Stahl ohne Ende in China: Sollte die Volksrepublik als Marktwirtschaft anerkannt werden, sind einem weiteren Preisdumping womöglich Tür und Tor geöffnet. (Bild: Imago/China Foto Press)
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Lust auf China schwindet immer mehr

Die Unzufriedenheit europäischer Firmen, die sich in China engagieren, wird immer größer. Nach wie vor leiden sie unter Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihren Mitbewerbern und fühlen sich im Land nicht mehr willkommen. Derzeit laufen die Geschäfte zwar noch, doch der Ausblick ist schlecht. China pocht derweil auf seine Anerkennung als Marktwirtschaft.

Mehr als 50 Prozent der europäischen Firmen in der Volksrepublik arbeiten nach Auskunft des Präsidenten der europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, zurzeit noch profitabel. „Aber der Ausblick in die nächsten Jahre ist sehr viel pessimistischer, als wir das jemals in den letzten Umfragen hatten“, sagte er am Dienstag in Peking. Die Firmen bereiten sich laut Wuttke auf eine kleine Krise vor, der Profitausblick sei sehr viel negativer als in den Jahren zuvor.

Die Firmen werden langsam müde von dem Reformgerede“

Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China

Laut einer neuen Studie der Handelskammer fühlen sich mittlerweile 70 Prozent der ausländischen Firmen nicht mehr willkommen im Reich der Mitte, jedes zweite Unternehmen sieht sich im Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz benachteiligt. Beklagt wird vor allem der fehlende Reformwille der Politik im Land. „Die Firmen werden langsam müde von dem Reformgerede“, weiß Präsident Wuttke. Denn es passiert nichts: So sehen die meisten der europäischen Unternehmen in den Regierungs-Versprechungen reine Rhetorik und klagen über die alten Probleme: Fehlende Rechtssicherheit, eingeschränkter Internetzugang, Klau von Wissens-Know-How und überbordende Bürokratie.

Amerika läuft China den Rang ab

Im Reich der Mitte sind derzeit auch rund 5000 deutsche Unternehmen vertreten. Das Land verlassen will aber kaum jemand, denn China sei allein schon wegen seiner Größe zu wichtig, weiß der Kammerpräsident. Und das selbst noch bei Wachstumszahlen von „ein, zwei oder drei Prozent“. Aber: „Wir stellen fest, dass Firmen nicht mehr neue Projekte und Produkte nach China bringen, sondern sich in anderen Teilen dieser Welt etablieren.“ An erster Stelle nennt Wuttke dabei Amerika „als Frontrunner bei den CEOs in Europa“. Zuvor sei bei ihnen immer China die Nummer 1 gewesen. Die Wichtigkeit der Volksrepublik als Investitionsstandort sinkt: Laut Handelskammer investierte Europa im vergangenen Jahr gerade einmal neun Milliarden Euro im Reich der Mitte, während 22 Milliarden von der Volksrepublik nach Europa wanderten. „China findet mittlerweile Europa interessanter, als wir China interessant finden“, sagt der Kammerchef.

Peking pocht auf Anerkennung als Marktwirtschaft

Das kommunistisch regierte Land warnt die EU unterdessen vor einem Handelskonflikt, sollte es nicht offiziell als Marktwirtschaft anerkannt werden. Die Anerkennung hätte womöglich gravierende Folgen: Die Möglichkeiten, gegen chinesisches Preisdumping vorzugehen, wie es die Welt in jüngerer Vergangenheit zum Beispiel in der Solarbranche erlebte und unter dem zurzeit vor allem die europäische Stahlindustrie leidet, würden viel geringer. „Der Preis könnte viel zu hoch sein“, warnen deshalb auch Experten davor, China diesen Status zu gewähren.

China kann den Status einer Marktwirtschaft erst bekommen, wenn es sich auch so verhält

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)

Der Stichtag für die Anerkennung, auf die Peking jetzt pocht, liegt im Dezember dieses Jahres. Das war den Chinesen vor 15 Jahren von der Welthandelsorganisation (WTO) zugesagt worden. Im EU-Parlament regt sich aber großer Widerstand, und die Sorge vor Chinas Dumping ist so groß, dass die Parlamentarier im Mai mehrheitlich eine Zustimmung verweigert haben. Das empört freilich Peking, das sogar vor einem Handelskrieg warnt. Am Wochenende sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Gast in der Volksrepublik. Die Gespräche dürften interessant werden. Gabriel hatte zuletzt im Spiegel darauf gepocht: „China kann den Status einer Marktwirtschaft erst bekommen, wenn es sich auch so verhält.“

Die Lage hat sich nur von schlecht zu schlimm gewandelt

Handelskammerpräsident Jörg Wuttke zu den chinesischen Überkapazitäten

Davon ist aber nichts zu sehen, bestätigte jüngst auch eine weitere Studie der EU-Handelskammer zu den Problemen der chinesischen Überkapazitäten. „Die Lage hat sich nur von schlecht zu schlimm gewandelt“, bedauerte Kammerpräsident Wuttke. Bereits 2009 hatte die Kammer Peking einen Aktionsplan vorgeschlagen, um die Probleme bei den Wurzeln zu packen und die Überkapazitäten der Schlüsselindustrien im Land abzubauen. Die Europäer stießen aber offensichtlich auf taube Ohren: „Eine Überprüfung unserer ursprünglichen Studie zeigte, dass der Aktionsplan wie im Jahr 2009 vorgeschlagen auch heute noch aktuell ist“, so Wuttke im Februar dieses Jahres.