1. Mai in Paris: Gewerkschaftsdemo gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Frankreich, die bei zehn Prozent liegt. (Foto: Imago/PanoramiC)
Frankreich

Hartz für Hollande

Der französische Präsident geht ein Schlüsselprojekt seiner Amtszeit an: die Arbeitsmarktreform. Kündigungen sollen erleichtert und die 35-Stunden-Woche aufgeweicht werden. Doch angesichts landesweiter Massenproteste treibt sie die Sozialisten in eine Zerreißprobe wie seinerzeit die Hartz-Reformen zur Belastung für die deutschen Sozialdemokraten wurden.

Seit Wochen halten die Proteste Frankreich in Atem, immer wieder blockieren Demonstrationen das öffentliche Leben in den Städten. Am 1. Mai löste die Polizei in Paris die Demos nach Krawallen gewaltsam auf. Mit Macht lehnen sich Schüler, Studenten, Gewerkschaftler gegen eine Schlüsselreform von Präsident Francois Hollande auf: die Arbeitsmarktreform. Angesichts einer landesweiten Arbeitslosenquote von zehn Prozent – 3,5 Millionen Franzosen sind ohne Job – hält Hollande die geplanten Veränderungen für unabdingbar.

Zwar will seine Regierung nicht die heilige Gewerkschaftskuh der 35-Stunden-Woche zur Schlachtbank führen. Aber es soll künftig mehr Ausnahmen geben. Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen sollen auf Betriebsebene mit den Mehrheitsgewerkschaften ausgehandelt werden. Maximal 46 Stunden pro Woche wären dann möglich. Überstundenzuschläge für die ersten acht Mehr-Stunden sollenjedoch per Betriebsvereinbarung von 25 auf zehn Prozent gekürzt werden können.

Die Reform ist ein dynamischer und gerechter Kompromiss.

Francois Hollande, französischer Präsident

Vor allem aber Hollandes Absichten, den Kündigungsschutz zu lockern, nähren die Proteste. Unternhemen, die Absatzeinbrüche hinnehmen müssen, könnten künftig leichter Entlassungen aussprechen. „Der Unternehmer darf nicht mehr Angst vor Neueinstellungen haben, weil er Entlastungen in der Zukunft fürchtet“, argumentiert Premierminister Manuel Valls, wie Hollande ebenfalls Sozialist. Der Präsident selbst prognostiziert, dass seine geplante Reform das Verhältnis der Sozialpartner „tief greifend verändern“ werde.

Bislang fehlt der Regierung die parlamentarische Mehrheit für diese Arbeitsmarktreform. Die französischen Sozialisten stehen vor einer Zerreißprobe wie seinerzeit die deutsche SPD vor den Hartz-Reformen. Zwar lähmt das relativ arbeitnehmerfreundliche Kündigungs- und Arbeitszeitrecht die Ökonomie Frankreichs. Die Gewerkschaften spielen eine wesentlich gewichtigere Rolle als in Deutschland. Ob allerdings die Kernklientel der Sozialisten Veränderungen an dieser Stelle goutiert, bleibt die Frage. Mit dem Erfolg seines Vorhabens verknüpft der Staatschef jedenfalls sein eigenes politisches Schicksal: Ohne ein spürbare Senkung der Arbeitslosigkeit wolle er bei der nächsten Präsidentenwahl im Frühjahr 2017 nicht wieder kandidieren.