Bruderkampf: Russland hat Teile der Ukraine besetzt und führt einen unerklärten Krieg gegen das Land. Bild: Fotolia/rangizz
Unerklärter Krieg

Ukraine warnt vor russischem Einmarsch

Bei einer Großoffensive gegen die ukrainische Armee haben 500 bis 1000 prorussischen Separatisten die Stadt Marjinka nahe der Rebellenhochburg Donezk angegriffen. Präsident Petro Poroschenko spricht von mehr als 80 Toten. Gleichzeitig kündigt er eine Gegenoffensive an: Die derzeitige Truppe von 50.000 Mann im Donbass werde auf 250.000 Mann verstärkt.

Kurz vor dem G7-Gipfel hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor einer „beispiellos großen Gefahr eines russischen Einmarsches“ in der Ukraine gewarnt. Deshalb seien im Kriegsgebiet mehr als 50.000 ukrainische Soldaten stationiert. Die Rüstungsbetriebe der Ukraine arbeiteten im Dreischichtsystem, sagte Poroschenko in Kiew. Er kündigte ein Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama vor dem G7-Gipfel an, „um Positionen zu koordinieren“. Bei dem G7-Gipfel im oberbayerischen Elmau am Sonntag und Montag ist die Ukrainekrise eines der großen Themen. Poroschenko warf den Separatisten und Russland vor, immer wieder das zweite Minsker Friedensabkommen von Mitte Februar zu brechen.

Poroschenko kündigt massive Aufrüstung an

Die prorussischen Rebellen bereiteten möglicherweise eine große Offensive vor, zudem befänden sich mehr als 9000 russische Soldaten im Separatistengebiet, so Poroschenko. Angesichts der jüngsten schweren Kämpfe in Marjinka nahe der Separatistenhochburg Donezk erklärte der Präsident, dass der Angriff der Aufständischen erfolgreich abgewehrt worden sei. Die Stadt Marjinka sei von 500 bis 1000 Kämpfern angegriffen worden, dabei seien 80 Rebellen getötet worden. Auch zwei Zivilisten seien umgekommen. Bei den Kämpfen seien auch zwölf Saboteure festgenommen worden, die Widerstand gegen die ukrainische Armee geleistet hätten. Unter den Festgenommenen sei ein russischer Staatsbürger. Der „Verteidigungsminister“ der Donezker Rebellen, Eduard Bassurin, sprach dagegen von 19 Toten: 14 Rebellen und fünf Zivilisten. Die Angaben konnten nicht unabhängig verifiziert werden.

Poroschenk rechtfertigte den größten Militäreinsatz der Ukraine seit Monaten als Akt der Verteidigung gegen die prorussischen Separatisten. Immer wieder hätten die Aufständischen angedroht, ihren Einflussbereich im Donbass auszuweiten, sagte der Präsident. Dieses Expansionsstreben sei nun zurückgeschlagen worden. Angesichts der Eskalation kündigte Poroschenko an, die Militärausgaben des Landes künftig noch weiter zu erhöhen. „Die Gefahr großer Kampfhandlungen im Donbass bleibt“, betont er. Bisher seien dort 50.000 Soldaten im Einsatz gegen den Feind. Bis Ende dieses Jahres will er die Streikräfte auf rund 250.000 Mann erhöhen.

OSZE besorgt, Russland und Separatisten waschen Hände in Unschuld

Besorgt über das massive Aufflammen der Kämpfe äußern sich die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ihre Beobachter hätten mindestens ein Dutzend Panzer von Donezk zur Front bei Marjinka fahren sehen. OSZE-Leute hätten in den vergangenen Tagen zudem bemerkt, dass schwere Waffen beider Seiten, die unter dem Minsker Abkommen von der Front abgezogen worden waren, von ihren Rückzugsstandorten verschwunden seien.

Doch die Aufständischen weisen – wie immer – jede Schuld von sich. „Die Lage in der Donezker Volksrepublik hat sich extrem verschärft“, sagt Separatistenführer Bassurin. Aber die Aufständischen wollten sich weiter an den Friedensplan halten, beteuert er. Es gebe keine Pläne, Artillerie wieder an die Front zu verlegen. Russland bestreitet nach wie vor vehement, die Separatisten mit Waffen oder Kämpfern zu unterstützen. Wegen der neuen Gewalt in der Ostukraine hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Krisensitzung einberufen.

Merkel: Russland verletzt Völkerrecht

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Lage in der Ukraine auch auf dem G7-Gipfel in Elmau eine wichtige Rolle spiele: „Wir werden eine Bestandsaufnahme des Minsker Prozesses vornehmen, der ja eine politische und friedliche Lösung für die Ostukraine ermöglichen soll. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen, aber er wird weiterhin Zeit brauchen.“ Eine Teilnahme Russlands am G7-Forum sei zurzeit nicht vorstellbar. „Die G7 sind eine Gruppe von Staaten, die Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilen. Zu unseren Prinzipien gehört es auch, dass wir das Völkerrecht und die Unverletzlichkeit der Grenzen verteidigen, weil sie die Basis unserer Friedensordnung sind. Russlands Annexion der Krim war dagegen eine Verletzung des Völkerrechts“, betonte Merkel. Warum sie die Annexion der Krim nicht mehr wie vor Kurzem als „verbrecherisch“ einstufen wolle, erklärte die Kanzlerin so: „Meine Haltung zu Russlands Handlungen gegen die Ukraine ist seit Beginn des Konflikts klar und bekannt.“