Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk. (Bild: Imago/Xinhua/Archiv)
EU-Gipfel

Europa ist „in einer kritischen Situation“

Mehr Sicherheit, mehr Jobs: Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet von der krisengeplagten Europäischen Union rasch konkrete Fortschritte, um das Vertrauen der Bürger wieder zu gewinnen. Beim ersten Gipfel ohne Großbritannien in Bratislava wollen die Staats- und Regierungschefs den Fahrplan dazu festlegen.

„Wir sind in einer kritischen Situation“, so fasst Bundeskanzlerin Angela Merkel die Stimmung im Vorfeld des EU-Gipfels im slowakischen Bratislava zusammen. „Es geht darum, durch Taten zu zeigen, dass wir besser werden können.“ Bei diesem Plan nicht mehr aktiv beteiligt sind die Briten: Der Bratislava-Gipfel ist das erste Treffen, das ohne Großbritannien stattfindet.

„Agenda von Bratislava“ als Ziel

Knapp drei Monate nach der Entscheidung der Briten für ein Ausscheiden aus der EU beraten die übrigen EU-Länder, wie es weiter gehen soll. Die Staatengemeinschaft steckt wegen des angekündigten Brexits, aber auch wegen des Dauerstreits über die Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik in der Krise. Themen des Gipfels sollen daher bessere Grenzsicherung, die Abwehr von Terror und die Überwindung der Wirtschaftsflaute sein. Am Ende soll eine „Agenda von Bratislava“ stehen, die als Fahrplan für die kommenden sechs Monate dienen soll.

Merkel: „Müssen jungen Menschen in Europa Hoffnung und Chancen geben“

Dabei will die deutsche Kanzlerin neben den genannten Themen auch über die Zusammenarbeit der Europäer bei der Verteidigung sprechen. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen setzt sie vor allem auf den digitalen Binnenmarkt. Ziel sei, den junge Menschen in Europa Hoffnung und Chancen zu geben, sagte die CDU-Chefin.

Was Europa braucht, ist eine neue Vision und eine konkrete Agenda des Wandels.

Alexis Tsipras

Der französische Präsident François Hollande, mit dem sich Merkel am Tag vor dem Gipfel noch in einem Vier-Augen-Gespräch abgestimmt hatte, äußerte sich ähnlich. Viele der Regierungschefs schienen sich zumindest in dem Punkt einig, dass Europa vor einer bedeutenden Zäsur stehe. Der belgische Ministerpräsident Charles Michel sprach von einem Moment der Wahrheit. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras meinte: „Was Europa braucht, ist eine neue Vision und eine konkrete Agenda des Wandels.“

Staatschef mahnen Einigkeit an – Ergebnisse bis März

Der Gastgeber des Treffens, Slowakeis Regierungschef Robert Fico, mahnte Ehrlichkeit und Einigkeit an. Beschlossen werden solle ein Fahrplan für die nächsten sechs Monate, wie die wichtigsten Fragen der Gemeinschaft gelöst werden könnten, sagte der slowakische Regierungschef. „Ich habe keinen Zweifel, dass der Gipfel in diesem Sinne ein Erfolg wird.“ Als Zeitrahmen steckt sich die EU das 60. Jubiläum der Europäischen Verträge im März 2017. Ficos Mahnung zur Geschlossenheit kommen nicht von ungefähr. Erst Mitte der Woche hatte Luxemburgs Außenminister Asselborn den Ausschluss Ungarns aus der EU wegen der Flüchtlings- und Medienpolitik der Regierung Orban gefordert.

Überhaupt scheinen nahezu alle Gipfelteilnehmer Merkels Sorge um die EU zu teilen. Denn: Die Stimmung ist offenbar im Keller. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuletzt die Lage Europas sehr düster beschrieben und eine nüchterne Bestandsaufnahme und „brutale Offenheit“ gefordert. Niemand dürfe so tun, als ob „alles in Ordnung war und ist“.

Niemand darf so tun, als ob alles in Ordnung war und ist.

EU-Ratspräsident Donald Tusk

Nur eine der wichtigen Fragen ist, wie man mit dem demnächst fehlenden britischen Beitrag für die EU-Kassen umgehen will. Wird das EU-Budget gesenkt oder springen andere Beitragszahler, also in erster Linie vermutlich Deutschland, dafür ein?

EU macht ernst bei Sicherung der Außengrenzen

Schon in Bratislava soll es an diesem Wochenende zudem erste Signale geben, dass die EU mit der Sicherung ihrer Außengrenzen ernst macht. Erwogen wird demnach die Entsendung von 200 Beamten nach Bulgarien, um die Grenze zur Türkei undurchlässiger zu machen. Dies soll den Zuzug von Flüchtlingen drosseln. Geplant ist auch der rasche Aufbau eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes und der Aufbau eines Einreise-Registrierungssystems namens Etias. Die umstrittene Verteilung von 160.000 Flüchtlingen, gegen die sich vor allem die östlichen EU-Staaten wehren, dürfte dagegen weiter ungelöst bleiben.

(dos/dpa)