Brüder im Geiste und im leeren Geldbeutel: Griechenlands linker Regierungschef Alexis Tsipras (l.) trifft Portugals linken Regierungschef Antonio Costa Mitte April. (Bild: Imago/Zuma)
Finanzkrise

Portugal vor dem erneuten Fall

Die kleine Ratingagentur DBRS könnte mit einer negativen Bewertung Portugal in ernste wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten bringen – und damit auch die Euro-Krise neu beleben. Die neue linke Regierung dreht die Reformen zurück, die das Land stabilisiert hatten. Auch die Niedrigzinspolitik der EZB trägt einen Teil der Schuld dafür.

Die Euro-Finanzminister wollen auf einem Sondertreffen am 9. Mai über umfassende Spar- und Reformschritte in Griechenland entscheiden. Das ist Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Milliardenhilfen an das pleitebedrohte Land. Anstatt aber dauernd nur auf Griechenland, das Fass ohne Boden, zu blicken, sollten die Experten ihr Augenmerk auf Portugal lenken. Die kleine Ratingagentur DBRS, die neben den drei Großen S&P, Moody’s und Fitch kaum bekannt ist, könnte mit einer negativen Bewertung der Bonität Portugal in eine Krise stürzen. Dies berichten übereinstimmend mehrere Medien.

Alles Schrott – oder doch nicht?

Der Hintergrund: Das jeweils beste Rating von vier privaten nordamerikanischen Agenturen wird bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Beurteilung eines Wertpapiers herangezogen. Die drei großen Ratingagenturen haben portugiesische Anleihen schon seit langem als „Schrott“ bewertet, DBRS dagegen als „Gerade noch investierbar“ mit dem Ausblick „stabil“. Da aber die EZB nur Staatsanleihen von Ländern mit Kreditwürdigkeit kaufen darf, würde eine „Schrott“-Abstufung von DBRS bedeuten, dass das hoch verschuldete Portugal aus dem umstrittenen Anleihenkaufprogramm der EZB herausfiele. Für zehnjährige portugiesische Anleihen wird derzeit noch ein Risikoaufschlag von 3,29 Prozent fällig. Zur Erinnerung: Bei Werten jenseits der zehn Prozent flüchtete Portugal 2011 unter den EZB-Rettungsschirm. Es müsste sich also im Falle einer Abstufung neue Kredite zu viel höheren Zinsen und Aufschlägen besorgen.

Portugal vor neuer Krise

Die Troika würde wieder die Kontrolle übernehmen. Dann aber, so mutmaßt die Welt, würde wohl auch die Regierung in Portugal zu Fall kommen und das könnte eine neue Euro-Krise auslösen. Gründe für eine negative Bewertung gibt es viele, das zeigen schon die Ratings der andern Agenturen, so kritisch man diese auch beurteilen kann. Aber das Land auf der iberischen Halbinsel wird selbst von der – für die EZB nicht relevanten – chinesischen Ratingagentur „Dagong“ negativ einstuft.

Portugal gehört mit einer Schuldenquote von 130 Prozent zu den am meisten verschuldeten Ländern der Währungsunion, nur Griechenland und Italien sind noch darüber. Portugal blieb 2015 auch mit 4,4 Prozent Defizit hinter den Erwartungen der EU zurück. Hinzu kommt: Nach 1,5 Prozent im zweiten Quartal 2015 wuchs die Wirtschaft im dritten Quartal nur noch um 1,4 Prozent und im vierten um 1,3 Prozent. Für 2016 wurden nur noch 1,2 Prozent im ersten Quartal erwartet.

Die linke Regierung will Reformen zurückdrehen

Das linke Regierungsbündnis des Sozialisten António Costa aus mehreren Parteien ist instabil. Wie bei den europäischen Linken üblich, eint sie nur die Ablehnung des von der EU geforderten Sparkurses inklusive Reformen, man setzt wie immer völlig verfehlt auf Sozialausgaben und weitere Schulden. Diese Reformunwilligkeit brachte schnell Ärger mit der EU-Kommission. Laut der Zeitungen „Welt“ und „Handelsblatt“ hat aber DBRS drei Risiken für sein Rating benannt: Ein Zurückdrehen der Reformen, kein gutes Verhältnis zur EU und das niedrige Wachstum. Alle drei Risiken sind aber derzeit eingetreten, auch wenn sich das Verhältnis zur EU wieder entspannt haben soll.

Hinzu kommt noch die offenbar dem EU-Süden eigene Gewohnheit, ihre nationalen Notenbanken und andere Banken eigene Staatsanleihen in gefährlich hohem Maß aufkaufen zu lassen. Nach Berechnungen von Bloomberg sollen portugiesische Banken im Durchschnitt fast zwölf Prozent ihrer Bilanzsumme in portugiesische Anleihen investiert haben. Auch diese Banken, die obendrein an hohen Kreditausfallraten mit einem Volumen von 13 Milliarden Euro leiden, wären daher in Gefahr, wenn die Anleihen auf „Schrott“ gestuft würden.

Viele Probleme und falsche Lösungen

Natürlich sind die Reformen unbeliebt und haben viele Härten für die Bürger. Letztlich aber müssen sie jetzt endlich die Konsequenzen der Reformen tragen, vor denen sie sich so lange gedrückt haben. Besonders fatal ist natürlich die Jugendarbeitslosigkeit, die zwar seit der Krise vor drei Jahren deutlich gesunken, aber weiter unerfreulich hoch ist: Wenn junge Leute überhaupt Arbeit haben, dann als Honorarkräfte mit niedrigen Gehältern und kaum Sozialleistungen. Über die Hälfte aller Erwerbstätigen zwischen 20 und 30 Jahren arbeitet auf so einer Honorarbasis oder hat einen kurzfristigen Arbeitsvertrag. Die Unternehmer sparten an den Arbeitskosten, weil sie die Krise immer noch stark spüren, es kein Wachstum gebe und viele Firmen immer noch pleitebedroht seien, erwiderte darauf Nuno Carvalinha, Präsident des Verbands Kleiner und Mittlerer Unternehmen. Kredite bei den Banken seien nur schwer zu bekommen, Investitionen blieben daher aus.

Die Firmen werden schon jetzt stark überprüft, sie werden geradezu erdrückt von einem Katalog von Strafen und Bußgeldern, Gesetzen und Vorschriften.

Nuno Carvalinha, Präsident des Verbands Kleiner und Mittlerer Unternehmen

Die Regierung will nun den Arbeitsmarkt reformieren, mit dem üblichen Allheilmittel linker Politik: dem Staat. So sollen Unternehmen, die sich vor allem auf kurze Zeit- und Honorar-Verträge stützen, höhere Abgaben an die Sozialversicherung zahlen. Zusätzliche Inspektoren sollen Missbrauch unterbinden. Das Problem bei alldem ist die überbordende Bürokratie. „Die Firmen werden schon jetzt stark überprüft, sie werden geradezu erdrückt von einem Katalog von Strafen und Bußgeldern, Gesetzen und Vorschriften. Dazu kommen Steuern und hohe Sozialabgaben. Anstatt die Kontrolle noch weiter auszubauen, brauchen wir eine größere Flexibilisierung bei den Arbeitsverhältnissen“, warnte Nuno Carvalinha.

Portugal war auf dem richtigen Weg

Dabei war Portugal nach der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise eigentlich dank harter Reformen wieder auf einem guten Weg. Kernindikatoren wie Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Leistungsbilanz entwickelten sich zufriedenstellend. Das Land konnte 2014 sogar frühzeitig den Rettungsschirm der EU verlassen, der es mit rund 78 Milliarden Euro vor der Pleite rettete. Dann der Regierungswechsel zu den Linken. „Eine ganze Reihe von Sparmaßnahmen wurden zurückgenommen. Es gibt die Gefahr, dass die Regierung auch weitere Reformen zurückdrehen wird“, zitiert das „Handelsblatt“ den Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. So wurden unter anderem die Gehälter im öffentlichen Dienst erhöht, der Mindestlohn über die Armutsgrenze gehoben und einige Privatisierungsprojekte abgesagt. Alles sehr populär, besonders bei den naturgemäß vorhandenen Verlierern der Reformen – aber zu diesem Zeitpunkt falsch.

Schuld hat auch die EZB

Das Handelsblatt sieht die Schuld bei der EZB und ihrem Chef Mario Draghi. Die Europäische Zentralbank habe sich „zu lange der Illusion hingegeben, dass sie die Schuldenprobleme an der Südflanke der Euro-Zone mit viel Geld zudecken könne“, wird ein Ökonom zitiert. Die Hoffnung Draghis, die er auch aktuell in einem Bild-Interview wiederholte, dass die betroffenen Länder die Niedrigzinsphase nutzen würden, um wichtige Strukturreformen durchzuführen, erwies sich gegen die südländische Verschuldungskultur insbesondere bei den linken Parteien als total verfehlt.

Statt der Steuerzahler haften die Gläubiger.

Clemens Fuest, ifo-Chef mit Reformvorschlag

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest warnte vor ein paar Tagen, dass in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal die Defizite wieder stiegen. Dies war der Grund, warum er schärfere Regeln gegen die ausufernde Schuldenpolitik in der Eurozone forderte. Damit die Kosten vertragswidrig hoher Staatsverschuldung nicht mehr auf die Steuerzahler anderer Länder abgewälzt werden können, sollten ab einer Neuverschuldung von 0,5 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung nachrangige Staatsanleihen eingeführt werden, die nicht von der Europäischen Zentralbank (EZB) angekauft werden könnten, so Fuest. Überschreite die Staatsschuldenquote 120 Prozent – wie in Portugal –, müssten die Zinszahlungen ausfallen. Und wenn ein Land den ESM-Rettungsschirm beanspruche, fielen diese nachrangigen Anleihen nach dem Willen von Fuest ganz aus. Damit würde es „für die Staaten der Eurozone deutlich schwerer und teuer, Vorgaben zu übertreten oder zu ignorieren“, und statt der Steuerzahler hafteten die Gläubiger, so der ifo-Chef.