Colombo, Sri Lanka: Spezialkräfte haben vor der St. Antonius Kirche (im Hintergrund) einen Sprengsatz kontrolliert gezündet. (Bild imago images/Zuma/Lahiru Harshana)
Sri Lanka

Europa muss Christen schützen

Nach den Selbstmordanschlägen in Sri Lanka mit mehr als 300 Toten beklagen Politiker die gewachsene Bedrohung christlicher Minderheiten in vielen Staaten. Als Täter vermuten die örtlichen Behörden eine islamistische Gruppe.

Bei koordinierten Attacken von insgesamt sieben sri-lankischen Selbstmordattentätern auf drei Kirchen und drei Luxushotels wurden am Ostersonntag mindestens 310 Menschen getötet, unter ihnen 35 Ausländer. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt, zahlreiche von ihnen schwer. Bombenentschärfer sprengten außerdem ein Fahrzeug in der Nähe der betroffenen St.-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo, nachdem darin ein weiterer Sprengkörper entdeckt worden war.

Die Dimension der Anschläge sollte aber womöglich noch viel größer sein: An einem anderen Ort der Stadt seien laut Polizei an einer Bushaltestelle 87 Zünder sichergestellt worden. Auch in der Nähe des größten Flughafens der Insel, rund 30 Kilometer von Colombo entfernt, wurde ein Sprengsatz gefunden und entschärft.

Christenverfolgung verurteilt

Deutsche Politiker haben die Anschläge in Sri Lanka scharf verurteilt – und mahnten zugleich einen besseren Schutz christlicher Minderheiten weltweit an. Die meisten Opfer hatte es bei den Anschlägen in den Kirchen gegeben, als gerade Ostergottesdienste stattfanden. In dem Inselstaat sind etwa sieben Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen, zehn Prozent Muslime und sonst hauptsächlich Buddhisten.

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) schrieb auf Facebook: „Erschütternde Nachrichten aus Sri Lanka. Es ist ein feiger Terrorakt gegen christliche Kirchen und Hotels, ausgerechnet an Ostern. Ich bin mit meinen Gedanken bei den Angehörigen der Opfer und den vielen Verletzten.“ Christen seien die weltweit am meisten verfolgten Religionsangehörigen. Weber weiter: „Das ist inakzeptabel. Europa muss mehr tun, um gerade christlichen Minderheiten zu helfen, wenn sie in Bedrängnis sind. Wir Europäer stehen für Religionsfreiheit sowie Akzeptanz gegenüber und ein friedliches Miteinander mit anderen Religionen.“

Der Terror in Sri Lanka reiht sich ein in verschiedene Anschläge gegen Christen weltweit.

Markus Grübel

„Der Terror in Sri Lanka reiht sich ein in verschiedene Anschläge gegen Christen weltweit“, sagte auch der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), der Zeitung Die Welt. „Christen sind weltweit das Ziel von radikalen Muslimen. Das ist eigentlich unverständlich, weil das Christentum ja mit dem Islam verwandt ist.“ Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte mehr Schutz für Christen. Wichtig sei nun, sich nicht spalten zu lassen und den Dialog der Religionen aufrechtzuerhalten. „Dazu gehört aber auch, die Unterdrückung von Christen deutlich anzusprechen und klar für die Einhaltung der Religionsfreiheit einzutreten.“

Forderung nach Konsequenzen

Der CSU-Landtagsabgeordnete Steffen Vogel schrieb auf Facebook nachdenkliche Worte: „Ernüchterung. Wenn ich mir dieses Osterfest mit den ca. 290 toten Christen bei Ostergottesdiensten vor Augen führe, lassen mich zwei Gedanken nicht zur Ruhe kommen: 1) Ich habe so wunderbare Ostertage verbringen dürfen, während so Viele soviel Leid erfahren mussten. Wir können alle so froh sein, dass wir in unserem Land leben und es den allermeisten von uns so gut geht. Wir sollten viel dankbarer sein, gerade an Ostern. 2) Europa muss endlich mehr für den Schutz von Christen auf der Welt tun!“ Auch Vogel mahnte, Europa dürfe da nicht wegschauen. Und er stellte in einer Antwort auf einen Kommentar zu seinem Post zwei Handlungsmöglichkeiten in den Raum: „Wie gehen wir mit Ländern um, die christliche Minderheiten nicht konsequent schützen? Geben wir diesen Ländern Entwicklungshilfe? Treiben wir mit diesen Ländern Handel?“

Ein Angriff auf uns alle.

Volker Kauder

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein schrieb: „Jetzt gilt zweierlei: Staaten, in denen Christen bedroht sind, müssen ihre Schutzmaßnahmen deutlich erhöhen und radikale muslimische Gruppen in ihrem Land konsequent bekämpfen. Zum anderen dürfen wir uns als Christen nicht unterkriegen lassen und müssen die Osterbotschaft ‚Fürchtet euch nicht! Der Herr ist auferstanden!‘ laut und selbstbewusst artikulieren, wo immer wir leben. Nicht Gewalt und Tod dürfen unser Leben bestimmen, sondern Freude und Zuversicht!“

Zeichen setzen

Der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der Bild-Zeitung: „Die Ereignisse in Sri Lanka sind bestürzend. Sie sind leider kein Einzelfall. Ich sehe mit großer Besorgnis die wachsende Christenverfolgung im gesamten asiatischen Raum. Nationalistische Bewegungen von Buddhisten, Hindus und Muslimen werden hier immer militanter.“ Kauder forderte mehr Schutz von Kirchen. Der CDU-Politiker, der sich seit Jahren für verfolgte Christen unter anderem im Irak einsetzt, bezeichnete die Anschlagsserie außerdem als „Angriff auf uns alle“. Kauder will eine internationale Allianz gegen die Verfolgung von Christen bilden. Dafür solle Ende Oktober ein Treffen mit etwa 300 Abgeordneten in Singapur stattfinden, „um ein Zeichen für freie Religionsausübung zu setzen und die Verfolger-Länder klar zu benennen“.

Der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hermann Gröhe (CDU), sagte der Rheinischen Post: „Religiöse Intoleranz richtet sich heute in besonderer Weise gegen Christen, die an der Freiheit der Religionsausübung gehindert werden sollen.“ Er sei entsetzt über „die Hinterhältigkeit und Brutalität“, mit der sich hier „der Hass gegen gottesdienstfeiernde Christen“ und generell gegen Reisende aus anderen Kulturen Bahn gebrochen habe.

Papst Franziskus gedachte der Opfer vor Zehntausenden Gläubigen in Rom. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „schockiert über die terroristischen Attacken auf Kirchen und Hotels an Ostersonntag, einem heiligen Tag für Christen überall auf der Welt“.

Christenverfolgung

Weltweit hat das Christentum mit etwa 2,1 Milliarden Menschen im Vergleich der Religionen die meisten Anhänger. Doch hunderte Millionen Christen leben in Ländern, in denen sie verfolgt und diskriminiert werden. Die Lage der Christen habe sich „unbestritten“ in den vergangenen Jahren verschlechtert, erklärte bereits 2018 der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. 2017 töteten zwei Selbstmordattentäter in koptischen Kirchen in Ägypten (Platz 16) insgesamt 45 Menschen. Im Jahr davor zündete ein Selbstmordattentäter in der pakistanischen Stadt Lahore einen Sprengsatz inmitten Tausender christlicher Familien, die sich in einem Park zum Osterfest versammelt hatten. 75 Menschen kamen ums Leben, unter ihnen viele Kinder.

Das christliche Netzwerk Open Doors, das jährlich einen methodisch umstrittenen „Weltverfolgungsindex“ veröffentlicht, führt Sri Lanka auf Platz 46, weil auch die buddhistische Mehrheitsgesellschaft Christen verfolge. Erstes geographisch (teilweise) zu Europa gehörendes Land ist die Türkei auf Patz 26, dazu noch Russland (Platz 41). Weltweit gilt jedoch laut Open Doors: Die drei Hauptmotive für Christenverfolgung sind islamistische Bewegungen und eine voranschreitende Radikalisierung des Islam, eine deutliche Zunahme nationalistischer Tendenzen sowie Restriktionen totalitärer Regime wie etwa in Nordkorea (Platz 1). Von den „Top“ 30 der Staaten, die Christen verfolgen, sind 24 islamisch regiert oder haben islamisch dominierte Regionen. In Nigeria (Platz 12) etwa werden fast mehr Christen wegen ihres Glaubens ermordet (3173 dokumentierte Fälle) als in allen anderen Ländern zusammen (4136). Kaum jemand nimmt jedoch Notiz von den dortigen Angriffen der Islam-Gruppe Boko Haram und der muslimischen Fulani-Hirten auf christliche Dörfer, bei denen mehrmals mehr als 100 Menschen getötet wurden.