Syrien dominiert Sicherheitskonferenz
Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz rückt ein Konfliktherd wieder verstärkt ins Blickfeld: Der Krieg in Syrien. Mit Russen und Iranern will das Assad-Regime das ganze Land zurückerobern – und trifft auf Kurden und Amerikaner.
Konflikt

Syrien dominiert Sicherheitskonferenz

Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz rückt ein Konfliktherd wieder verstärkt ins Blickfeld: Der Krieg in Syrien. Mit Russen und Iranern will das Assad-Regime das ganze Land zurückerobern – und trifft auf Kurden und Amerikaner.

Die EU hat im Syrien-Konflikt nach Ansicht des Vorsitzenden der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, versagt. „Die EU repräsentiert 500 Millionen Menschen, sie ist für viele Länder der wichtigste Handelspartner, aber sie versagt in der Außenpolitik – auch im Nahen Osten“, sagte Ischinger der Bild-Zeitung. Statt sich untereinander abzusprechen, bereisten europäische Regierungschefs und Außenminister die Krisenländer einzeln und mit jeweils eigener Agenda.

Insofern wird der Syrien-Konflikt ein zentrales Thema auf der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz sein und eine wichtige Gelegenheit, die Top-Diplomaten aus aller Welt an einen Tisch zu setzen. Nicht nur im großen Konferenzsaal im Tagungshotel Bayerischer Hof wird es um das Bürgerkriegsland am südöstlichen Rand des Mittelmeers gehen, sondern, auch bei vielen bilateralen Treffen am Rande der Konferenz. 100 Zimmer haben die Organisatoren der Sicherheitskonferenz für kleine Treffen im Halbstunden-Rhythmus freigeräumt, um in vertrauer Atmosphäre über die großen Konflikte auf dieser Welt zu sprechen.

Gefahr einer Kettenreaktion

Insbesondere im Fall Syrien tut konzentrierte Krisendiplomatie jetzt not. Denn nach sieben Jahren und 300.000 bis 400.000 Toten tritt dort der Krieg in eine neue Phase. Die Terrorarmee des islamischen Staats ist weitgehend besiegt, trotzdem ist Frieden fern. Denn jetzt stoßen große und kleine Sieger aufeinander, regionale Nachbarn und große Mächte. Längst handelt es sich nicht mehr nur um einen Bürgerkrieg, sondern um mehrere Kriege auf dem Gebiet eines einzigen Staates. Die Einmischung internationaler Mächte hat das Land nicht nur geteilt, sondern macht auch eine politische Lösung extrem schwierig und langwierig. Der Syrien-Konflikt droht auf die Region auszugreifen, warnt Konferenzleiter Ischinger: „Wenn in aufgeladenen Situationen jemand eine falsche Entscheidung trifft, könnte das schnell eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“

Die vergangene Woche war eine der blutigsten seit langem. Im Nordwesten fielen mehr als ein Dutzend türkische Soldaten im Kampf gegen die Kurden, Ankaras Luftwaffe feuerte Raketen auf ihre Gegner.Im Osten töteten US-Luftangriffe vermutlich mehr als 100 regierungstreue Kämpfer. Im Zentrum bombardierten syrische Kampfflugzeuge fast täglich ein eingeschlossenes Rebellengebiet, mehr als 200 Zivilisten kamen ums Leben. Und im Süden holte Syriens Luftabwehr nach israelischen Angriffen einen Jet aus der Luft.

Wenn in aufgeladenen Situationen jemand eine falsche Entscheidung trifft, könnte das schnell eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.

Botschafter Wolfgang Ischinger

Im März ist es sieben Jahre her, dass Menschen in Syrien auf die Straße gingen, um im Zuge der arabischen Aufstände gegen die autoritäre Führung in Damaskus und für mehr Freiheit zu protestieren. Als die Sicherheitskräfte mit Gewalt eingriffen, entwickelte sich ein Bürgerkrieg. Im Kern steckt dahinter die Konfrontation zwischen der – häufig ländlich geprägten – sunnitischen Mehrheit und der religiösen Minderheit der Alawiten, die Regierung und Militär dominiert. Während die einen Unterstützung sunnitischer Mächte wie die Türkei oder Saudi-Arabien bekamen, eilte den anderen der schiitische Iran zu Hilfe. So wurde aus einem nationalen ein internationaler Konflikt.

Vor allem in Ost-Ghuta spielten sich in den vergangenen Tagen bei Luftangriffen dramatische Szenen ab. Täglich kursierten Bilder von staubigen und blutigen Opfern, die nach Angriffen der Luftwaffe unter Trümmern begraben wurden. Rund 400 000 Menschen sind dort fast vollständig von der Außenwelt abgeschlossen. Die humanitäre Lage ist dramatisch. Syriens Führung nutzt offenbar eine Taktik, die sie schon mehrfach eingesetzt hat, aus ihrer Sicht erfolgreich: Ost-Ghuta so lange auszuhungern und zu bombardieren, bis die überwiegend radikalen Rebellen aufgeben. Kaum besser sieht es in der Provinz Idlib aus, wo seit Mitte Dezember den UN zufolge 325 000 Menschen von der Gewalt vertrieben wurden.

Die Oberhand in dem Konflikt konnte die Regierung dank russischer Luftangriffe gewinnen – und dank der Hilfe aus Teheran. Der schiitische Iran hat nicht nur Militärberater nach Syrien geschickt, sondern finanziert auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die an der Seite der syrischen Armee kämpft. Unterstützung aus Teheran erhalten vermutlich auch etliche lokale Milizen, die sich überall im Land gebildet haben. Für viele Beobachter gelten der Iran und die Hisbollah längst als die eigentlich Mächtigen in Syrien. Der zunehmende Einfluss des Irans und der Hisbollah hat auch in Israel Unruhe ausgelöst. Seit Monaten fliegen israelische Jets Luftangriffe gegen Ziele in Syrien, von denen sich die meisten gegen die mit Israel verfeindete Schiitenmiliz richten dürften.

Syrien als zentrales Thema in München

Umso entscheidender ist, dass genau jetzt alle Syrien-Akteure und ihre Verhandler zusammentreffen – in München. Denn bis auf das Assad-Regime werden alle in Syrien engagierten Mächte auf der Sicherheitskonferenz vertreten sein, auch jene, die „nur“ im Hintergrunde an den Strängen ziehen. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump schickt Sicherheitsberater H.R. McMaster und Verteidigungsminister James Mattis. Die beiden können sich im Hotel Bayerischer Hof mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammensetzen und eine Botschaft an Präsident Wladimir Putin senden. Thema: Das Assad-Regime will das ganze Land zurück erobern. Russische und iranische Unterstützung machen ihn mutig. Was brandgefährlich werden kann, wenn am Ende Russen und Amerikaner sich in Syrien gegenüberstehen.

Syrien ist die Arena der Rivalität zwischen dem Iran und seinen Feinden.

Foreign Policy

Ebenso wichtig wäre, dass die Amerikaner auf der Sicherheitskonferenz dem türkischen Premier und seinem Außenminister noch einmal klarmachen, dass sie in Nordsyrien ihre treuen kurdischen Verbündeten nicht fallen lassen werden. Amerikaner und Russen haben sich schon auf eine Demarkationslinie entlang des Euphrat verständigt: westlich des Flusslaufs operieren die Regimetruppen, östlich davon die kurdisch geführten Koalitionstruppen. Das Kurdengebiet verfestigt sich. Was Ankara um den Verstand bringt. An der türkisch-syrischen Grenze könnten darum zwei Nato-Partner auf einander prallen – was Moskau freuen würde.

Auch die Außenminister Saudi-Arabiens und des Irans, dazu der irakische Premier und die Außenminister von Ägypten und Kuwait werden in München sein. Das kleine aber unermesslich reiche Gas-Scheichtum Katar, das von Beginn an eine üble Rolle im syrischen Bürgerkrieg gespielt hat, wird mit Emir und Außenminister in München sein. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wird erwartet –  übrigens eine Premiere, denn ein israelischer Premierminister war noch nie Gast der Sicherheitskonferenz. Ob die Israelis sich einmal mit den Iranern treffen?

Mit der libanesischen Hisbollah-Miliz und afghanischen Freiwilligen kämpfen die Mullahs für das Assad-Regime – und für eine Landbrücke von Iran über Irak und Syrien bis zum Libanon. Was die arabischen Todfeinde des Iran nach Syrien führt – und Israel alarmiert. Syrien wird zur Arena der großen regionalen Rivalität zwischen dem Iran und seinen Gegnern.

Treffen der Geheimdienstchefs

Was früher nicht so deutlich wurde: Die Sicherheitskonferenz ist auch ein Geheimdienst-Treffen: Der Chef der nationalen US-Geheimdienste, Ex-Botschafter Dan Coats, wird in München sein, ebenso CIA-Chef Mike Pompeo. Sie können sich mit dem britischen MI6-Chef Alex Younger und mit Mossad-Direktor Yossi Cohen zusammensetzen. BND-Chef Bruno Kahl und Interpol-Direktor Jürgen Stock haben sich angekündigt. Auch die Geheimdienstler haben Grund über Syrien zu sprechen und über die Terror-Gefahr, die nach wie vor von dem syrisch-irakischen Bürgerkriegsgebiet ausgeht – etwa über hunderte, wenn nicht tausende Dschihadisten, die in benachbarte Konfliktregionen entwichen sind oder jetzt als Dschihad-Rückkehrer nach Europa streben.