Auch Frankreich kämpft mit der wachsenden Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Die 1990 in Kraft getretene UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet alle Signatarstaaten zum Schutz heimatloser Minderjähriger. Doch in Frankreich hat jetzt innerhalb nur weniger Monate das Phänomen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unvorhergesehene Ausmaße erreicht, berichtete kürzlich die Pariser Tageszeitung Le Figaro.
Bis 2014 wurde die Zahl der Kinder-Flüchtlinge ohne Eltern oder Vormund in Frankreich auf 6000 oder zuletzt 8000 geschätzt. Bis Ende 2015 wird jetzt aber mit über 10.000 minderjährigen Flüchtlingen gerechnet. Sorgen macht vor allem der weitere Zustrom. Von Regierungsseite wurde mit jährlich 1500 zusätzlichen minderjährigen Flüchtlingen gerechnet. Tatsächlich sei aber jährlich mit mindestens 4000 Neuzugängen zu rechnen, was dann etwa zehn Prozent der Sozialhilfe für Kinder ausmachen würde, so der Präsident des Rats des Departements Alpes-Maritime im Südosten des Landes. 2013 verfügte Justizministerin Christiane Taubira die Verteilung der Kinder-Flüchtlinge auf Frankreichs Departments gemäß einem Schlüssel, um die finanziellen Belastungen gerechter zu verteilen.
Jährlich zwei Milliarden Euro für Asyl und Asylbewerber
Tatsächlich kosten die minderjährigen Flüchtlinge die Departements viel Geld: Das Département Côte-d’Or in Burgund wendet für 100 jugendliche Flüchtlinge jedes Jahr 4,5 Millionen Euro auf. Das Département Alpes-Maritime im Südosten des Landes zahlt sieben Millionen Euro für 136 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge. Paris hat mit 1700 Fällen zu tun. Besonders betroffen sind auch die Departements Seine-Saint-Denis bei Paris oder Pas-de-Calais an der Kanalküste, wo sich Migranten sammeln, die Großbritannien erreichen wollen.
Die für 2015 erwartete Gesamtzahl von 10.000 minderjährigen Flüchtlingen wird pro Jahr mehr als 500 Millionen Euro kosten, errechnet Le Figaro. Das ist viel Geld, wie eine andere Zahl des französischen Rechnungshofes zeigt: Insgesamt wendet Frankreich für Asyl und Asylberwerber jedes Jahr zwei Milliarden Euro auf.
57 Prozent der angeblich minderjährigen Flüchtlinge waren erwachsen
Wie die erwachsenen Flüchtlinge können sind auch die unbegleiteten Jugendlichen oft nicht wirklich asylberechtigt: 70 Prozent der minderjährigen Flüchtlinge im Département Côte-d’Or kämen aus nur drei Ländern − Angola, der Demokratische Republik Kongo und Kongo-Brazaville −, in denen es derzeit keinen Krieg gibt, berichtet etwa der Präsident des Départementalrates. Bei medizinischen Altersproben hat sich einem französischen Bericht aus dem Jahr 2013 zufolge zudem herausgestellt, dass 57 Prozent der angeblichen unbegleiteten Minderjährigen gar nicht mehr minderjährig, sondern erwachsen waren. Derartige Untersuchungen können allerdings nur auf richterliche Anordnung vorgenommen werden.