PIS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski. (Bild: Imago/Zuma Press)
Demonstrationen

Polen vor dem langen Marsch

Bei der größten Demonstration seit dem Fall des Eisernen Vorhangs haben Oppositionelle in Warschau gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung protestiert. 240.000 Menschen kamen nach Angaben der Stadt unter dem Motto "Wir sind und bleiben in Europa" am Samstag zusammen. Zu der Kundgebung riefen linke und konservative Parteien sowie das außerparlamentarische Demokratiebündnis KOD auf.

Der ehemalige Außenminister Grzegorz Schetyna, der auch Chef der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) ist, sprach von der größten Demonstration seit 1989. „Wir sind heute zusammen hier, um zu sagen, dass wir den Alptraum einer autoritären Regierung nicht zulassen“, betonte Schetyna. „Wir stehen am Anfang eines langen Marsches.“

Angriff auf die junge Demokratie?

Die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des polnischen Ex-Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski sorgte in den vergangenen Monaten mit umstrittenen Gesetzesreformen für Kontroversen zwischen Warschau und Brüssel, aber insbesondere auch in Polen selbst. Kaczynski gilt als der starke Mann in Polen, auch wenn er in der nationalkonservativen Regierung kein Ministeramt hat. Die EU-Kommission eröffnete ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen. Zuvor schränkten neue Gesetze die Arbeit des Verfassungsgerichts ein und erweiterte die Überwachungsmöglichkeiten der Polizei. Ein neues Mediengesetz ermöglicht der Regierung die Besetzung von Führungsposten in öffentlich-rechtlichen Medien, was sie auch umgehend tat.

Zu den Ländern, die der aktuellen internationalen Rangliste der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen deutlich abrutschten, gehörte dann auch Polen. Das Nachbarland Deutschlands fiel um 29 Plätze auf Rang 47.

Proteste in Polen

Entweder wir nehmen den Europa-Express oder die Transsibirische Eisenbahn.

Kamila Gasiuk-Pihowicz

„Wir sind hier, weil wir an polnisches Recht, an polnische Freiheit und gemeinsames Handeln in der EU glauben“, sagte der ehemalige polnische Präsident Bronislaw Komorowski zu Beginn der Demonstration. „Die PiS-Regierung wendet sich von Europa ab“, warnte Kamila Gasiuk-Pihowicz von der liberalkonservativen Partei Nowoczesna. Für sie stehen die Polen an einer entscheidenden Weiche: „Entweder wir nehmen den Europa-Express oder die Transsibirische Eisenbahn.“

Präsident Andrzej Duda hingegen betonte am Samstagabend in einem Fernsehinterview, „kein ernsthafter Politiker“ in Polen denke an einen Austritt aus der EU. Am Samstag hatten auf einer weiteren Kundgebung auch etwa 4000 Europagegner unter dem Motto „Mut, Polen!“ demonstriert.

Erst Ende Februar hatte sich auch der Friedensnobelpreisträger und frühere Arbeiterführer Lech Walesa gegen die neue Regierung geäußert: „In meinen schlimmsten Träumen habe ich nicht vorhergesehen, dass nach Jahren des Kampfes um Freiheit, nach Repression und Verhaftungen, der Apparat eines demokratischen Staates sich gegen uns wendet, die verfolgten Gegner des kommunistischen Systems.“