sind laut EU-Kommission erst 481 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland umverteilt. Avramopoulos drängt darauf, dass sein Heimatland Griechenland die Versorgung von Flüchtlingen deutlich verbessern müsse. Andere EU-Staaten schicken bereits seit Jahren keine Migranten mehr zurück nach Griechenland seit höchste europäische Gerichte die Bedingungen dort als fragwürdig eingestuft hatten. Nach den sogenannten Dublin-Regeln ist jener Staat für Asylverfahren verantwortlich, in dem Flüchtlinge zuerst den Boden der Europäischen Union betreten haben. Europaabgeordnete wie die grüne Politikerin Ska Keller nimmt Griechenland in der Flüchtlingskrise in Schutz.

„Griechenland braucht Hilfe“

Bei der Erstaufnahme der Flüchtlinge erhalte das wirtschaftlich gebeutelte Athen nicht genug Hilfe, beklagte Keller gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Griechenland soll Renten kürzen, aber gleichzeitig riesige Registrierungszentren aus dem Boden stampfen. Griechenland darf gerade keine neuen Leute einstellen“, sagte die Politikerin mit Blick auf Reformauflagen der Geldgeber des hoch verschuldeten Landes. „Es gibt ja die absurde Erwartung, dass Griechenland die Grenze dichtmachen soll. Das geht nicht. Man kann eine Seegrenze nie zumachen.“ Die griechische Regierung argumentiert ähnlich und verweist darauf, dass die eigenen Inseln zum Teil nahe am türkischen Festland liegen.