Markus Söder kritisiert die Entscheidung der EU gegen Manfred Weber. (Foto: Imago Images/Alexander Pohl)
Europa

„Das Hinterzimmer hat gewonnen“

Markus Söder kritisiert das Postengeschacher in der EU. Die Entscheidung gegen Manfred Weber nennt der CSU-Chef eine Niederlage der Demokratie. Gleichwohl unterstützt er die Nominierung von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin.

CSU-Chef Markus Söder hat die Niederlage für Manfred Weber im Poker um den Posten des künftigen EU-Kommissionspräsidenten als Niederlage für die Demokratie und für Europa kritisiert. „Manfred Weber wäre der legitime Kommissionspräsident gewesen, das wäre auch der demokratischste Weg gewesen. Es ist bitter, dass die Demokratie verloren und das Hinterzimmer gewonnen hat“, sagte Söder am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur in München.

Das ist ein Punkt für Deutschland, aber eine Niederlage für Europa.

Markus Söder

Gleichwohl trägt die CSU die Nominierung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als künftige Kommissionspräsidentin mit. „Natürlich ist es für Deutschland gut, dass wir erstmals seit Jahrzehnten wieder den Kommissionspräsidenten stellen können“, sagte der CSU-Vorsitzende und
fügte hinzu: „Aus Verantwortung für das Land und Europa akzeptieren wir die Entscheidungen. Aber jubeln können wir heute nicht. Das ist ein Punkt für Deutschland, aber eine Niederlage für Europa.“

SPD stellt sich gegen von der Leyen

Nach zähem Ringen hatten sich die Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend auf ihrem Sondergipfel in Brüssel auf ein Tableau für das künftige europäische Spitzenpersonal geeinigt. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll demnach neue Kommissionspräsidentin werden. Kanzlerin Angela Merkel musste sich enthalten, weil der Koalitionspartner SPD von der Leyen nicht mittragen will. Auch im EU-Parlament, das von der Leyen wählen müsste, regte sich sofort Widerspruch. Viele EU-Abgeordnete wollen nicht akzeptieren, dass keiner der zur Europawahl angetretenen Spitzenkandidaten – Manfred Weber von der EVP und der Sozialist Frans Timmermans – zum Zuge kommen soll.

Es ist enttäuschend für Manfred Weber und die CSU.

Markus Söder

Von der Leyen könnte, wenn sie denn vom Parlament bestätigt wird, die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission werden. Ratspräsident wird der liberale belgische Ministerpräsident Charles Michel, der spanische Außenminister Josep Borrell soll EU-Außenbeauftragter werden. Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans, der zwischenzeitig als Kommissionspräsident gehandelt wurde, behält sein Amt als Vizepräsident. Die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wird Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Respekt für Manfred Weber

Söder zollte Weber ausdrücklich Respekt: „Es ist enttäuschend für Manfred Weber und die CSU, aber ich habe großen Respekt vor seiner
Entscheidung, persönliche Ambitionen zurückzustellen, um europäische Handlungsfähigkeit zu erreichen.“ Der CSU-Chef sagte: „Manfred ist ein echter Europäer. Er wird weiter in Europa im Spiel bleiben, weil er als Fraktionsvorsitzender und dann als Parlamentspräsident eine zentrale Rolle spielen wird.“

Kritik übte Söder insbesondere am Agieren des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und des ungarischen Ministerpräsidenten
Viktor Orban, die Front gegen Weber gemacht hatten: „Die unselige Koalition von Macron und Orban wird in den Kleidern hängenbleiben.“

Kritik an Sozialisten und Liberalen

Noch deutlicher wurde CSU-Generalsekretär Markus Blume in einem Schreiben an die Parteimitglieder. „Die Art und Weise, wie Manfred Weber von beiden persönlich und politisch diskreditiert wurde, ist unvereinbar mit unserer Vorstellung von einem demokratischen Europa“, schreibt Blume. Auch er wirbt für die Unterstützung von der Leyens. „Auch in der Stunde der Enttäuschung gilt es, das Gesamtinteresse über die eigenen Emotionen zu stellen: Wir sind es unseren Unterstützern schuldig, Verantwortung zu zeigen und Europa nicht wie andere ins Chaos zu stürzen. Deshalb unterstützen wir als CSU die Nominierung Ursula von der Leyens als künftige Kommissionspräsidentin. Das liegt im europäischen, aber auch in unserem nationalen Interesse.“

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der CSU-Chef in Webers niederbayerischer Heimat ist, sieht neben Orban und Macron auch eine Verantwortung beim Europaparlament: „Unverantwortlich ist, dass sich Sozialdemokraten und Liberale im Europäischen Parlament der Unterstützung von Manfred Weber verweigert haben. Diese Missachtung des Wählervotums sorgt für Enttäuschung bei den Wählern. Das Europa der Bürger ist um Jahrzehnte zurückgeworfen.“

Weber unterstützt von der Leyen

Weber selbst stellte sich ebenfalls hinter Ursula von der Leyen. Gleichzeitig appellierte der CSU-Politiker am Dienstagabend an die übrigen Fraktionen im EU-Parlament, von der Leyen mitzuwählen.

Weber sagte, es sei ein schwerer Tag für ihn. Aber wichtig sei, dass mit von der Leyen eine Politikerin aus seiner Parteienfamilie die Führung der EU übernehmen soll. Er sprach von einem „traurigen Tag für die europäische Demokratie“. Und: „Dieses Paket ist nicht mein Paket. Aber ich trage es loyal mit.“

Seinen Auftrag als Spitzenkandidat der EVP habe er zurückgegeben, sagte Weber in Straßburg. Er habe von der Leyen in die Fraktion eingeladen und die CDU-Politikerin habe sofort zugesagt. Die Termine würden noch geklärt.

Entscheidung im Europaparlament

An diesem Mittwoch stimmte das Europaparlament zunächst über seinen künftigen Präsidenten ab. Gewählt wurde der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli. Zur Mitte der Amtsperiode soll nach dem Vorschlag der Regierungschefs dann der Kandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) gewählt werden. Nach Darstellung von Kanzlerin Merkel soll dies Manfred Weber sein.

(dpa/BK)