Die EU-Außengrenze im Blick: Frontex erhält für den Krisenfall deutlich mehr Personal. (Bild: Frontex)
Frontex

Mehr Personal zum Schutz der Grenzen

Die europäischen Außengrenzen werden engmaschiger, ein unkontrollierter Zustrom von Asylbewerbern soll sich nicht wiederholen. Sorge dafür trägt die Grenzschutzagentur Frontex, die jetzt mehr Personal erhält.

Nachdem der Zustrom von Flüchtlingen über Griechenland und die Türkei zuletzt deutlich abgeflaut ist, richtet sich das Augenmerk zurzeit wieder verstärkt auf das Mittelmeer. Medienberichten zufolge sind es täglich rund 100 Menschen, die von Patrouillenbooten der Grenzschutzagentur Frontex aus dem Wasser gezogen werden. „Was können wir schon tun, wenn Menschen im Meer ertrinken“, sagte jüngst Frontex-Chef Fabrice Leggerie zu dem abscheulichen Vorgehen der Schleuser. Seinen Angaben nach werden die Flüchtlinge in Libyen in die Boote gesetzt und in Richtung Italien aufs offene Meer geschickt. Der Diesel für die Schiffsmotoren reicht gerade mal bis zum Verlassen der libyschen Hoheitsgewässer. Dort werden die Menschen ihrem Schicksal überlassen; Frontex rettet die Flüchtlinge und bringt sie nach Europa.

Solange eine Seerettung gleichbedeutend mit einem Zugang zu Europa ist, wird der Zustrom an Menschen in Italien und Griechenland nicht abreißen.

Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)

Allen voran Österreich fordert hier ein klares Umdenken: „Solange eine Seerettung gleichbedeutend mit einem Zugang zu Europa ist, wird der Zustrom an Menschen in Italien und Griechenland nicht abreißen“, sagte diese Woche Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor einem Treffen seiner EU-Kollegen in Luxemburg. Der Ausbau der Grenzschutzagentur sei ein erster Schritt, dem aber weitere folgten müssten, „um die EU-Außengrenzen wirksam zu schützen“. Der österreichische Innenminister griff damit auch eine Forderung der rechtspopulistischen FPÖ auf: „Die akute Bedrohungslage macht rasches Handeln erforderlich. Die bisherige Praxis, dass Frontex vor der Küste Libyens Abertausende von Migranten aufgreift und nach Europa schafft, anstatt sie nach Libyen zurückzubringen, wird sich durch ,Frontex neu‘ wohl leider nicht ändern“, erklärte Franz Obermayr, der für die FPÖ im Europaparlament sitzt. Die neue Behörde sei sogar verpflichtet, dem „Grundsatz der Nichtzurückweisung“ zu folgen. Obermayr: „Die Rettung aus Seenot ist wohl weiterhin ein Ticket nach Europa.“ Nicht viel anders sieht das bekanntlich Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP): „Wer künftig auf hoher See gerettet wird, sollte nicht auf das Festland von Italien oder Griechenland gebracht, sondern nach Libyen, Ägypten oder in andere Transitländer zurückgestellt werden“, forderte er jüngst.

Strengere Regeln nach „Push-Back“-Operationen

Das EU-Parlament hatte bekanntlich 2014 strengere Regeln für Frontex beschlossen, nachdem im Jahr davor massive Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen laut geworden waren. An der griechischen Land- und Seegrenze wurden damals regelmäßig sogenannte „Push-Back“-Operationen durchgeführt, die als völkerrechtswidrig gelten: Flüchtlinge wurden mit ihren Booten in die Türkei zurückgedrängt, ohne dass sich ihnen die Möglichkeit bot, um Asyl zu ersuchen. Der damalige Frontex-Direktor Ikka Laitinen bestätigte, dass die Agentur an den Aktionen beteiligt war. Mittlerweile ist es Frontex strengstens untersagt, Flüchtlinge abzuweisen. Die Agentur ist verpflichtet, die Menschen zu retten, ihre Boote dürfen nicht mehr abgedrängt und zur Rückkehr gezwungen werden. Das hat sich selbstverständlich schnell unter Flüchtlingen und Schleppern herumgesprochen.

Zahl der Grenzschützer wird im Bedarfsfall verdoppelt

Mit ihrem aktuellen Beschluss richtet sich die EU auf einen möglichen neuen großen Flüchtlingszustrom ein: Im Bedarfsfall kann das Personal der Frontex-Agentur verdoppelt werden, ein entsprechender „Krisenpool“ wird von den Ländern aufgebaut. Zurzeit haben bereits 1500 Frontex-Mitarbeiter die EU-Außengrenzen im Auge. 660 von ihnen sind laut Agentur-Chef Leggerie in Griechenland im Einsatz, 550 in Italien und rund 200 in Bulgarien. Leggerie bezeichnete die beschlossene Aufstockung als „bahnbrechend“. Die EU könne nun tatsächlich die Lehren aus der Flüchtlingskrise des vergangenen Jahres ziehen, meinte er.

Sind unsere Außengrenzen in bestimmten Gebieten darauf vorbereitet, mit 5000 bis 10.000 Migranten täglich umzugehen? Das wäre eine typische Frage.

Fabrice Leggerie, Frontex-Chef

Neben einer stärkeren Präsenz plant Frontex jetzt auch einen Stresstest der EU-Mitgliedsländer, den zunächst Deutschland, Finnland und Slowenien durchlaufen. Eine typische Frage dabei sei, ob die Außengrenzen in bestimmten Gebieten darauf vorbereitet seien, „mit 5.000 bis 10.000 Migranten täglich umzugehen“, erläutert Leggerie. Seinen Blick richtet Frontex dabei auf die Personallage in den Ländern, die von ihnen bereitgestellten Finanzmittel, die vorliegenden Notfallpläne sowie die Registrierung und medizinische Versorgung der Flüchtlinge. Obwohl der Zustrom von Migranten zuletzt deutlich abgeebbt ist, hat sich Deutschland freiwillig als eines der ersten Länder für den Test gemeldet. Das Land spiele schon wegen seiner großen Flughäfen in Frankfurt und München eine wichtige Rolle beim EU-Grenzschutz, betonte Frontex-Chef Leggerie.

Über Frontex:

Frontex (französisch: „Frontières Extérieures“ – Außengrenzen) wurde 2005 von der Europäischen Union (EU) gegründet. Die Agentur beschäftigt Vertragsbedienstete und Entsandte von Behörden der Mitgliedsstaaten. Ihr vorrangigstes Ziel ist es, dass Europas Grenzen offen und sicher bleiben. Für Frontex gehört irreguläre Einwanderung ebenso zu den Risiken wie grenzüberschreitende Kriminalität. Sitz der Agentur ist in Warschau, es gibt drei große Abteilungen: Operationen, „Fähigkeiten“ (Capacites) und die Verwaltung. Die Abteilung Operationen koordiniert die gemeinsamen Einsätze der Grenzpolizeien der Mitgliedsländer, die Abteilung „Capacities“ übernimmt die Forschung und das Training der Mitarbeiter. Die Verwaltung kümmert sich um die Finanzen, das Personal und die IT. Das Budget von Frontex hatte die EU seit der Agenturgründung kontinuierlich erhöht; zuletzt auf 254 Millionen Euro für 2016. Zum Vergleich: Die europäische Polizeibehörde Europol erhält jährlich 100 Millionen Euro. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)