Auf schwieriger Mission: Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer China-Reise mit Premier Le Keqiang. (Bild: Imago/Xinhua)
Merkel in China

Eine Reise, die Hoffnung macht

Freundschaftliche Gesten und Bilder dominierten den Besuch der Kanzlerin im Reich der Mitte. Bei den aufgestauten Sorgen, die vor allem die deutsche Stahlindustrie und andere Branchen plagen, war Diplomatie gefragt. Die Erkenntnisse, die Angela Merkel mit zurück aus China brachte, sind überschaubar. Die Ängste vor einem Handelskonflikt bleiben, aber die Hoffnung auf eine Lösung wächst.

Ein Händeschütteln hier, ein nettes Foto mit einer Knetmasse-Kanzlerin dort – die Bundesregierung und die chinesische Staatsführung demonstrierten bei Angela Merkels China-Reise Gemeinschaft. Pekings Medien vermeldeten nach einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und Staatspräsident Xi Jinping, das deutsch-chinesische Verhältnis habe nach 40 Jahren diplomatischen Beziehungen eine „reife Phase“ erreicht. Die Kanzlerin betonte am Dienstag auf ihrer letzten Station in Shenyang – dort besichtigte sie auch ein BMW-Werk -, wie wichtig es sei, sich regelmäßig zu Konsultationen mit den chinesischen Partnern zu treffen. „Daraus erwächst eine sehr kontinuierliche Zusammenarbeit, in der man auch durchaus kritische Punkte sehr intensiv miteinander besprechen kann“, so die Kanzlerin.

China pocht auf Marktwirtschaftsstatus

Im Mittelpunkt der Gespräche stand unter anderem der Marktwirtschaftsstatus, der den Chinesen vor 15 Jahren von der Welthandelsorganisation (WTO) zugesagt worden war; und zwar für Ende 2016. Die Anerkennung hat womöglich gravierende Folgen, warnen Experten. Denn chinesischem Preisdumping, wie es die Welt angeblich derzeit in der Stahlindustrie erlebt, wäre Tür und Tor geöffnet, die Mittel dagegen vorzugehen, immer geringer. In der EU regt sich großer Widerstand, das EU-Parlament sprach sich im Mai mehrheitlich dagegen aus, Chinas Marktwirtschaftsstatus anzuerkennen (der Bayernkurier berichtete). Die EU-Kommission ist an diesen Beschluss aber nicht gebunden. Ministerpräsident Li Keqiang erklärte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, dass China seine Pflicht schon erfüllt habe. Für die Überkapazitäten bei der Stahlproduktion sieht er nicht allein China verantwortlich. Das beobachte man in der ganzen Welt, weil der Stahlmarkt weltweit schrumpfe, so Li. „Unsere Zusagen beim Beitritt zur Welthandelsorganisation haben wir eingehalten“, machte der Premier klar. Jetzt seien andere an der Reihe, „zu ihrem Ja-Wort, zu ihren damaligen Zusagen zu stehen“. China wolle keinen Handelskrieg, „weil er für niemanden von Vorteil ist, insbesondere nicht in einer Welt und in einem Moment, in dem die Konjunktur schwach ist“, warnte Li. „Probleme“ und „Handelsdispute“ mit der EU räumte er ein, aber der Anteil dieser Streitigkeiten am EU-China-Handel sei „winzig klein“. Li: „Man darf das nicht aufbauschen.“

Merkel: Gespräche mit EU-Kommission noch nicht abgeschlossen

Wie berichtet, sieht die Handelskammer der EU in China die Lage im Reich der Mitte deutlich kritischer. Sie kann noch keine effektive Marktwirtschaft erkennen: „Die Lage hat sich nur von schlecht zu schlimm gewandelt“, sagte zuletzt der Handelskammerpräsident Jörg Wuttke zu den chinesischen Überkapazitäten. Die Kanzlerin gab sich bei ihrem China-Besuch freilich deutlich diplomatischer. Mit Blick auf den von China angestrebten Marktwirtschaftsstatus wies sie darauf hin, dass die Gespräche mit der EU-Kommission noch nicht abgeschlossen seien. Man brauche, auch vor dem dem Hintergrund der Überkapazitäten auf dem chinesischen Stahlmarkt, „weitere Fachgespräche auf der Fachebene, um Ergebnisse zu finden, die dann WTO-konforme Lösungen hervorbringen und die auch den wirtschaftlichen Problemlagen gerecht werden“. Merkel: „Da liegt noch viel Arbeit vor uns.“ Nach ihrer Rückkehr will sie zunächst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Junker über ihre Gespräche in Peking berichten, noch vor der Sommerpause gibt es dann einen EU-Gipfel. Bis zum Jahresende soll ein Lösung stehen.

Alle Menschen in Deutschland wissen, dass wir einen guten Roboterhersteller haben – vielleicht auch bald alle Menschen in China.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Thema waren in Peking auch die Übernahmepläne des chinesischen Haushaltsgeräteherstellers Midea, der Mehrheitsaktionär beim Augsburger Roboterhersteller Kuka werden möchte (der Bayernkurier berichtete). „Alle Menschen in Deutschland wissen, dass wir einen guten Roboterhersteller haben – vielleicht auch bald alle Menschen in China“, erklärte Merkel. Sie wies auf die Tatsache hin, dass Midea schon jetzt einen Anteil an Kuka hat und diesen erhöhen möchte. „Ich sehe nach wie vor eine Möglichkeit, dass man hier zu einer guten Lösung kommt“, so Merkel, die hinzufügte: „Im übrigen ist auch niemand in Deutschland verboten, sich bei Kuka zu engagieren.“ Wie berichtet, galt das in Branchenkreisen zunächst als sehr unwahrscheinlich, weil das Angebot der Chinesen mit 115 Euro pro Anteilsschein sehr hoch ausgefallen war. Mittlerweile wird nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ aber auch über eine Gegenofferte des schweizerischen Industriekonzerns ABB spekuliert. Der Aktienkurs der Augsburger schnellte am heutigen Mittwoch um sechs Prozent in die Höhe.

Deutschland würde sich freuen, wenn es zum Beispiel zu einem verbindlichen Verhaltenskodex mit den ASEAN-Staaten und China kommen würde.

Angela Merkel zu den Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer

Neben wirtschaftlichen standen in China freilich auch politische Themen auf der Agenda der Kanzlerin. Sie lobte die konstruktiven Beiträge Chinas zum Abschluss des Nuklearabkommens mit dem Iran oder des Klimaschutzabkommens von Paris. Das dabei gewachsene Vertrauen solle, auf Basis des Völkerrechts, weiter genutzt werden – beispielsweise beim Abbau von Spannungen im Ostchinesischen und im Südchinesischen Meer. „Deutschland würde sich freuen, wenn es zum Beispiel zu einem verbindlichen Verhaltenskodex mit den ASEAN-Staaten und China kommen würde“, erklärte die Bundeskanzlerin. Bekanntlich beansprucht China zum Leidwesen der anderen Anrainerstaaten weite Teile des Meers für sich, errichtet Militärbasen auf eigens aufgeschütteten Inseln und verbittet sich jegliche internationale Einmischung (der Bayernkurier berichtete).