Das Oktoberfest in Repentigny findet in diesem Jahr zum elften Mal statt. (Bild: Oktoberfest de Repentigny/fkn)
Oktoberfest in Kanada

Festival der 250 Biere

Vielerorts gibt es Kopien des Oktoberfestes, auch in der französischen Provinz Québec in Kanada. Dort boomt der Markt der Mikrobrauereien. Die Brauer nutzen das Fest um ihre neuen Biersorten zu präsentieren. 250 verschiedene Biere können die Besucher in diesem Jahr probieren.

Jean-Christophe hat sein Bierglas schon eingepackt. In den nächsten Tagen wird er es mit spritzigem Weißbier, mit kräftigem, malzigen Dunklen, fruchtigem Himbeerbier und natürlich auch mit traditionellem Hellen auffüllen lassen. Er freut sich darauf, neue Biersorten zu entdecken. „Einige Liter Bier trinke ich während der drei Tage. Dabei geht es mir darum, viele neue Geschmackserlebnisse zu haben“, sagt der Kanadier. Die Auswahl ist groß, wenn das „l`Oktoberfest de Repentigny“ in der kanadischen Provinz Québec im September seine Zelte öffnet. Besucher haben die Wahl zwischen 250 verschiedenen Biersorten.

Eldorado für Bierfans

Dabei unterscheidet sich das kanadische Konzept in Sachen Bier deutlich vom Münchner Oktoberfest. Am Eingang der Québec-Festwiese kann jeder Besucher einen Krug kaufen, sofern er keinen eigenen dabei hat. Für ein paar Dollar füllen die Brauer den Krug immer wieder auf. Über das Festgelände verteilen sich knapp hundert kleine weiße Zelte. In einem Drittel von ihnen schenken die Brasseure, so heißen hier die Brauer, ihre Kreationen aus, schließen neue Verträge und probieren, was die Konkurrenz Neues geschaffen hat. Viele von ihnen sind stolz darauf, Biere zu präsentieren, die sich am bayerischen Brauverfahren orientieren.

Blasmusik, Schuhplattler und „Pretzels“

Für bayerisches Flair sorgt nicht nur weiß-blaue Deko und ein Maibaum. Auch das ein oder andere Schmankerl lässt sich finden. Zum Beispiel gibt es Würstel. Die „Pretzel“ ist allerdings mit Zimt und Äpfeln garniert, anstatt mit Salzkörnern. Auch die deutsche Volksmusik aus den Lautsprechern wird Bayern vermutlich zunächst etwas befremdlich vorkommen. Doch wenn sie im Festzelt „Vieux-Munich“ – also „Altes München“ – den vertrauten Tusch „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ hören, dürften Heimatgefühle auch im fernen Kanada aufkommen. In diesem Zelt spielt eine Blaskappelle die alpenländischen Melodien. Beim „Anton aus Tirol“ oder dem „Holzmichel“ springt hier allerdings niemand auf die Tische. Getanzt wird auf der Bühne. Traditionell zurecht gemacht in Dirndl und Lederhose schwingen dort die Mitglieder des Schuhplattlervereins „Alpenland Montreal“ das Tanzbein.

Wenn er die Blasmusik hört, bekommt Jean-Christophe Sehnsucht nach Bayern. Bereits viermal ist er zum Oktoberfest nach München gereist. „Ich mag die Stimmung hier im kanadischen Repentigny sehr, aber es ist nicht das Gleiche wie in München“, sagt er. „Wenn dort Tausende auf den Bänken stehen und sich in den Armen liegen, bin ich jedes Mal beeindruckt.“  In das große Festzelt in Québec passen gerade einmal 300 Gäste. Im größten Festzelt auf der Wiesn haben 11.000 Gäste Platz. In Kanada tummeln sich die meisten Wiesn-Gänger lieber zwischen den kleinen Zelten der Mikrobrauereien oder vor der Konzertbühne. Dort treten Bands aus der Region auf und sorgen für Festivalstimmung.

Das Oktoberfest-Imitat kommt bei den Québécois gut an. Während 2006 beim ersten Oktoberfest 16.000 Besucher kamen, werden in diesem Jahr mehr als doppelt so viele erwartet. 90 Prozent von ihnen wohnen in der näheren Umgebung.

Boom der Kleinbrauereien

Auch wenn die Dimensionen deutlich kleiner sind als auf der Wiesn – Durst bringen auch die Kanadier mit. 55.000 Liter haben die Brauer im letzten Jahr ausgeschenkt. Kein Wunder, handwerklich hergestelltes Bier von Mikrobrauereien in Québec wird immer beliebter. Hatte die Provinz 2002 noch 31 Mikrobrauereien, sind es inzwischen knapp 150, laut der Association des microbrasseries du Québec. Im Vergleich: Das sind so viele Brauereien, wie in Oberfranken ansässig sind.

Wer ist Bierkönig?

Bayern verfügt nach wie vor mit 626 betriebenen Braustätten unangefochten über die meisten Sudhäuser der Republik. Jede zweite deutsche Braustätte hat ihren Sitz im Freistaat. Allerdings übersteigt die Zahl der Neugründungen von Gasthäusern und Kleinbrauereien in anderen Bundesländern bereits seit Jahren die Zahl der Stilllegungen traditioneller Braustätten. Dadurch ist der Anteil Bayerns an allen Braustätten leicht rückläufig und beträgt laut Bayerischem Brauerbund 45 Prozent. Die meisten von ihnen sind Sortimentsbrauereien. Über vierzig verschiedene Biersorten werden in Bayern gebraut. Inzwischen kommen 4.000 bayerische Marken zusammen. Auch wenn Québec nur rund ein Fünftel so viele Brauereien hat wie Bayern, die Auswahl ist beachtlich. Etwa 3300 verschiede Marken sind in der Provinz beheimatet. Und auch wenn es mehr zu probieren gibt – im nächsten Jahr will Jean-Christophe zum Oktoberfest wieder in Bayern sein.

Ein „Kleines München“ gibt es übrigens auch in Montréal: Wer glaubt, Weißwürste kommen nur in Bayern auf den Tisch, hat sich getäuscht. Dabei kehren in das „Petit Munich“ hauptsächlich Kanadier ein:

Petit Munich: Bayerisches Restaurant in Montréal Play Video
Petit Munich: Bayerisches Restaurant in Montréal

Québec – ein Stück Europa in Kanada

Deftiges Rauchfleisch, kräftiges Schwarzbrot, spritziges Weißbier. Wer durch Québec reist, findet viele Dinge, die an Europa, speziell an Bayern erinnern. Nicht nur die Küche verbindet beide Nationen, auch die aufgeschlossene Lebensart der Québecois – wie sich die Einwohner der Provinz Québec im Osten von Kanada nennen – passt gut zur bayerischen Gemütlichkeit. Der Freistaat pflegt seine Beziehungen zum separatistisch geprägten Provinzstaat Québec bereits seit 1989 im Rahmen der Partnerschaft Bayern-Québec. Zahlreiche Initiativen und eine Vertretung in der Metropole Montréal tragen bald seit drei Jahrzehnten zu kontinuierlichem Austausch und Kooperationen bei. Mehr zu den Handelsbeziehungen zwischen Bayern und Québec lesen Sie hier: Alte Freundschaft in neuen Händen.