Angst um Deutschland
Nicht einmal die Hälfte der Deutschen hat noch Vertrauen in Merkels Politik. Auch wenn der Flüchtlingsstrom im Januar abebbte, im Vergleich zum Vorjahr waren doppelt so viele Asylbewerber auf der Flucht. Die Bundesregierung will jetzt abgelehnte Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten mit finanzieller Hilfe schneller zurückschicken.
Asylpolitik

Angst um Deutschland

Nicht einmal die Hälfte der Deutschen hat noch Vertrauen in Merkels Politik. Auch wenn der Flüchtlingsstrom im Januar abebbte, im Vergleich zum Vorjahr waren doppelt so viele Asylbewerber auf der Flucht. Die Bundesregierung will jetzt abgelehnte Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten mit finanzieller Hilfe schneller zurückschicken.

Mit 91.000 registrierten Asylsuchenden kamen fast 40.000 Menschen weniger in Deutschland an als im Dezember – aber doppelt so viele wie im Januar 2015. Ohne das Winterwetter und die für die Flüchtlinge noch unerwarteten Staus an einigen EU-Binnengrenzen ist aber zu befürchten, dass sich diese Zahlen noch deutlich erhöhen werden. Hochgerechnet auf das ganze Jahr, würden aber schon die bisher Registrierten einen Zuzug von 1,1 Millionen Flüchtlingen bedeuten. Etwa so viele, wie die deutschen Behörden im Jahr 2015 registrierten. Und: Die Zahl der tatsächlichen Einreisen von Asylsuchenden nach Deutschland habe auch im Januar 2016 deutlich höher gelegen, da „die formale Asylantragstellung teilweise erst zeitlich verzögert möglich“ sei, hieß es.

Großteil als Flüchtling anerkannt

Die Zahl der Asylanträge hat sich im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat hingegen mehr als verdoppelt. Insgesamt wurden laut Bundesinnenministerium im ersten Monat des Jahres 52.103 Anträge gestellt. Das bedeute einen Anstieg von 108,1 Prozent gegenüber Januar 2015. Über knapp 50.000 Anträge hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden: 31.160 Personen (63,1 Prozent aller Asylentscheidungen) erhielten die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Zudem erhielten 194 Personen (0,4 Prozent) subsidiären, also eingeschränkten, Schutz. Bei 269 Personen (0,5 Prozent) wurden Abschiebungsverbote festgestellt.

Schaffen wir das?

„Wir schaffen das“ – das versprach die Bundeskanzlerin vor einigen Monaten angesichts der Flüchtlingskrise. Ob wir es tatsächlich schaffen, bezweifelt inzwischen die überwiegende Mehrheit der Deutschen. 81 Prozent glauben, dass Schwarz-Rot die Flüchtlingskrise nicht im Griff hat, wie der aktuelle Deutschlandtrend von Infratest Dimap zeigt. Nur 18 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Dennoch ist die Akzeptanz einiger Fluchtgründe weiter hoch: 94 Prozent finden die Aufnahme von Flüchtlingen richtig, die vor Kriegen geflohen sind. Von den Unions- und Grünen-Anhängern trägt jeweils ein Drittel Merkels Kurs mit. Bei den Unterstützern der Linken sind es 22 Prozent, bei der SPD 17 Prozent. Nur fünf Prozent der FDP-Anhänger glauben, dass die Flüchtlingspolitik von Schwarz-Rot funktioniert. Auf geschlossene Ablehnung stößt diese bei den AfD-Unterstützern: 100 Prozent äußern sich entsprechend.

Nur ein Prozent sehr zufrieden mit Bundesregierung

Nicht einmal die Hälfte der Deutschen (46 Prozent) sind mit der Arbeit Merkels zufrieden. Das ist ihr schlechtester Wert seit fünf Jahren. Noch im Januar hatten sich 58 Prozent der Befragten positiv über die Arbeit Merkels geäußert. Insgesamt ist nur noch eine Minderheit der Bürger mit der Bundesregierung zufrieden. Zufrieden äußern sich 37 Prozent (minus elf Punkte im Vergleich zum Januar), sehr zufrieden nur ein Prozent (minus zwei). Hingegen wächst der Anteil der Unzufriedenen: 46 Prozent (plus zehn Punkte) äußern sich „weniger“ zufrieden. „Gar nicht“ zufrieden sind 15 Prozent (plus drei).

Seehofer bei Deutschen immer beliebter

Auf Platz eins der Liste der beliebtesten Politiker liegt Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit 70 Prozent Zustimmung (-1 Punkt im Vergleich zum Vormonat). Ihm folgt Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 64 Prozent Zustimmung (-8). Während Merkel mit 46 Prozent Zustimmung ihren schlechtesten Wert seit fünf Jahren einfährt, stimmen die Deutschen zu 45 Prozent (+ 2 Punkte) der Politik von Horst Seehofer zu. Für den Deutschlandtrend hat Infratest Dimap am 1. und 2. Februar 1004 wahlberechtigte Bürger ab 18 Jahren telefonisch befragt. Die Erhebung ist repräsentativ.

Flüchtlingsfrage sorgt für Angst und Spaltung

Vor allem im Hauptankunftsland der Flüchtlinge, in Bayern, sind die Bürger beunruhigt. Das zeigt der aktuelle Ländertrend von Infratest Dimap. 70 Prozent derjenigen, die von den aktuellen Verhältnissen im Bundesland beunruhigt sind, haben sogar Angst vor der Zahl der Flüchtlinge. Bayernweit ist die Hälfte der Wahlberechtigten (53 Prozent) besorgt über die Flüchtlingszahlen, etwa ebenso viele Bayern (45 Prozent) teilen diese Sorge nicht. Die Umfragewerte machen außerdem deutlich: die Flüchtlingsfrage spaltet Bayern. Während 41 Prozent der bayerischen Wahlberechtigten in den Flüchtlingen eine Bereicherung für Deutschland sehen, kann jeder Zweite (52 Prozent) dies nicht erkennen. Zudem erwarten 44 Prozent im Freistaat, dass sich die meisten Flüchtlinge an hiesige Regeln und die Lebensweise anpassen werden, während die Hälfte (52 Prozent) dies in Zweifel stellt.

Bundesregierung zahlt für Abschiebung

Die Bundesregierung sucht nach Lösungen. So plant Berlin die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern aus Tunesien, Algerien und Marokko mit finanzieller Hilfe zu beschleunigen. Mit den drei nordafrikanischen Ländern habe die Bundesregierung entsprechende Rückführungsabkommen im Grundsatz verhandelt, berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Ende Februar solle Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach Tunis, Algier und Rabat fliegen, um die Abkommen zu besiegeln. Bisher verweigern die drei Staaten in vielen Fällen die Rücknahme ihrer Staatsbürger, die in Deutschland nur geringe Chancen auf ein Bleiberecht haben. Deutschland biete an, sich zu umfangreichen Rückführungsprogrammen zu verpflichten.

Maghreb-Staaten sollen sichere Herkunftsstaaten werden

Die Bundesregierung will die drei Länder außerdem auf die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ setzen, um Asylbewerber von dort schneller zurückschicken zu können. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) verhandele über Millionenhilfen für Arbeitsmarkt- und Ausbildungsprojekte in den Ländern. Derzeit halten sich laut Bild-Zeitung Beamte des Innen- und des Entwicklungsministeriums in Nordafrika zu Gesprächen auf. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, sagte der Zeitung: „Es ist immer noch günstiger, die Länder vor Ort zu unterstützen, als abgelehnte Asylbewerber hier alimentieren zu müssen.“

dpa/AS