Erdogan unterdrückt seine politischen Gegner immer stärker. (Bild: Imago/Itar-Tass/Mikhail Metzel)
Türkei

Kaum noch Hoffnung

Seit hundert Tagen sitzt sie in türkischer Haft: Die deutsche Journalistin Mesale Tolu aus Neu-Ulm. Nun meldet sie sich in einem Brief zu Wort. Auch der Schauprozess gegen einen General in der Türkei zeigt: Der Druck auf politische Gegner wächst.

„Es gibt Hunderte Frauen, die mit ihren Kindern inhaftiert sind“, schreibt Mesale Tolu aus dem Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy, wo sie seit mehr als hundert Tagen inhaftiert ist und auf ihren Prozess wartet. Der Bayerische Rundfunk zitiert aus ihrem Brief weiter: „Wir sind nicht die einzigen, auch mit ihnen müssen wir uns solidarisch zeigen. Ich glaube daran, dass es bald sonnige Tage für uns geben wird.“

Es gibt nicht die geringsten Anhaltspunkte, die uns Hoffnung schöpfen ließen, dass von diesen Deutschen abgelassen würde.

Martin Schäfer, Sprecher Auswärtiges Amt

Tolus kleiner Sohn lebt bei ihr, weil auch sein Vater in Haft ist und der Bub es ohne seine Mutter nicht ausgehalten hat. Ein Ball sei sein einziges Spielzeug, berichtete zuletzt sein Bruder in einem Interview mit BR24.

Vorwurf: Terror-Propaganda

Tolu lebt in Neu-Ulm und Istanbul. Sie arbeitete als Übersetzerin und Journalistin bei einer linken Nachrichtenagentur. Am 11. Oktober soll der Prozess gegen sie beginnen, berichtet der BR. Ihr werden Mitgliedschaft in einer Terrororganisation (hier die verbotene linksextreme MLKP) und terroristische Propaganda vorgeworfen – die übliche Anklage gegen Kritiker des türkischen Diktators Recep Erdogan.

100 Tage ist die Deutschtürkin nun in Haft.

Kaum Hoffnung auf baldige Freilassung

In der Türkei sitzen mittlerweile mehrere Deutsche in Haft. Die Bundesregierung hat wenig Hoffnung auf eine baldige Freilassung der in der Türkei inhaftierten Deutschen. „Es gibt nicht die geringsten Anhaltspunkte, die uns Hoffnung schöpfen ließen, dass von diesen Deutschen abgelassen würde“, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer am Montag in Berlin. Er äußerte dabei erneut scharfe Kritik an der Inhaftierung des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner. Auch einen Monat nach dessen Festnahme sei nicht klar, was ihm konkret zur Last gelegt werde.

Bestätigt wird Schäfer durch die Vorverurteilungen, die der türkische Diktator immer wieder öffentlich äußert und die der gelenkten Justiz die Richtung vorgeben werden. Erdogan warf Deutschland jetzt erneut vor, türkischen Terroristen Schutz zu bieten, statt diese an die Türkei auszuliefern. Gleichzeitig fordere die Bundesregierung die Freilassung deutscher „Terroristen“, die in der Türkei inhaftiert seien. Damit ist das Urteil über die inhaftierten Deutschen gefällt, bevor es ein Gerichtsurteil gibt.

Harte Gangart gegen Kritiker

Die Gangart in der Türkei gegen politische Gegner wird immer härter. Das zeigt auch der Schauprozess gegen den General Akin Öztürk, einen der Hauptangeklagten im Putsch-Prozess. Zum Zeitpunkt des Putschversuchs besaß er keine aktive Funktion mehr in den Streitkräften, war aber hoch angesehen und immer noch Mitglied im Obersten Militärrat, berichtet die Welt in ihrer Online-Ausgabe.

Öztürk weiß natürlich, dass man in türkischen Gefängnissen auf verschiedenste Weise sterben kann.

Die Welt

Seine Anwesenheit in der Putschnacht im Hauptquartier der Umstürzler auf dem Luftwaffenstützpunkt Akinci sei demnach belegt. Jetzt steht er vor Gericht – und beschuldigt unter anderem Deutschland, den Putschversuch unterstützt zu haben. Schon dieser absurde Vorwurf spricht ebenso wie vieles andere laut Welt allerdings dafür, dass massiver Druck auf Öztürk ausgeübt wurde, um ihn zu solchen Aussagen zu drängen. Die Welt schreibt: „Angesichts dessen, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederholt gedroht hat, die Todesstrafe einzuführen, steht für Öztürk möglicherweise sein Leben auf dem Spiel. Und er weiß natürlich, dass man in türkischen Gefängnissen auf verschiedenste Weise sterben kann – auch ohne Todesstrafe.“