Europas großes Problem: Griechenlands weit offene Schengen-Außengrenze
Die EU will Syriens Nachbarländern – vor allem der Türkei – mit milliardenschweren Flüchtlingshilfen unterstützen. In Griechenland, Italien und Bulgarien sollen Flüchtlings-Hotspots eingerichtet werden. Die Völkerwanderung über die Ägäis hält an. In den ersten drei Septemberwochen erreichten über 135.000 Migranten Bayern. Zwischen Kroatien und Serbien wachsen die Spannungen.
Nach dem EU-Sondergipfel

Europas großes Problem: Griechenlands weit offene Schengen-Außengrenze

Die EU will Syriens Nachbarländern – vor allem der Türkei – mit milliardenschweren Flüchtlingshilfen unterstützen. In Griechenland, Italien und Bulgarien sollen Flüchtlings-Hotspots eingerichtet werden. Die Völkerwanderung über die Ägäis hält an. In den ersten drei Septemberwochen erreichten über 135.000 Migranten Bayern. Zwischen Kroatien und Serbien wachsen die Spannungen.

Klare Worte von Kommissionspräsident Donald Tusk zum Brüsseler EU-Sondergipfel zur Migrantenkrise: „Wir müssen unsere Politik der offenen Türen und Fenster korrigieren. Das Chaos an unseren Außengrenzen muss ein Ende nehmen.“ Die EU-Kritik an Ungarns Befestigung der Grenze zu Serbien, bedeutet das, wird leiser.

Wenn der Zaun nicht gewollt wird, dann können wir die Flüchtlinge auch durchlassen Richtung Österreich und Deutschland.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban

Mit einer simplen Überlegung machte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban den EU-Kollegen in Brüssel klar, worum es für sie geht: „Wenn der Zaun nicht gewollt wird, dann können wir die Flüchtlinge auch durchlassen Richtung Österreich und Deutschland.“ Eine Replik etwa von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht bekannt. Später sagte sie immerhin: „Die Übereinstimmung besteht darin, dass wir uns völlig einig sind, dass der Schutz der Außengrenzen notwendig ist.“ Hoffnungszeichen für die Europäer: Eine eigentlich unkomplizierte Einsicht setzt sich durch in Brüssel und in immer mehr EU-Hauptstädten: Jede Antwort auf die wachsende Migrantenkrise muss mit der Sicherung der Außengrenzen beginnen.

Hotspots und Milliarden-Hilfe für Syriens Nachbarländer

In den konkreten Entscheidungen des Brüsseler EU-Sondergipfels ging es um Syriens Nachbarländer. Die Europäische Union will Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Türkei, Jordanien und Libanon bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation in ihren Ländern zu unterstützen. Die syrischen Flüchtlinge sollen in den Lagern nahe ihrer Heimat bleiben können. Auf Vorschlag der EU-Kommission soll die Flüchtlingshilfe für die Türkei für 2015 und 2016 auf eine Milliarde Euro erhöht werden. Am 5. Oktober wird der türkische Präsident Recep Erdogan zu Gesprächen nach Brüssel kommen. Afrikanische Länder sollen Finanzhilfen über 1,8 Milliarden Euro erhalten. Insgesamt sollen laut Kommission die EU-Finanzmittel für Flüchtlingshilfen von 4,5 Milliarden auf 9,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt werden.

Wenn wir das an den Außengrenzen nicht hinbekommen, wird das Chaos weitergehen.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner

Der EU-Sondergipfel beschloss außerdem, bis Ende November in Italien und Griechenland Hotspots genannte Zentren zur Registrierung der Migranten einzurichten. Bundeskanzlerin Merkel zufolge hat auch Bulgarien eingewilligt, auf seinem Territorium ein solches Auffanglager und Registrierungszentrum aufzubauen. Problem: Die Hotspots, von denen dann wohl ankommende Migranten auf die EU-Länder verteilt werden sollen, können nur Entlastung bringen, wenn die EU zuvor wieder die Kontrolle über ihre Außengrenzen zurückgewinnt. Ungarns Premier Orban schlug darum vor, Griechenland beim Schutz seiner Außengrenzen behilflich zu sein. Wie Orban sah es auch Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner:  „Wenn wir das an den Außengrenzen nicht hinbekommen, wird das Chaos weitergehen.“

Bayern: 135.000 Migranten in den ersten drei Septemberwochen

Doch derzeit ist die EU von der Kontrolle ihrer Außengrenzen noch weit entfernt. Die Zahl der nach Europa strömenden Migranten wächst weiter. Der ungarischen Polizei zufolge kamen allein am Mittwoch wieder 10.046 Migranten in Ungarn an – die für einen Tag bisher höchste Zahl. In Ungarn werden die Ankommenden von der kroatischen zur österreichischen Grenze gebracht. Die Ungarn sind Opfer der Situation in Kroatien, wo binnen einer Woche etwa 44.000 Migranten über Serbien ins Land strömten. Die Kroaten wollen sie möglichst schnell loswerden und fahren sie direkt zur ungarischen Grenze. Den stärker werdenden Druck bekommt auch Bayern zu spüren: Am Mittwoch kamen 2800 Migranten an den Grenzen des Freistaats an, seit Wochenbeginn 8400. In den ersten drei Septemberwochen haben über 135.000 Migranten Bayern erreicht – mehr als in den ersten acht Monaten des Jahres zusammen. Für das bevorstehende Wochenende rechnet Bayerns Polizei mit 12.000 weiteren Asylbewerbern.

Lesbos am Donnerstag: 24 Boote mit etwa 1200 afghanischen Migranten in weniger als einer Stunde.

Weiter südlich,  an der griechisch-mazedonischen Grenze, wurden ebenfalls am Mittwoch 4000 Migranten gezählt. Berichten zufolge wurden sie innerhalb der vorangehenden 24 Stunden mit 100 Bussen von Südgriechenland zur Grenze im Norden Griechenlands gefahren. Griechenland verzichtet zwar weiterhin auf den Schutz seiner Schengen-Außengrenze, scheut aber keinen logistischen Aufwand, um Tausende Migranten so schnell wie möglich nach Norden zu schleusen. Das wird so weiter gehen. Denn Mittwoch und Donnerstag erreichten die nächsten 4000 Migranten per Fähre Piräus. Auf den Ägäis-Inseln halt die Flüchtlingsflut an: Am Donnerstag landeten nur auf Lesbos innerhalb weniger als einer Stunde 24 Boote mit etwa 1200 Migranten. Am Mittwoch waren über 2500 Migranten in Lesbos angekommen. An nur einem einzigen Strand landeten 40 Boote mit je 60 bis 70 Migranten. Die meisten von ihnen waren Afghanen.

Spannungen zwischen den Balkanstaaten

Unterdessen wachsen unter den betroffenen Balkanstaaten die Spannungen. Kroatien will nun offenbar doch den Schutz seiner und der EU Außengrenze ernster nehmen und sperrte die Grenzübergänge zu Serbien. „Wir haben alle (Migranten) aufgenommen, aber jetzt können wir nicht mehr“, erklärte Kroatiens Ministerpräsident Zoran Milanovic mit Blick auf zigtausende von Serbien nach Kroatien geschleuste Migranten. „Wenn Serbien die Flüchtlinge von Kroatien nach Ungarn umleite, könnten die Grenzen wieder geöffnet werden“, so Milanovic mit irritierender Gleichgültigkeit gegenüber Budapest. Belgrad reagierte mit einem Einfuhrverbot für kroatische Güter, worauf hin Zagreb wiederum die Einreise von Pkw mit serbischen Kennzeichen verbot.

Das Problem ist Griechenlands weit offene Schengen-Außengrenze und Griechenlands katastrophal unsolidarisches Verhalten.

Bis zum Wochenende will Ungarn einen Zaun an der Grenze zu seinem südlichen Nachbarn Kroatien fertigstellen. Auch die Arbeiten an einem Zaun entlang der 102 Kilometer langen Grenze zu Ungarns EU-Nachbarland Slowenien haben begonnen. Auf offenbar anhaltende Kritik von Österreichs sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann an Ungarns Politik wiederholte Ungarns Premier Orban seine Brüsseler Warnung: Ungarn könne seine Bemühungen zum Bremsen des Flüchtlingsstroms jederzeit beenden.

Das Problem ist Griechenlands weit offene Schengen-Außengrenze und Griechenlands katastrophal unsolidarisches Verhalten. Wenn es der EU nicht gelingt, ihre Außengrenzen konsequent zu sichern, droht eskalierendes Zerwürfnis zwischen den Mitgliedsländern.