Polizisten gehen Mitte Juni hart gegen eine Demonstration vor, die sich gegen die zunehmende Korruption in Russland richtete. (Bild: Imago/Zuma/Evgeny Feldman/Pool)
Nawalny

Russland erstickt Opposition

Russlands diktatorisches Regime um Wladimir Putin versucht mit allen Mitteln, keine starke Opposition aufkommen zu lassen. Jetzt hat die Wahlleitung dem Oppositionsführer Alexej Nawalny das Recht auf eine Präsidentschaftskandidatur aberkannt.

Die russische Wahlleitung hat dem Oppositionellen Alexej Nawalny das Recht auf eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2018 abgesprochen. Die fadenscheinige Begründung dafür: Er sei in einem Diebstahlsprozess rechtskräftig zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das schrieb die zentrale Wahlkommission in Moskau in einer Mitteilung. „Folglich hat A. Nawalny derzeit kein passives Wahlrecht“ – er dürfe sich nicht wählen lassen.

Partei der Gauner und Diebe.

Alexej Nawalny, über die Kreml-Partei „Einiges Russland“

Auch dass Nawalny sich selbst als Kandidat bezeichne und überall im Land schon Wahlkampfstäbe einrichte, liege außerhalb des russischen Wahlrechts. Erst im Dezember werde das Wahlverfahren für die Präsidentenwahl im März 2018 offiziell eingeleitet.

Der schwierige Aufstieg eines Kremlkritikers

Der Rechtsanwalt Nawalny war seit 2007 als Blogger bekannt geworden, der mit seinen Artikeln die russische Kleptokratie, die Herrschaft der Diebe in staatlichen Ämtern, aufdeckte und bekämpfte. Er prägte die Bezeichnung „Partei der Gauner und Diebe“ für die Kreml-Partei „Einiges Russland“ und deckte Veruntreuung von Staatsgeldern durch Beamte und Angestellte in Milliardenhöhe auf.

Als er 2010 den Autokraten Putin persönlich in Verbindung mit der Veruntreuung von Geld beim Bau einer Pipeline in Sibirien brachte, zog er sich endgültig dessen Unmut zu.

Klageflut gegen den Unbequemen

Daraufhin ließ ihn das Regime 2013 in einem allgemein als politisch motivierten Strafverfahren wegen angeblicher Unterschlagung von Holz erst zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilen, die später zur Bewährung ausgesetzt wurden. Nawalny focht das umstrittene Strafurteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg an, der es im November 2016 aufhob. Der EGMR rügte die Verurteilung Nawalnys als „willkürlich“ und „befürchtete“ ein Urteil „politischer Natur“. Im Februar 2017 wurde er in Russland nach einer Neuaufnahme des Prozesses jedoch erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das neue Urteil, auf das sich jetzt auch die Aberkennung des passiven Wahlrechts stützt, glich im Wortlaut weitgehend dem Schuldspruch von 2013, der vom EGMR aufgehoben wurde. Nawalny hat bereits Berufung vor dem EGMR gegen das neue Urteil eingelegt.

2014 gab es zudem noch ein weiteres Strafverfahren gegen Nawalny wegen angeblichen Betruges an einem französischen Kosmetikhersteller. Auch wenn die Firma öffentlich bekannt gab, dass ihr gar kein Schaden entstanden sei und es diesen Vertrag mit dem Rechtsanwalt genauso wieder abschließen würde, endete auch dieses Urteil mit einer dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe für Nawalny und einer Haftstrafe gegen dessen Bruder.

Das Motiv hinter all diesen konstruierten Verfahren: Seit 2013 sind per eigens geschaffenem Gesetz für wegen eines schweren Vergehens Vorbestrafte keine politischen Kandidaturen mehr möglich – was ab fünf Jahren Bewährung gilt. Nawalny hält das Gesetz für ihn nicht anwendbar, weil laut russischer Verfassung Nicht-Inhaftierte das Recht haben, zur Präsidentenwahl antreten zu dürfen.

Russlands Regime vor Gericht

Mehrfach ließ das Regime ihn auch vor und während Demonstrationen kurzerhand verhaften, um seine Teilnahme zu verhindern. Auch dagegen klagte der Oppositionsführer erfolgreich vor dem EGMR, der im Februar 2017 Russland zur Zahlung von 63.000 Euro an Nawalny für die mehrfache Verletzung seines Rechts auf friedliche Demonstrationen verurteilte.

Im Februar 2016 versuchte Nawalny erneut, Präsident Putin persönlich wegen Korruption vor Gericht zu bringen – diesmal im Zusammenhang mit Zahlungen des Staates an den Petrochemie-Konzern Sibur, an welchem Putins Schwiegersohn mit etwa 17 Prozent beteiligt sein soll. Das Gericht nahm die Klage jedoch nicht an.

Der Oppositionsführer

Im Oktober 2012 wurde Nawalny an die Spitze eines neu geschaffenen Koordinierungsrates der russischen Opposition gewählt. Bei der von der Opposition als umfassend gefälscht bezeichneten Bürgermeisterwahl in Moskau im September 2013 erzielte der Kremlkritiker dennoch 27 Prozent der Stimmen. Nach der Ermordung von Boris Nemzow unweit des Kreml 2015 gilt Nawalny als wichtigster Oppositionsführer.

Politisch verfolgt er derzeit die Taktik, so zu tun, als ob in Russland ein normaler Wahlkampf gegen Präsident Wladimir Putin möglich sei – auch wenn er das natürlich schon deshalb nicht ist, weil es praktisch keine oppositionellen Medien mehr gibt. Der Oppositionsführer hätte laut Umfragen auch keine Chance auf einen Sieg bei den Wahlen. Dennoch: Nawalnys Wahlkampfstäbe in über 40 Städten dienen als Anlaufstellen für junge Aktivisten. Im März und im Juni rief er seine Anhänger zu Protesten gegen Korruption auf die Straße. Er hoffte, dadurch so viel politisches Gewicht zu gewinnen, dass der Kreml seine Kandidatur nicht mehr aus fadenscheinigen rechtlichen Gründen ablehnen kann. Wie es aussieht, vergeblich.

(dpa/BK)