Berlin und Washington brauchen einander
Kanzlerin Angela Merkel reist zu ihrem ersten Treffen mit US-Präsident Donald Trump nach Washington. Mit Spannung wird erwartet, wie das Gespräch verlaufen wird. Aus dem Weißen Haus heißt es, man erwarte eine "sehr positive Begegnung". Ein Streitpunkt könnten allerdings Handelsfragen sein.
Diplomatie

Berlin und Washington brauchen einander

Kanzlerin Angela Merkel reist zu ihrem ersten Treffen mit US-Präsident Donald Trump nach Washington. Mit Spannung wird erwartet, wie das Gespräch verlaufen wird. Aus dem Weißen Haus heißt es, man erwarte eine "sehr positive Begegnung". Ein Streitpunkt könnten allerdings Handelsfragen sein.

Die Belehrung ist nicht nur bei Anhängern von US-Präsident Donald Trump mit hochgezogenen Augenbrauen aufgenommen worden: „Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“ Mit diesen Worten war Bundeskanzlerin Angela Merkel am Tag nach der US-Wahl vor die Kameras getreten.

Trump seinerseits hat immer wieder Kanzlerin Merkel scharf kritisiert, vor allem für ihre Migranten-Politik. Besonders deutlich in einem Interview mit der Bild-Zeitung und der Londoner Tageszeitung The Times Mitte Januar, Tage vor seinem Amtsantritt: „Ich glaube sie hat einen sehr katastrophalen Fehler gemacht, und das war, all diese Illegalen aufzunehmen, sie wissen schon, all diese Leute, von wo auch immer sie herkommen. Und es weiß nicht einmal jemand, wo sie herkommen. Menschen machen Fehler. Aber ich glaube, das war ein wirklich großer Fehler.“

Amerikas wichtigster Verbündeter

„Bisher ist Frau Merkels Haltung gegenüber Trump als passiv-aggressiv gesehen worden, Trumps Haltung gegenüber Merkel als aktiv-aggressiv“. So beschreibt in der Londoner Tageszeitung The Daily Telegraph der britische Deutschland-Experte Professor Anthony Glees die noch unerprobte Beziehung zwischen den beiden Regierungschefs.

Das ist einer der wichtigsten Augenblicke zu Beginn der Trump-Regierung.

Ehemaliger US-Außenstaatssekretär Nicholas Burns

Am kommenden Freitag wird Merkel zu ihrem Besuch im Weißen Haus eintreffen. „Das ist einer der wichtigsten Augenblicke zu Beginn der Trump-Regierung“, sagt in Washington der Harvardprofessor und ehemalige Außenstaatssekretär Nicholas Burns: „Sie ist wahrscheinlich Amerikas wichtigster Verbündeter in der Welt. Sie ist mit Abstand die stärkste Regierungschefin in Europa. Und sie hat Wladimir Putin den wirksamsten Widerstand entgegengesetzt.“

In der jungen Trump-Administration, die eben erst Tag 50 ihrer Amtszeit hinter sich gebracht hat, sieht man das inzwischen offenbar ähnlich: „Deutschland ist einer unserer wichtigsten Verbündeten und Partner in der Welt“, betonte ein „hochrangiger Regierungsvertreter“ auf der Pressekonferenz vor dem Besuch. Präsident Trump freue sich sehr darauf, Bundeskanzlerin Merkel im Weißen Haus zu empfangen.

Nato und Russland

Als erstes Gesprächsthema wird in Washington die Stärkung der Nato genannt, und die Verpflichtung aller Bündnispartner, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden. Die Trump-Administration sei sehr froh darüber, dass Deutschland diese Verpflichtung bis zum Jahr 2024 umsetzen wolle: „Präsident Trump ist der Auffassung, dass Deutschland als eine der stärksten Nato-Wirtschaften ein Beispiel geben und durch sein Beispiel führen sollte, so wie wir das in den Vereinigen Staaten tun.“

Der Präsident wird sehr interessiert sein, von den Erfahrungen der Bundeskanzlerin aus ihren Begegnungen mit Putin zu hören.

Weißes Haus

Wohl das zweitwichtigste Thema wird Russland sein. Trump will sich von Merkel über ihre Begegnungen mit Russlands Präsident Putin berichten lassen und über ihre Erfahrungen im Umgang mit ihm, so der „hochrangige Regierungsvertreter“  im Weißen Haus: „Sie macht das seit über einem Jahrzehnt. Sie hat Putin mindestens ein paar Dutzend mal getroffen. Und darum wird er sehr daran interessiert sein, von ihren Einsichten zu hören und darüber, wie es ist, mit den Russen zu tun zu haben.“

Dabei wird es natürlich auch um die Ukraine und das Minsker Waffenstillstandsabkommen gehen. Präsident Trump erkenne Deutschlands und Frankreichs Führungsrolle bei den Ukraine-Verhandlungen an, hieß es vor dem Merkel-Besuch in Washington. Dazu kamen Andeutungen, dass sich Trump-Administration in Zukunft womöglich stärker einbringen wolle.

Handel, TTIP und EU

Auf deutscher Seite betrachtet man die die Handelspolitik als besonders schwierigen Punkt der Reise, an der auch die Vorstandschefs von Siemens, BMW und Schaeffler teilnehmen. Die Trump-Administration hat zuletzt massiven Anstoß an Deutschlands Handelsbilanzüberschuss mit den USA von 65 Milliarden Dollar genommen und mit Importzöllen gedroht. „Wir wollen ein offenes Gespräch über Handelsfragen führen“, heißt es jetzt aus dem Weißen Haus.

Die Amerikaner sind sich dabei sehr bewusst, dass Deutschland als EU-Mitglied keine bilateralen Handelsabkommen mit den USA schließen kann. Interessant: Das europäisch-amerikanische Handelsabkommen TTIP ist noch auf dem Tisch. „Wir haben dazu noch keine endgültige Position formuliert. TTIP ist noch da, und es kann gut sein, dass das ein Diskussionsthema wird“, heißt es dazu auf amerikanischer Seite. Allerdings glaubt man in Washington, dass die Europäer in einem Jahr mit vielen wichtigen Wahlen in Europa das Thema TTIP derzeit nicht ernsthaft vorantreiben wollen.

Die EU ist ein entscheidender Faktor für den Frieden und den Wohlstand in der Welt.

Weißes Haus

Präsident Trump hatte zuletzt eher negativ über die Europäische Union gesprochen. Da hat im Weißen Haus womöglich ein Umdenken eingesetzt. Jetzt verweist man dort auf den Februar-Besuch von Vizepräsident Mike Pence in Brüssel. Der hatte betont, „dass wir daran interessiert sind, eine starke und dauerhafte Beziehung zur EU zu pflegen“. Die EU sei „ein entscheidender Faktor für den Frieden und den Wohlstand in der Welt“.

Das heikle Flüchtlings- und Migranten-Thema will man in Washington im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terror, Zusammenarbeit bei der Grenzsicherung und der Kooperation der Geheimdienste besprechen. Wichtig ist der amerikanischen Seite außerdem das Thema Cyber-Sicherheit, so das Weiße Haus: „Dem Präsidenten ist sehr daran gelegen, in Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung unsere gemeinsame Verteidigung gegen Cyber-Angriffe über das Internet zu stärken.“

Beide Seiten unter Erfolgsdruck

Washington ist entschlossen, den Merkel-Besuch zu einer „sehr positiven Begegnung“ zu machen, hieß es auf der Pressekonferenz im Weißen Haus: „Zweck des Treffens ist es, eine persönliche Beziehung aufzubauen und zu versuchen, zwischen dem größten Land in Europa und den Vereinigten Staaten einen positiven Austausch über eine großen Zahl von Themen herzustellen.“ Washington ist unter Druck: Nach dem EU-Ausstieg Großbritanniens brauche Amerika einen großen Freund in der EU, erläutert der britische Deutschland-Experte Glees.

Noch größerer Druck laste allerdings auf Bundeskanzlerin Merkel, so Glees: „70 Jahre lang hat die Bundesrepublik Deutschland die USA nicht nur als Garant ihrer Freiheit betrachtet, sondern als ihren besten Freund und Verbündeten. Wenn jetzt die USA aus der deutschen und europäischen Gleichung herausfallen, dann wird Deutschland in unbekanntes Gelände gedrängt. Das gefällt den Deutschen nicht.“