Äthiopien: Farmersiedlung mit strohgedeckten Rundhütten in der Arsi-Region. Bild: imago/blickwinkel
Entwicklungshilfe

Für eine neue globale Zukunftsagenda

Um eine neue globale Partnerschaft zwischen Entwicklungs-, Schwellen- und Industriestaaten geht es auf der dritten UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller wirbt für mehr finanzielle Mittel der Geberstaaten, aber auch für größere Eigenanstrengungen der Entwicklungs- und Schwellenländer – etwa bei der Bekämpfung der Korruption.

Der Wohlstand in den Industriestaaten darf nicht weiter auf Kosten der Entwicklungsländer gelebt werden. Mit diesem Appell für einen neuen Weltzukunftsvertrag hat sich Bundesentwicklungshilfeminister  Gerd Müller an die 193 Staatenvertreter auf der UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Äthiopien gewandt.

Nach der Eröffnung der Konferenz durch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bekräftigte der Minister in Addis Abeba: „Es ist ein Kraftakt, dass sich Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer in diesem Jahr auf eine neue globale Zukunftsagenda verständigen und hier in Addis Festlegungen treffen, wie sie die globalen Herausforderungen finanzieren werden.“

Am Anfang jeden Produkts, das wir essen, tragen oder das wir in unserem Alltag nutzen, steht ein Mensch, der die Rohstoffe abbaut und das Produkt produziert. Von Kaffee über Textilien bis Elektronikartikel – es darf nicht sein, dass wir für unseren Wohlstand keine fairen Preise zahlen.

Gerd Müller

Entwicklungshilfe und größere Anstrengungen der Empfängerländer

Minister Müller ging dabei vor allem auf eine gerechtere Verteilung des Wohlstands ein: „Am Anfang jeden Produkts, das wir essen, tragen oder das wir in unserem Alltag nutzen, steht ein Mensch, der die Rohstoffe abbaut und das Produkt produziert. Von Kaffee über Textilien bis Elektronikartikel – es darf nicht sein, dass wir für unseren Wohlstand keine fairen Preise zahlen.“ Es sei Aufgabe der Staatengemeinschaft, zu fairen, sozialen und ökologischen Standards in den Lieferketten zu kommen.

Die Partnerländer selbst müssen ihre Anstrengungen gegen Korruption, für gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte weiter verstärken.

Gerd Müller

Daneben forderte Müller größere Eigenanstrengungen der Entwicklungs- und Schwellenländer: „Die weitere Verstärkung der Entwicklungshilfe-Mittel ist wichtig und Deutschland geht hier mit gutem Beispiel voran. Entwicklungshilfe-Mittel sind aber kein Ersatz für Eigenanstrengungen und Investitionen, sondern eine Ergänzung. Deutschland unterstützt seine Partner, vor allem in den Bereichen Ausbildung und Gesundheitsversorgung, aber auch beim Aufbau fairer und transparenter Steuersysteme sowie bei der Bekämpfung von Steuerflucht und illegalen Finanzflüssen. Die Partnerländer selbst müssen ihre Anstrengungen gegen Korruption, für gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte weiter verstärken.“ Dies, so der Minister, seien die Voraussetzungen für Investitionen der Wirtschaft, für Wachstum und für Perspektiven für junge Menschen.

Deutsch-äthiopische Zusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung

Vor Beginn der UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz hatte Bundesminister Müller ein Treffen mit dem äthiopischen Premierminister Hailemariam Desalegn. Dabei ging es vor allem um die Zusammenarbeit zwischen Äthiopien und Deutschland bei der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung sowie die weltweit größte Flüchtlingswelle seit 50 Jahren. Äthiopien ist das Land in Afrika, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Minister Müller betonte eine noch stärkere Zusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung, vor allem für Flüchtlinge. Um eine Ausbildungsiniative mit Deutschland ging es auch bei einem Gespräch mit der Generalsekretärin der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma. Im Mittelpunkt stehen weitere Schritte des Ausbildungsprogramms, das Minister Müller mit Frau Zuma am Rande des G7-Gipfels in Elmau verabredet hatte. Deutschland ist in 23 Staaten im Ausbildungsbereich engagiert und wird diesen Bereich erheblich ausbauen, vor allem für Frauen.

Zusammen mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten der CDU, der SPD, der Grünen und der Linksfraktion nimmt der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an der UN-Entwicklungsfinanzierungkonferenz in der äthiopischen Hauptstadt teil. Bis Donnerstag diskutieren dort rund 5000 Vertreterinnen und Vertreter aus den 193 Mitgliedsstaaten über neue Wege der Entwicklungsfinanzierung.

Fakten und Zahlen zu Äthiopien: dramatisches Bevölkerungswachstum, hohe Analphabetenrate

Mit 1,1 Millionen Quadratkilometern ist Äthiopien gut drei Mal so groß wie Deutschland. In den vergangenen 60 Jahren hat das Land eine typisch afrikanische Bevölkerungsexplosion erlebt – die anhält – und dem Land typisch afrikanische Probleme beschert. 1950 zählte Äthiopien nach UN-Angaben 18,1 Millionen Einwohner. Die Zahl hat sich, ebenfalls nach UN-Angaben, bis heute auf fast 97 Millionen gut verfünffacht.

2050: 187,5 Millionen Äthiopier

Für das gar nicht mehr so ferne Jahr 2050 errechnet die UN entweder 187,5 Millionen Äthiopier oder 165 Millionen nach einer niedrigen Schätzung. Bis zum Jahr 2100 wird Äthiopiens Bevölkerung auf 243,4 Millionen anwachsen – oder auf  159 Millionen „absinken“, wenn sich die niedrigen Schätzswerte bestätigen sollten. Der Abteilung für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten des UN-Sekretariats zufolge könnte sie allerdings auch auf 357 Millionen anwachsen, wenn die Entwicklung in Richtung pessimistisch hoher Schätzwerte geht (dann schon für das Jahr 2050: 211 Millionen).

5,23 Kinder pro Frau – 2,89 Prozent Bevölkerungswachstum

Wie auch immer. In jedem Fall hält die Bevölkerungsexplosion an. 2014 lag die Geburtenhäufigkeit pro Frau in Äthiopien bei 5,23 Kindern. Die Wachstumsrate der Bevölkerung lag bei 2,89 Prozent. 44,2 Prozent der Äthiopier sind nicht älter als 14 Jahre, und 64 Prozent sind unter 25 Jahre alt.

Die heute knapp 97 Millionen Äthiopier teilen sich in etwa 80 Ethnien mit über 80 verschiedenen Sprachen. Den Daten des CIA World Factbook zufolge sind 62,8 Prozent der Bevölkerung Christen, 33,9 Prozent Muslime. Anderen Angaben zufolge sollen etwa 45 Prozent der Bevölkerung Muslime sein.

Den CIA-Zahlen zufolge beträgt die Aids-Rate in Äthiopien 1,2 Prozent. Mit geschätzten 793.700 Aids-Infizierten belegt Äthiopien 2013 weltweit Rang 11, mit 45.200 Aids-Toten Rang 10.

51 Prozent Analphabeten

Nur 49,1 Prozent der Äthiopier über 15 Jahre können lesen und schreiben – 57,2 Prozent der Männer, 41,1 Prozent der Frauen. 2005 mussten geschätzte 53 Prozent der Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren Kinderarbeit leisten. Das Land gab 2010 etwa 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Bildung aus und liegt damit weltweit auf Rang 87.

2014 wuchs die Wirtschaft des Agrarstaates um 8,1 Prozent. Trotzdem belief sich das Haushaltsdefizit auf 2,9 Prozent. Die Staatsverschuldung wuchs 2014 von 50,2 (2013) auf 55,1 Prozent des BIP – eine hohe Wachstumsrate. Die Inflationsrate betrug 2014 etwa 7,8 Prozent, nach 8,1 Prozent im Vorjahr. Die Arbeitslosigkeit belief sich 2012 auf 17,5 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2006 auf knapp 25 Prozent. Geschätzte 39 Prozent der Bevölkerung lebten im gleichen Jahr unter der Armutsgrenze. Das Land verfügt über 681 Kilometer Eisenbahnlinie. Von etwa 44.359 Kilometern Straße sind 6041 Kilometer gepflastert.