Europa hat gewählt: Wahlparty der CDU/CSU in Berlin. (Bild: imago images/Jan Huebner)
Europawahl

EVP bleibt stärkste Fraktion

Das Ergebnis der Europawahl: Unter den 751 Abgeordneten des künftigen Europaparlaments wird die christdemokratische Europäische Volkspartei voraussichtlich auf 182 Sitze kommen, die Sozialisten auf 147. Die Rechtspopulisten legen auf 171 Sitze zu.

Christ- und Sozialdemokraten werden nach erheblichen Verlusten erstmals nicht mehr in der Lage sein, gemeinsam eine Mehrheit im Europaparlament zu stellen. Liberale, grüne und rechte Parteien gewannen deutlich hinzu, wie aus der ersten Parlamentsprognose zur Europawahl hervorgeht.

EVP bleibt vorn

Unter den 751 Abgeordneten des künftigen Europaparlaments wird die christdemokratische Europäische Volkspartei nach dieser Prognose auf 182 Sitze kommen, 35 weniger als bisher. Die Sozialdemokraten kämen demnach auf 147 Mandate (minus 40).

Die Liberalen liegen bei 109 Mandaten, wenn die Mandate für die Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mitgezählt werden (plus 41). Dahinter kommen die Grünen mit 69 Sitzen (plus 17). Die Linke verliert 14 Sitze und kommt auf 38.

Die bisher drei rechtspopulistischen und nationalistischen Fraktionen EKR, ENF und EFDD kommen zusammen auf 171 Sitze, 18 mehr als bisher. Es wird allerdings erwartet, dass Fraktionen sich neu sortieren und womöglich noch weitere Parteien für eine Allianz hinzugewinnen.

Zwei Drittel für die EU

EU-freundliche Parteien werden aller Voraussicht nach auch im neuen Parlament rund zwei Drittel der Abgeordneten stellen. Ob sie breite Bündnisse schaffen, beeinflusst auch die Besetzung von Spitzenposten. Auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten hofft Manfred Weber (CSU), dessen EVP stärkste Partei bleiben wird. Sein niederländischer Konkurrent, der Sozialdemokrat Timmermans, dürfte keine Chance mehr haben.

Mit besonderer Spannung wird für den späten Abend das Ergebnis der rechtspopulistischen Lega in Italien erwartet. Der Lega wurden in Umfragen mehr als 30 Prozent Stimmanteil zugetraut, nach nur 6,2 bei der Europawahl 2014. Auch die neue Brexit-Partei in Großbritannien konnte hoffen, stärkste Partei zu werden.

ÖVP gewinnt in Österreich

Die ersten Prognosen kamen vor allem aus einigen kleineren Ländern. In Österreich legte die konservative ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz deutlich zu, offensichtlich eine Folge des Videoskandals um den früheren Koalitionspartner FPÖ. Nach gemeinsamen Berechnungen mehrerer Meinungsforschungsinstitute kommt die ÖVP auf 34,9 Prozent, das sind 7,9 Prozentpunkte mehr als bei der EU-Wahl 2014. Die FPÖ kommt trotz des Skandals auf 17,2 Prozent, ein Minus von 2,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2014.

Die sozialdemokratische SPÖ erreicht 23,6 Prozent, ein leichtes Minus von 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten EU-Wahl. Die österreichischen Grünen kommen mit 13,5 Prozent nahe an ihr historisch bestes Ergebnis von 2014 heran, als 14,5 Prozent erhielten. Die liberalen Neos liegen erneut bei 8 Prozent.

Zentral- und Nordeuropa

In den Niederlanden lagen dagegen die Sozialdemokraten um den Europa-Spitzenkandidaten Frans Timmermans unerwartet vorn und kamen auf 18,1 Prozent. Die rechts-liberale Regierungspartei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte lag bei 15 Prozent, die christlich-demokratische Partei CDA bei 12,3, die neue Rechtspartei FvD bei 11,0 Prozent und die Grünen bei 10,5 Prozent.

In Belgien ist die Nieuw-Vlaamse Alliantie mit nur 13,5 Prozent der Stimmen der Sieger der Europawahl. Die separatistische Partei fordert die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien. Auf Platz zwei liegt mit 11,4 Prozent die rechtsextreme Partei Vlaams Belang. Darauf folgen Sozialdemokraten (10,5 Prozent), Liberale (9,6 Prozent), Christdemokraten (8,7 Prozent) und Grüne (7,8 Prozent). In Luxemburg gewann die liberale DP mit 21,4 Prozent der Stimmen vor der CSV (Christlich-soziale Volkspartei) mit 21,1 Prozent. Die Grünen sind auch hier stark und kommen auf 18,9 Prozent vor den Sozialdemokraten mit 12,2 Prozent.

In Dänemark büßte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei im Vergleich zu ihrem Rekordergebnis von 26,6 Prozent bei der letzten EU-Wahl mehr als 15 Prozentpunkte ein. Demnach wird die liberale Venstre-Partei von Regierungschef Lars Løkke Rasmussen mit ihrem wohl besten Ergebnis stärkste Kraft – erste Prognosen hatten noch die Sozialdemokraten vorne gesehen.

In Finnland lag die rechtspopulistische Partei Die Finnen nach Auswertung von knapp der Hälfte der Wählerstimmen bei 13,2 Prozent und damit hinter Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen nur auf Rang fünf. In Schweden konnten sich die Sozialdemokraten als stärkste Kraft behaupten (23,6 Prozent). Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (15,5 Prozent) erzielten aber deutliche Zugewinne und wurden laut dem TV-Sender SVT nur knapp hinter den Moderaten (16,8 Prozent) drittstärkste Kraft. Die Grünen, vor fünf Jahren noch zweitstärkste Kraft, müssen mit Verlusten von 3,8 Punkten und einem Ergebnis von 11,4 Prozent klarkommen, ausgerechnet im Heimatland der Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Die Brexit-Partei des Populisten Nigel Farage ist bei der Europawahl in Großbritannien offenbar als deutlicher Sieger hervorgegangen (31,6 Prozent). Die konservativen Tories der zurückgetretenen Premierministerin Theresa May fielen auf nur desaströse 8,7 Prozent zurück, die proeuropäischen Liberaldemokraten kamen auf 20,3 Prozent. Labour schnitt deutlich schlechter ab als 2014 mit rund 14 Prozent der Stimmen, die Grünen kamen auf 12,1 Prozent. In Irland stachen die guten Ergebnisse der Regierungspartei Fine Gael mit 29 Prozent und der Grünen mit 15 Prozent heraus. Auch die Konservativen erhielten rund 15 Prozent.

Unterschiedliche Ergebnisse in Südeuropa

In Italien lag die rechtspopulistische Lega mit 33,6 Prozent vor der sozialdemokratischen PD mit 23,5 Prozent und der Fünf-Sterne-Bewegung mit 16,7 Prozent.

In Spanien liegen dagegen die regierenden Sozialisten PSOE deutlich mit 32,8 Prozent vor der konservativen PP (20,1 Prozent). Dahinter folgten Ciudadanos (12,2 Prozent) und die linke Podemos (10,1 Prozent). In Portugal haben die regierenden Sozialisten (PS) von Ministerpräsident António Costa mit rund 33,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Platz zwei belegte nach die konservativ-liberale Sozialdemokratische Partei (PSD) mit 22,3 Prozent vor dem marxistischen Linksblock (BE), der auf 9,6 Prozent kam.

In Frankreich liegen die Rechtspopulisten Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen mit laut ersten Prognosen 23,3 Prozent der Stimmen vorn, verloren aber 1,5 Prozent im Vergleich zu 2014. Die Liste der Regierungspartei La République en Marche (LREM) von Staatschef Emmanuel Macron kam demnach auf 22,4 Prozent. Die Grünen liegen bei 13,4 Prozent.

In Griechenland liegt die konservative Nea Dimokratia mit 33,3 Prozent deutlich vor der regierenden linken Syriza mit 23,9 Prozent. Auf Zypern lieferten sich die konservative zyprische Demokratische Gesamtbewegung DYSI (31,8 Prozent) und die linke Partei AKEL (26 Prozent) lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide stellen je zwei Abgeordnete. Die Demokratische Partei (DIKO) mit 11,9 Prozent und die Sozialisten (EDEK) mit 9,8 Prozent erhalten je einen Sitz im Europäischen Parlament.

In Kroatien liegt laut ersten Prognosen die nationalkonservative Kroatische Demokratische Union (HDZ) mit 23,4 Prozent der Stimmen vorn. Vor den Sozialdemokraten (SDP) mit 18,4 Prozent. In Slowenien hat die oppositionelle konservative SDS die Europawahl gewonnen, die drei der acht slowenischen Sitze im Europaparlament errang. Die Liste Marjan Sarec des gleichnamigen Ministerpräsidenten und die mit ihm koalierenden Sozialdemokraten schicken je zwei Abgeordnete nach Brüssel. Die konservative Partei NSi errang ein Mandat.

In Malta zeichnet sich ein deutlicher Sieg der sozialdemokratischen Partit Laburista (PL) mit 55,9 Prozent der Stimmen ab. Dahinter folgt die konservativ-christdemokratische Partei Partit Nazzjonalista (PN) mit 36,2 Prozent.

Klare Sieger in Osteuropa

In Ungarn gab es einen klaren Sieg der regierenden Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban ab – mit 52,3 Prozent der Stimmen. Auf die linke Demokratische Koalition von Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány entfallen 16,2 Prozent der Stimmen, auf die liberale Momentum-Bewegung 9,9 Prozent. In Polen landete die regierende PiS mit rund 46 Prozent vor der liberalkonservativen Bürgerplattform. Das pro-europäische Bündnis aus mehreren Oppositionsparteien kam den Teilergebnissen zufolge auf fast 38 Prozent.

In Tschechien ist die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babiš mit 21,2 Prozent stärkste Kraft geworden. Dahinter lagen die Bürgerdemokraten (ODS) mit 14,5 Prozent und die Piratenpartei mit knapp 14 Prozent. Ein neues proeuropäisches Bündnis SPOLU wurde in der Slowakei mit 20,1 Prozent stärkste Kraft. Die sozialistische SMER kam auf 15,7 Prozent der Stimmen vor der rechtsextremen L‘SNS mit 12,1 Prozent.

In Rumänien haben die regierenden Sozialdemokraten deutliche Verluste erlitten. Die PSD kam laut Prognosen auf nur noch 25,8 Prozent der Stimmen und büßte damit fast elf Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2014 ein. Die liberal-konservative Partei PNL (25,8 Prozent) und das ökobürgerliche Bündnis USR-PLUS (23,9 Prozent) holten danach zusammen fast 50 Prozent der Stimmen. In Bulgarien ist die bürgerliche Regierungspartei GERB von Ministerpräsident Boiko Borissow laut ersten Trendprognosen klarer Sieger. Die GERB erhielt zwischen 32,7 und 30,5 Prozent der Stimmen. Die oppositionellen Sozialisten kamen auf 23,2 bis 25,4 Prozent, gefolgt von der Partei der türkischen Minderheit DPS mit 13,6 bis 12,8 Prozent.

Im Baltikum siegte in Lettland die konservativ-liberale JV mit 26,2 Prozent vor den Sozialdemokraten mit 17,5 Prozent und der rechten NA (16,4 Prozent). In Estland gewannen die Liberalen mit 26,2 Prozent vor den Sozialdemokraten mit 23,3 Prozent und der estnischen Zentrumspartei mit 14,4 Prozent. Die konservative TS-LKD gewann die Europawahl in Litauen mit 19,3 Prozent der Stimmen. Dahinter folgen Sozialdemokraten mit 16,1 Prozent und die Bauern- und Mittelstandspartei LVZS.

In vielen der 28 EU-Staaten zeichnete sich eine zum Teil deutlich höhere Wahlbeteiligung ab als vor fünf Jahren. Sie legt nach ersten Prognosen bei 51 Prozent. Insgesamt waren mehr als 400 Millionen Wahlberechtigte in 28 Ländern dazu aufgerufen, die 751 Abgeordneten im EU-Parlament zu wählen.

(dpa/ARD/BR/BK)