Erneuerung der Sichtreklame eines McDonalds-Restaurants in Herzogenaurach, Bayern. (Bild: Imago/fossiphoto)
EU-Kommission

Rote Karte für Steuerdumping

Nach Apple ist jetzt auch McDonald's dran: Die Europäische Kommission geht wegen zu wenig gezahlter Steuern auch gegen den Fast-Food-Konzern vor. In den USA stoßen die Vorwürfe auf Unverständnis. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager reist deshalb nach Nordamerika.

Die Europäische Kommission ermittelt erneut wegen Steuernachzahlungen gegen ein US-Unternehmen. Der Fast-Food-Restaurantkette McDonald’s droht eine Steuernachzahlung in Höhe von bis zu 500 Millionen US-Dollar. Das berichtet die Financial Times und beruft sich dabei auf eine laufende Untersuchung der EU-Kommission. Die Europazentrale von McDonald’s liegt in Luxemburg. Seit 2009 habe die Firma einen Gewinn von 1,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet, aber lediglich einen durchschnittlichen Steuersatz von 1,49 Prozent darauf gezahlt.

Nicht nur McDonald’s im Visier

In der Regel liegt der Steuersatz in Luxemburg bei knapp 30 Prozent – und damit deutlich höher. So könnte die EU-Kommission von McDonald’s eine Nachzahlung fordern. Eine Summe von 500 Millionen Dollar wäre ein mittlerer Betrag verglichen mit anderen Fällen. Der Autohersteller Fiat und die Kaffeekette Starbucks müssen 20 bis 30 Millionen Euro nachbezahlen, gegen Apple verhängte die EU-Kommission Ende August die Rekordsumme von 13 Milliarden Euro plus Zinsen. Im Januar forderte die Kommission zudem Belgien auf, sich rund 700 Millionen Euro an Steuervergünstigungen von mehr als 30 Unternehmen wie Anheuser-Busch oder BP zurückerstatten zu lassen.

Die Ermittlungen im Fall McDonald’s laufen bereits seit Dezember 2015. Die EU-Kommission äußerte sich nicht zum laufenden Verfahren. Das Unternehmen weist die Schuld von sich mit der Begründung: „Wir zahlen die fälligen Steuern und wurden nicht bevorzugt behandelt“. McDonald’s ist nicht der einzige Konzern im Visier der EU. „Amazon und McDonald’s und andere sehr bekannte Unternehmen sind schon auf unserer Liste“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dem Handelsblatt. Laut Süddeutscher Zeitung ermittelt die EU auch wegen Steuerdeals zwischen Luxemburg und dem französischen Energieversorger Engie, an dem der französische Staat zu 33 Prozent beteiligt ist. Es geht dabei um Darlehen, die sich die Tochterfirmen gegenseitig gewährten. Das drückte wiederum die Steuerlast.

Kernanliegen der CSU

Der Chef der größten Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (EVP), kritisierte die Steuerpraxis einiger Weltfirmen. Es könne nicht sein, dass mit den Steuergeldern der Handwerker und Mittelständler die Großkonzerne subventioniert werden, sagte er dem Bayernkurier. Deshalb unterstützt er das konsequente Vorgehen der EU – zumal dies bereits seit langem ein Kernanliegen der CSU sei.

Wir müssen dem Steuerdumping in der EU die rote Karte zeigen. Es kann nicht sein, dass mit den Steu­er­gel­dern der Hand­wer­ker und Mit­tel­ständ­ler Großkonzerne sub­ven­tio­niert wer­den. Das ist seit langem ein Kernanliegen der CSU. Es ist gut, dass die Europäische Kommission hier einen konsequenten Weg geht.

Manfred Weber (EVP), Fraktionsvorsitzender im Europaparlament

USA kritisiert Klima der Unsicherheit

Die Forderung der EU stößt in den USA hingegen auf Unverständnis. Die europäische Wirtschaft leide darunter, wenn Steuernachzahlungen Unsicherheit kreieren, kritisierte Finanzminister Jack Lew in der Tagesschau.

Wir denken, es schwächt das Geschäftsumfeld für internationale Unternehmen in Europa, weil es Unsicherheit kreiert und am Ende nicht gut sein wird für die europäische Wirtschaft.

Jack Lew, US-Finanzminister

Er ist nicht der Einzige. „Im Interesse aller Länder, die die Rechtsstaatlichkeit respektieren, darf diese Entscheidung nicht bestehen bleiben“, verlangt die Organisation Business Roundtable – zu ihren Mitgliedern gehören Firmenchefs von JPMorgan oder AT&T – in einem Brief, der auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet ist. Das berichtet Zeit Online. Die Nachforderung an Apple sei ein Präzedenzfall, der für Verunsicherung sorgen und ausländische Investitionen in Europa bremsen werde.

Gerade wirtschaftsschwache Länder wie Irland sind zudem auf die vielen Arbeitsplätze der Großkonzerne angewiesen. Bayerns Finanzminister Markus Söder hatte im Zusammenhang mit Apple jüngst auch vor einem Handelskrieg mit den USA gewarnt.

Kommissarin auf Versöhnungskurs

Wettbewerbskommissarin Vestager ist derzeit in Nordamerika unterwegs, um die Wogen zu glätten. In den USA ist es üblich, dass Bundesstaaten Unternehmen mit Steuerrabatten anlocken. In der EU dagegen gelten eigene Steuersätze für einzelne Unternehmen als Staatshilfen, die nicht zulässig sind. Bereits Ende August warf Vestager Irland vor, Apple genau so eine Hilfe gewährt zu haben. Deshalb verlangt sie jetzt von dem iPhone-Konzern 13 Miliarden Euro. Weitere Steuernachzahlungen könnten bald auf Amazon und McDonald’s zukommen. Da eine Kontrolle von Staatshilfen nicht zum Wettbewerbsrecht in den USA gehöre, gäbe es viele offene Fragen, sagte die Kommissarin laut Tagesschau. Deshalb sei es ihr wichtig, als Verantwortliche über die Entscheidung vor Ort mitzudiskutieren. Dabei habe sie nicht nur Unternehmen aus den USA im Visier. Rund 1000 vergleichbare Fälle habe ihre Behörde überprüft.

Die Kontrolle von Staatshilfen gehört nicht zum Wettbewerbsrecht in den USA. Darum gibt es viele Fragen. Ich denke, es ist gut, sich persönlich zu treffen. Es ist wichtig, als Verantwortliche für die Entscheidung, hier zu sein und mitzudiskutieren.

Margrethe Vestager, EU-Wettbewerbskommissarin

Was US-Finanzminister Lew zudem ärgert: die hohen Gewinne, die Apple und andere Unternehmen in Europa machen, würde er gerne in den USA besteuern. Lew befürchtet daher einen Eingriff in die Steuergrundlage der USA, indem Einkommen besteuert werde, das in den USA besteuert werden solle. Eine Einigung im Streit der Parteien über eine Steuerreform ist allerdings derzeit nicht in Sicht.

Der Fall Apple

Apple droht nach einer Entscheidung der EU-Kommission eine beispiellose Steuernachzahlung von mehr als 13 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes könnte unter Umständen Deutschland beanspruchen, da Apple auch in München eine Tochtergesellschaft unterhält. Der iPhone-Konzern habe in Irland unerlaubte Steuervergünstigungen in dieser Höhe erhalten, entschieden die europäischen Wettbewerbshüter Ende August. Irland müsse die rechtswidrige Beihilfe für die Jahre 2003 bis 2014 nun plus Zinsen zurückfordern. Die Kommission argumentiert, als Folge der Vereinbarungen in Irland habe der Konzern auf die Gewinne der Handelstochter Apple Sales International einen effektiven Körperschaftsteuersatz gezahlt, der von einem Prozent im Jahr 2003 auf 0,005 Prozent im Jahr 2014 gesunken sei.

Nahezu die gesamten im Verkaufsbereich erwirtschafteten Gewinne seien intern einem „Verwaltungssitz“ zugewiesen worden. Die Prüfung der Kommission habe jedoch ergeben, dass diese „Verwaltungssitze“ nur auf dem Papier bestanden hätten. Apple kontert, damit seien Bereiche in den USA gemeint, unter anderem Forschungsabteilungen und in vielen Fällen die Firmenzentrale in Cupertino. Der Bescheid der Brüsseler Behörde solle nun im Detail geprüft werden, um einen gerichtlichen Einspruch vorzubereiten. Apple lässt bereits seit Jahrzehnten einen erheblichen Teil des weltweiten Geschäfts über Tochterunternehmen in Irland laufen, die Struktur gibt es seit 1980. Bisherige Expertenschätzungen für die Steuernachzahlungen reichten von einigen hundert Millionen bis hin zu 19 Milliarden Dollar, die die Bank JP Morgan als möglichen Höchstwert errechnete. Die EU-Kommission ermittelte nur gegen Irland, aber letztlich wird Apple zur Kasse gebeten, um den zur illegalen Beihilfe erklärten Betrag zurückzuzahlen. Apple sitzt auf Geldreserven von aktuell gut 230 Milliarden Dollar. Über 90 Prozent davon lagern außerhalb der USA, zu großen Teilen auch in Irland. Schwerer als die Rückzahlungen selbst dürfte die Entscheidung als symbolische Bürde Apple belasten.

Wie geht es jetzt weiter? Unerlaubte Beihilfen müssen zurückgezahlt werden. Deshalb wird Irland verpflichtet, die aus Sicht der Kommission ausstehenden Steuern von Apple einzutreiben. Das Land vertritt jedoch die Auffassung, keine unerlaubten Steuerdeals ermöglicht zu haben. Irische Abgeordnete diskutieren allerdings, ob sie ihre Minderheitsregierung beim Einspruch gegen die EU-Entscheidung unterstützen oder lieber die Apple-Milliarden für das Sozialsystem einsetzen wollen. Der Konzern betont, man habe sich stets an Gesetze gehalten und alle fälligen Steuern bezahlt. Deswegen will sich Apple gegen den Steuerbescheid wehren.

(dpa/AS)